… die unglaublichen Abenteuer des Herrn Öseblöm –
und seiner Freunde …

Der Adler vom hohen Berg

»Jetzt ist es wieder soweit!«

Ich hoffe Ihr seid bereit, schließlich wollen wir doch alle wissen, wie es weiter geht. Also, Ihr kennt das ja schon. Macht es Euch richtig gemütlich in Eurem Bett, und hört aufmerksam zu …

Die Zeit drängte, das spürte unser Öseblöm tief in seinem Herzen. Doch wollte er seine Freundin nicht beunruhigen. »Don Carlos, vom hohen Berg«, wiederholte Öseblöm den Namen dieses stattlichen Adlers. »Mit wem hattest Du denn meine Freunde verwechselt?«, fragte unser Wanderer. Dabei säuberte er seinen Pfeil und steckte diesen zurück in seinen Köcher.

»Ach, das ist eine lange Geschichte«, seufzte Carlos und holte tief Luft um zu erzählen.

»Für Geschichten haben wir jetzt keine Zeit«, fuhr ihm Amira dazwischen. »Ich denke, wir müssen weiter, wenn wir Pepe finden wollen.«

»Pepe?«, fragte Don Carlos. »Wer ist Pepe?«

»Pepe ist mein Sohn,« erklärte Amira, »und er ist seit Tagen verschwunden. Ich mache mir ernsthafte Sorgen. Mein Freund Öseblöm hat sich bereit erklärt, mir zu helfen.«

»Nun,« antwortete Carlos, »Ihr habt mir geholfen, vielleicht kann ich jetzt auch Euch helfen. Ich glaube nämlich, ich weiß, wo euer Pepe steckt.«

»Du weißt wo Pepe steckt?«, fragte Öseblöm, der seine Unruhe gut zu verbergen wusste.

»Na ja«, zögerte Carlos ein wenig. »Nicht genau, aber ich habe die Bäume flüstern gehört.«

»Die Bäume flüstern gehört?«, unterbrach Amira, die vor lauter Aufregung von einem Fuß auf den anderen stapfte.

»Es gibt nur einen Wald, in dem die Bäume sprechen können …«, murmelte Öseblöm ganz leise vor sich hin, dabei huschte ein leises Lächeln über sein Gesicht. »Und was haben die Bäume erzählt?«, fragte er den Adler vom hohen Berg. Dabei fiel ihm auf, dass die Bäume ringsum nun ihre Äste und Blätter ihnen zuwandten, ganz so als ob sie lauschen wollten …

Don Carlos räusperte sich:  »Sie sprachen von einem jungen Adler, der in einer Bärenhöhle gefangen gehalten wurde. Natürlich nannten sie keinen Namen, aber soweit ich weiß, gibt es sonst weit und breit keinen jungen Adler, der vermisst würde. Es muss also Euer Sohn Pepe sein.«

»Pepe ist nicht mein Sohn«, erklärte Öseblöm. »Ich bin nur ein guter Freund.«

Amira hingegen wurde ganz blass vor Schreck. Ihre Flügel zitterten, sie konnte kaum einen klaren Gedanken fassen. »Wo ist diese Höhle?«, fragte sie. »Wir müssen sofort los!«

»Jenseits des hohen Berges,« erklärte Don Carlos, »liegt das Revier eines mächtigen Braunbären. Scheinbar hält der Deinen Sohn in seiner Höhle gefangen.«

Amira wollte nicht länger warten. Sie breitete ihre Flügel aus und wollte nach oben starten. Auf keinen Fall wollte sie noch einmal einen so langen Fußmarsch durch den Wald auf sich nehmen. Sie hatten keine Zeit zu verlieren, wollten sie noch eine Chance haben, Pepe zu retten.

»Du kannst den Wald nicht durch die Baumkronen verlassen,« erklärte Don Carlos, »das habe ich schon versucht. Sie lassen Dich nicht durch. Die Bäume, meine ich.«

Jetzt schauten sich alle um und betrachteten die mächtigen Bäume etwas genauer. Am Rand der Lichtung stand noch immer das Schäfchen Marie, ganz dicht an einen Baum gelehnt. Dieser wirkte ganz so, als ob er lächelte. Öseblöm sprang mit ein paar großen Sätzen zu Marie herüber und musterte die feine Maserung des Baumstammes, als er plötzlich ein Gesicht erkannte. Nun verwandelte sich das Lächeln des Baumes in ein breites Grinsen.

»Müssen wir wirklich den Fußmarsch machen?«, fragte Öseblöm.

»Oh ja,« antwortete der Baum, »der Herr des Waldes möchte Dich noch einmal sehen.«

»Der Herr des Waldes«, wiederholte Öseblöm, überlegte einen kurzen Augenblick und verstand. »Wird er uns helfen?“, fragte er noch. Der Baum hob alle seine Äste, als wolle er mit den Achseln zucken.

»Können, könnte er wohl schon, aber ob er auch wollen will …«. Der Baum machte eine kurze Pause. »Frag ihn«, sagte er und dann verschwand das Gesicht aus dem Baumstamm und es sah alles wieder aus, wie in einem gewöhnlichen Wald. Die Gemeinschaft dieser vier ungleichen Freunde machte sich auf den Weg zurück, zum Eingang dieses Waldes, wo ein mächtiger Baum sie schon erwartete.

»Woher kennst Du eigentlich Don Carlos?«, fragte Öseblöm seine Freundin Amira, während sie hintereinander den schmalen Weg zurückgingen.

»Ich kenne ihn nicht«, murrte Amira mehr vor sich hin. »Ich hatte nur von ihm gehört.«

»Wie hört man denn von einem Adler, wenn man so weit voneinander entfernt wohnt?«, wunderte sich unser kleiner Held.

»Nun ja«, antwortete Amira und wurde sichtlich verlegen.
»Nachdem ich nun schon so lange mit Pepe allein bin …, Du weißt ja, es ist nicht einfach so allein, und erziehend, als Mutter, so ganz ohne Vater …«

»Ah, Du suchst einen Mann!« rief diesmal das Schäfchen Marie, die natürlich alles neugierig mit angehört hatte.

»Nein, ich brauche keinen Mann!«, erwiderte Amira mit fester Stimme. »Aber meine Freundinnen erzählten von einem stattlichen Junggesellen, der auf dem hohen Berg wohne.«

Don Carlos war froh, dass er als Letzter in der Reihe ging. So konnte niemand sehen, dass er deutlich sichtbar rot anlief …

Für heute soll es das gewesen sein. Ihr wisst was kommt?

»Gute Nacht und träumt recht schön, denn morgen wird es weiter gehen.«