… die unglaublichen Abenteuer des Herrn Öseblöm –
und seiner Freunde …

Eulen schlafen nicht

»Aufgepasst, und seid bereit.«

Denn wieder mal ist es soweit. Also, bitte gemütlich machen, gut zudecken, ganz leise sein, denn wir wollen doch alle wissen, wie es mit der Geschichte weiter ging …

»Er hat einen Pfeil in seinem Popo, einen Pfeil! Das muss man sich einmal vorstellen. Wäre er doch besser zum Mond geflogen …« Amira wollte sich überhaupt nicht mehr beruhigen. Öseblöm hatte richtig Mühe, ihr zu folgen.

»Nun beruhige Dich doch, Amira! « rief Öseblöm ihr nach. »Es ist nicht Pepe!« – »Woher willst Du das wissen«, fuhr Amira herum und blieb kurz stehen.

»Der Pfeil ist von mir«, erklärte Öseblöm. »Was?«, zischte Amira, »Du hast meinem Pepe mit einem Pfeil in den Popo geschossen? Wie konntest Du nur. Und so etwas nennt sich nun Freund.« Amira wurde jetzt richtig wütend, kehrte Öseblöm den Rücken zu und stapfte weiter in den Wald hinein. Fliegen konnte sie hier nicht, denn die Bäume standen viel zu dicht beieinander.

»Es ist nicht Pepe!«, rief Öseblöm noch einmal. »Seit wann ist Dein Sohn älter als Du?« – »Älter als ich?« Amira blieb verdutzt stehen: »Wie kommst Du denn darauf?«

»Hast Du nicht gehört, was die Eiche gesagt hatte?«, fragte Öseblöm und hoffte, dass Amira nun endlich zuhören würde. »Wie? Was? Eiche? Gesagt?« Amira war schon ganz durcheinander vor Sorge um ihren Sohn. Öseblöm ging zu ihr und legte beruhigend seine Hand auf ihre Schultern. Das half sofort. »Die Eiche hatte uns noch nachgerufen, dass der Adler, mit dem Pfeil in seinem Popo, viel älter sei, als Du. Also kann es nicht Pepe sein.« Jetzt verstand Amira ihren Freund.

»Aber woher weißt Du, dass es dein Pfeil ist?«, fragte Amira.  Öseblöm verzog sein Gesicht und sagte: »Nun ja, das vermute ich.« Dann erzählte er Amira, wie er die fünf Burschen kennengelernt hat und er im letzten Augenblick den Angriff des Adlers verhindern konnte. Amira schüttelte nur ihren Kopf und sagte: »Na, dem werd‘ ich aber was erzählen. Unsere Freunde so zu erschrecken.«

Öseblöm grinste. So kannte er seine Freundin. »Dann lass uns weiter gehen«, schlug er vor. »Ich möchte heute Abend wieder zurück sein.«  Amira stimmte ihm zu und sie machten sich auf, weiter Richtung Waldzentrum, genau auf das langsam lauter werdende Jammern und Wimmern zu.

»Halt, und wohin?«, ertönte plötzlich eine laute Stimme. Öseblöm und Amira erschraken ein wenig und schauten sich nach allen Seiten um, aber sie konnten niemanden ausmachen.

»Wer da und wohin? Und bleibe er auf jeden Fall stehen!« Wieder ertönte diese laute Stimme und sie klang sehr streng. Diesmal schaute Öseblöm nach oben und erblickte eine mächtige Eule, die mit geschlossenen Augen auf einem breiten, knorrigen Ast saß.  Dabei hatte sie einen Fuß ganz entspannt in ihrem Federkleid versteckt, mit dem anderen hielt sie sich auf dem Ast fest.

»Da,«, flüsterte Öseblöm und zeigte nach oben, »eine Eule.« Amira schaute nun ebenfalls nach oben. »Die schläft ja«, sagte sie und wollte einfach weitergehen. Schließlich lässt sich ein Adler nicht einfach von einem anderen sagen, was er zu tun hat.

