… die unglaublichen Abenteuer des Herrn Öseblöm –
und seiner Freunde …

Das verlorene Schaf

»Nun, seid Ihr bereit für die nächste Geschichte?«

Na, dann los. Macht es Euch wieder gemütlich. Schlüpft jetzt unter Eure Decke, schließt die Augen und hört gut zu, denn nun begleiten wir Öseblöm und Amira auf ihrem Weg immer weiter in den fast friedlichen Wald hinein …

Unsere beiden Abenteurer hatten die nie schlafende Eule schon weit hinter sich gelassen. Von überall her waren die eigenartigsten Geräusche zu vernehmen. »Links, links, links«, brummelte Amira immer vor sich her. »Was ist los?«, fragte Öseblöm. Amira blieb stehen. »Das ist mein rechter Fuß«, sprach sie mehr zu sich selbst. Dann drehte sie sich auf der Stelle herum, hob ihren rechten Fuß in die Höhe und betrachtete ihn ganz genau.  »Jetzt ist mein rechter Fuß immer noch mein rechter Fuß! Aber mein linker Fuß ist doch jetzt nicht mein rechter Fuß, oder?«

Öseblöm schaute ganz verwundert zu seiner Freundin. »Lass uns jetzt weiter gehen, Amira«, bat er sie. »Die Zeit drängt, ich möchte heute Abend wieder zurück sein!«

»Hab ich etwa meine Beine vertauscht, als ich mich gedreht habe?« Amira konnte sich einfach nicht beruhigen. »Links, rechts oder doch wieder links – ich weiß schon gar nicht mehr wie ich heiße!«

Amira drehte sich nun pausenlos im Kreis und hob dabei ihre Füße immer höher. Schließlich wurde ihr ganz schwindelig und sie fiel mit einem lauten »Rumms« auf ihren Popo!

Öseblöm lachte laut auf. So verwirrt hatte er seine Freundin noch nie gesehen. »Amira«, sagte er nun etwas strenger werdend. Mit seinen dunkel funkelnden Augen schaute er tief in das Herz seiner Freundin, die innerlich ganz zerzaust immer noch auf ihrem Popo saß und nun gar nicht mehr wusste, was sie hier überhaupt machte. »Mir ist ganz windelig«, seufzte sie. »Was ist Dir?«, fragte unser Wanderer. »Windelig«, antwortete Amira mit überzeugter Stimme. Öseblöm musste wieder lachen. »Du meinst wohl schwindelig!«, berichtigte er die Adlerdame. »Das kommt davon, wenn man sich dauernd im Kreis dreht.« Nach einer bedächtigen Pause fügte er hinzu: »Wenn wir aber Deinen Sohn Pepe finden wollen, müssen wir jetzt weiter.« Damit brachte Öseblöm seiner Freundin den Grund ihres Abenteuers in Erinnerung. »Und die Geschichte mit LINKS und RECHTS, klären wir, sobald wir zurück sind.«

So stapften beide weiter in Richtung zur Waldesmitte, denn von dort erklang nach wie vor ein Jammern und Weinen, das sich aber plötzlich mit einem verzweifelten Wehklagen mischte. Öseblöm hatte dies sehr wohl bemerkt. Darum ging er nun einen Schritt schneller.

Amira folgte ihm, flüsterte aber immer noch »links, links, links« still vor sich hin.

Nach einer ganzen Weile erreichten sie einen riesigen Baum. Hoch gewachsen wie ein Kirchturm und so breit, wie ein ganzes Haus. Öseblöm hielt einen Moment inne und betrachtete bewundernd  diese majestätische Erscheinung.

»Was für ein Riese«, sagte er und machte sich schließlich daran, um diesen Baum herum zu gehen. Das wiederum erwies sich als beschwerlich, denn immer dichter werdendes Gestrüpp und viele Büsche versperrten ihnen den Weg.

»Komm,« rief Amira plötzlich, »versuchen wir zu fliegen!« Sie packte ihren Freund und lud ihn auf ihren Rücken, dann breitete sie ihre Flügel aus und beide glitten zwischen den sehr eng beieinander stehenden Bäumen durch die Luft. Das war nicht einfach, aber so kamen sie natürlich viel schneller voran. Kaum erreichten sie die Rückseite dieses majestätischen Baumriesen, entdeckte Öseblöm ein kleines Schaf, das sich in einem Busch verfangen hatte und fortwährend um Hilfe wimmerte.

Ein kurzes Zeichen von Öseblöm genügte, und Amira landete direkt neben dem wild aussehenden Busch. Als das kleine Schäfchen den mächtigen Adler erblickte, schrie es laut auf vor Verzweiflung, denn nun glaubte es, es sei gänzlich verloren.

Doch Öseblöm sprang mit einem großen Satz zu diesem ängstlichen Wollknäuel und berührte es sanft mit seiner Hand im Nacken. »Hab keine Angst,« beruhigte er das Lamm, »wir werden Dir helfen.«

Das Schäfchen schaute ängstlich zu Öseblöm. »Wirklich?«, fragte es ungläubig. »Ich habe mich hier in diesem Busch verfangen und  komme nun nicht mehr heraus.«

Öseblöm griff nach dem wilden Gestrüpp und versuchte die Beine des kleinen Lamms zu befreien. Doch kaum hatte er die eine Schlinge entfernt, da packte der Busch mit einer anderen Schlinge wieder zu und hielt die Beine fest umschlungen.

Unser Wanderer schaute ganz verdutzt zu diesem Busch, der das Schäfchen festzuhalten schien. Jetzt versuchte Öseblöm es mit einem kleinen Trick. Mit einem Fuß stellte er sich auf eine Schlinge und befreite mit aller Kraft ein Bein des Schäfchens. Daraufhin zitterte der Busch voller Zorn und packte nun Öseblöms Fuß und mit einer weiteren Schlinge erneut beide Beine des hilflosen Lämmchens.

»Was treibst Du denn da?«, fragte Amira, die etwas abseits saß und dem Geschehen aufmerksam folgte.

»Ich lass mich gerade von einem Busch gefangen nehmen«, antwortete Öseblöm und lachte dabei. »Na, dann warte, bis dass er müde wird«, schlug Amira vor.  »Dann wird er Dich schon loslassen.«

»Der Busch wird nicht müde«, jammerte das kleine Schaf. »Ich stecke schon seit Tagen fest.«

»Tja, wenn das so ist,« sagte Öseblöm, »dann müssen wir uns wohl etwas anderes einfallen lassen …« Dabei grinste er über sein ganzes Gesicht.

Und Ihr, liebe Kinder, werdet ganz bestimmt auch einmal müde, oder?  Dann solltet Ihr jetzt besser schlafen, denn Ihr wisst doch, jetzt heißt es wieder …

»Gute Nacht und schlaft recht schön, denn morgen wird es weiter gehen.«