… die unglaublichen Abenteuer des Herrn Öseblöm –
und seiner Freunde …

Die leere Veranda

»Nun – habt Ihr in der letzten Nacht von Öseblöm geträumt?«

Dann deckt Euch nun schön zu und macht es Euch wieder gemütlich. Schließt die Augen und spitzt Eure Ohren. Jetzt erfahrt Ihr, wie es weitergeht…

Mallewutz und Balthasar konnten sich überhaupt nicht konzentrieren in der Schule. Ständig mussten sie an Öseblöm denken. Ob er wohl noch da sein würde, wenn sie zurückkämen? Ganz nervös waren sie, und die Zeiger auf der großen Uhr über der Tafel schienen  fast still zu stehen. Die Stunden und Minuten vergingen wie zähes Kaugummi. Ja, selbst der Sekundenzeiger bewegte sich nur mit großer Mühe.

Ihren drei Freunden Kalle, Malle und Dralle erging es auch nicht viel besser. Die Arbeit auf dem Feld wollte ihnen einfach keine Freude bereiten. »Wo ist eigentlich das Seil?« fragte Dralle.

»Was meinst Du?« Kalle schaute kaum auf,  aber  diesmal klang seine Stimme tiefer als sonst. »Er meint das Seil, mit dem Du die Sonne eingefangen hast«, mischte  Malle sich ein. »Ach das«, murrte Kalle,  »das hat die Sonne verbrannt.« Kalle war überhaupt nicht gut gelaunt.

»Ob er wohl noch da ist?« fragte Dralle. »Wer?« fragten diesmal Kalle und Malle gleichzeitig. »Na, wer wooohl?« Dralle hielt diese Stimmung einfach nicht mehr aus. »Ich gehe jetzt nach Hause und schaue nach!« »Aber wir können doch nicht einfach unsere Arbeit liegen lassen«, mahnte Kalle. Er war der Älteste und wollte unbedingt der Vernünftigste sein. »Papperlapapp«, fuhr ihm Dralle über den Mund, packte seine Sachen zusammen und begab sich schnurstracks auf den Heimweg.

Kalle und Malle ließen sich das nicht zweimal sagen. Schneller als je zuvor hatten auch sie ihre Sachen gepackt und rannten ihrem Freund hinterher.

»Nun warte doch!«, riefen sie Dralle nach, aber der schaute sich nicht einmal um. Kalle und Malle mussten richtig schnell rennen, um ihren Freund einzuholen. Der stapfte, mit Tränen in den Augen, immer weiter. Er hatte Öseblöm ins Herz geschlossen und er wollte einfach nicht, dass Öseblöm weiterzog. Sie hätten ihn nicht alleine zurücklassen dürfen.

Als sie die ersten Häuser ihres Dorfes erreichten, fragte Kalle ganz außer Atem: »Was machen wir, wenn Öseblöm nicht mehr da ist?« – »Dann suchen wir ihn!«, antwortet Dralle mit fester Stimme. Aber es kostete ihn seine ganze Kraft, nicht einfach in Tränen auszubrechen.

Der Weg durch das Dorf schien ewig zu dauern. Am liebsten wären die Drei geflogen, aber dafür fehlten ihnen die Flügel. So blieb ihnen nichts anderes übrig, als noch einen Schritt schneller zu gehen.

Endlich erreichten sie den alten, verwitterten Lagerschuppen, dort bogen sie nach rechts in den Heimweg. Von der Ferne konnten sie schon die Veranda sehen. Dort saßen bereits Mallewutz und Balthasar.

Die beiden waren einfach nach der großen Pause nach Hause gegangen. Ihren Klassen­kameraden hatten sie aufgetragen, dem Lehrer zu sagen, ihnen »sei schlecht«. Das war nicht so ganz falsch, jedoch hätten sie schon selber mit dem Lehrer sprechen müssen.

Aber ihnen war wirklich ganz seltsam zumute. Sie hatten einfach Angst, einen guten Freund zu verlieren. »Dies ist ein Notfall«, entschied Balthasar, und so rannten sie nach der Pause nach Hause. So schnell sie konnten stürmten sie auf die Veranda – aber die war schon leer!

Als Kalle, Malle und Dralle die Veranda erreichten, saßen Mallewutz und Balthasar schon dort auf ihren Bänken. Ihre Blicke traurig auf den Boden gesenkt, schauten sie nicht einmal auf, als Dralle laut rief: »Wo ist Öseblöm?« – »Er ist weg«, murmelte Balthasar und Tränen liefen ihm die Wangen herunter. Mallewutz starrte auf den Boden und sagte kein Wort.

Kalle, Malle und Dralle ließen sich enttäuscht auf ihre Bänke fallen. Jetzt konnte auch Dralle seine Tränen nicht mehr unterdrücken  »Warum habt ihr ihn nur gehen lassen?«

»Aber hör mal«, versuchte Kalle zu trösten, »wir konnten ihn doch nicht ans Haus fesseln!« – »Doch«, brauste  Balthasar auf, »wenn Du die Sonne einfangen kannst, dann hättest Du auch Öseblöm fesseln können!«

»Freunde fesselt man nicht«, sagte Mallewutz und nahm Balthasar tröstend in den Arm.

Die fünf Burschen saßen tieftraurig auf ihrer gemütlichen Veranda, bis die Sonne sich mit ihren letzten Strahlen am Horizont verabschiedete. Keiner sprach noch ein Wort. Die Trauer nahm ihnen sogar den Appetit, sodass sie an diesem Abend auch kein Abendbrot mehr wollten.

Es war schon spät, als Balthasar schließlich  sagte: »Ich gehe jetzt ins Bett.« Die anderen Vier standen auf und folgten ihm ins Haus. Jeder begab sich mit gesenktem Haupt zu seinem Zimmer.

»Tok – Tok Tok« – was war das? Balthasar hatte es zuerst gehört. Da, wieder »Tok – Tok Tok«. Sofort stürmte der Kleinste zum Gästezimmer und riss die Tür auf. Die anderen bemerkten es immer noch nicht. »Tok – Tok Tok« – Balthasar strahlte vor Freude, sagte aber noch keinen Ton. Im Gästezimmer, auf dem Stuhl neben dem kleinen Tisch, lagen wieder sorgsam zusammengefaltet Öseblöms Kleider, ein Wanderstiefel stand ordentlich unter dem Stuhl, und der zweite Wanderstiefel lag, genau wie beim letzten Mal, verkehrt herum neben dem großen Bett.

Auf dem Bett aber lag Öseblöm und schlief. Sein langer Schwanz klopfte wie immer ganz entspannt gegen die Wand … »Tok – Tok Tok«.  In dieser Nacht konnten unsere Freunde ganz besonders gut schlafen und das solltet ihr jetzt auch.

Darum heißt es nun wieder »Gute Nacht und schlaft recht schön.«