»Wenn ich HALT sage, dann meine ich das auch!« Die Eule öffnete ihr rechtes Auge und schaute Amira und Öseblöm mit festem Blick an. »Wer seid ihr und wohin wollt ihr? Und überhaupt, wie seid ihr in MEINEN Wald gekommen?« – »In DEINEN Wald? , fragte Öseblöm. Die Eule schloss ihr rechtes Auge und öffnete dafür ihr linkes.

»Ich habe zuerst gefragt«, antwortete sie und klang dabei schon ein bisschen freundlicher. Öseblöm verstand sofort, machte einen großen Schritt zurück und verbeugte sich wieder mit weit ausladender Geste. »Mein Name ist Vinidi Öseblöm, von Öseblömhausen, Öseblöm, und das hier ist meine Freundin Amira. Wir sind auf der Suche nach ihrem Sohn Pepe. Der wird schon seit über einer Woche vermisst.«  Jetzt öffnete die Eule beide Augen. »Ihr seid das«, sagte sie und tat, als wüsste sie schon von der Ankunft der beiden. »Ja, es wird auch  Zeit, dass dieses Jammern hier im Wald ein Ende findet. Aber ich fürchte, der alte Adler ist nicht euer Sohn«, erklärte die Eule. »Verzeihung,« unterbrach Öseblöm, »ich bin nicht der Papa, sondern helfe nur beim Suchen.«

»Nun ja,« fuhr die Eule fort, »helft dem alten Adler hier raus, und am besten nehmt ihr das  Schaf auch gleich mit.« »Was für ein Schaf?«, fragte Öseblöm, aber die Eule ging nicht weiter darauf ein. »Ihr müsst hier links entlang«, sagte sie und schloss ihr linkes Auge.

Öseblöm tat einen Schritt nach links, Amira folgte ihm.  »HALT!«, rief die Eule. »Ich sagte LINKS, nicht rechts.« »Aber das ist doch links«, entgegnete Öseblöm. Die Eule schüttelte den Kopf. »Dreh Dich um«,  befahl sie. Öseblöm drehte sich um. »Jetzt mach einen Schritt nach links«, wies sie ihn an. Öseblöm tat einen Schritt nach links und stieß mit Amira zusammen, die auch einen Schritt nach links tat. Allerdings hatte Amira sich nicht umgedreht. Jetzt purzelten sie beide auf den Boden.

»Sie wissen nicht, wo rechts ist, wie sollen sie da wissen, wo links ist?«, murmelte die Eule mehr zu sich selbst. »Hier ist links«, sagte Öseblöm und hielt seinen linken Arm hoch in die Luft. »Nein Öseblöm, das ist Dein rechter Arm, aber bei mir hier ist links«, belehrte die Eule und streckte diesmal ihren ziemlich großen linken Flügel weit aus.

»Von mir aus gesehen, ist das Dein rechter Flügel, liebe Eule«, sagte Öseblöm. »Aber ich habe schon verstanden. Du meintest rechts und sagtest links.« Mit diesen Worten gingen er und Amira rechts an der Eule vorbei, tiefer in den Wald hinein.

»Nein,« widersprach die Eule, »ich meinte links und sagte links, ihr unbelehrbaren Abenteurer. Denn LINKS ist links und nicht rechts. Wenn ich rechts gemeint hätte, so könnte ich mich ja auch auf meinem Ast umdrehen und dann LINKS sagen, denn links ist eben links. Aber ich habe mich nicht umgedreht. Hört ihr. Ich habe LIIINKS gesagt, und ich habe mich nicht umgedreht. Ich drehe mich nie um, wisst ihr.« – »Schlaf weiter, liebe Eule!« rief Öseblöm noch einmal zurück.

»Eulen schlafen nicht«, grummelte die Eule und schloss wieder ihre Augen.

Und Ihr, liebe Kinder, seid gewiss keine Eulen, oder?  Darum heißt es für Euch jetzt wieder:

»Gute Nacht und schlaft recht schön, denn morgen wird es weiter gehen.«