Karun …
»Es ist soweit, seid Ihr bereit?«
Dann macht es Euch wieder richtig gemütlich in Eurem Bett. Zudecken, kuscheln und gebt fein acht, denn jetzt erfahrt Ihr, wie es weiter geht …
Unsere Freunde wurden mit jedem Schritt etwas schneller, denn alle wussten, dass sie sich beeilen mussten. Hoffentlich würden sie noch rechtzeitig den kleinen Adler Pepe erreichen. Aber der Herr des Waldes wollte noch unbedingt mit ihnen sprechen …
Nach kurzer Zeit, die Eule war schon nicht mehr zu hören, erreichten sie die Weggabelung, von der die Eule erzählt hatte. Natürlich wusste Öseblöm wo LINKS war, das wisst Ihr doch auch, oder?
Also wählten sie den linken Weg und stapften immer noch hintereinander weiter. Öseblöm ging voran, gefolgt von Amira, dann kam das Schäfchen Marie, und schließlich Don Carlos, der Adler vom hohen Berg.
Öseblöms Herz klopfte schneller. Er hatte schon viel von diesem Herrn des Waldes gehört. Unser kleiner Held verband eine stille Hoffnung mit dieser Begegnung und jetzt gleich sollte er ihm gegenüber stehen.
Ein letzter knochiger Baum, ein paar Sträucher und dann war das Ende des Waldes erreicht, oder sein Eingang, je nachdem von wo aus man das Ganze betrachtete. Dort stand er, der HERR DES WALDES, ein mächtiger Baum, größer als alle anderen Bäume und breiter als ein sehr großes Wohnzimmer. Bestimmt hätten zwei Schulbusse darin Platz gefunden. Dieser Baum lächelte still. Von ihm strahlte eine große Güte aus. Unsere Freunde fühlten sich sogleich ganz sonderbar berührt. Amira wurde es ganz warm ums Herz. Öseblöms Aufregung war verschwunden, das Schäfchen Marie war plötzlich frei von jeder Angst und Don Carlos verlor die Blätter um seinen Popo und stellte überrascht fest, dass er geheilt war. Keine Wunde, kein Schmerz, so als sei nie etwas geschehen.
Der Baum aber, ragte hoch in den Himmel mit gewaltigen Ästen, feinsten Zweigen und frischen Blättern, die alle miteinander zu flüstern schienen, jedes Mal, wenn der Wind mit ihnen spielte.
Als unsere Vier schließlich wenige Schritte vor dem Baum zum Stehen kamen, verneigte sich Öseblöm mit einer tiefen Verbeugung.
»Guten Tag, mein Freund«, ertönte da eine warme, tiefe Stimme. Der Baum lächelte, ja auf seinem Stamm konnte man ein richtiges Gesicht erkennen.
Öseblöm selbst war fast sprachlos. »Karun«, sagte er nur, doch seine Stimme versagte und es glich mehr einem Flüstern.
»Ja, mein Freund,« entgegnete der HERR DES WALDES, »das ist mein Name.«
Öseblöms Freunde standen nur mit offenen Mündern da und staunten. Sie konnten überhaupt nichts sagen. Öseblöm hingegen fand seine Fassung zurück. Nun lächelte auch er, sein wohl bekanntes freundliches Lächeln.
»Du wolltest uns sprechen?«, fragte Öseblöm.
Der Herr des Waldes machte eine ernste Miene, zumindest sah es für unsere Freunde so aus.
»Das ist wahr«, bestätigte der Baum, dabei wandte er sich unserem Wanderer zu.
»Heute ist nicht der Tag für die Frage, die Du mir stellen willst. Aber wir werden uns wieder sehen, sei gewiss und schon bald wirst Du Deine Antwort erhalten.«
Der Baum machte eine kleine Pause.
Dann drängte er zur Eile: »Jetzt aber müsst Ihr Euch sputen, wenn Ihr Pepe befreien wollt. Und sobald Ihr dem Bären gegenüber steht, denkt daran, dass für den Bären das Gleiche dasselbe ist. Es wird Euch helfen.«
Mit diesen Worten verschwand der Herr des Waldes!
Also, der Baum stand nach wie vor da, er war majestätisch, ja, er war beeindruckend schön, aber irgendwie wirkte er jetzt wieder wie ein gewöhnlicher Baum.
»Woher kennt dieser Baum meinen Pepe?«, unterbrach nun Amira die Stille.
Das war das Startsignal. Alle lösten sich aus ihrer Starre. Öseblöm wusste augenblicklich, was zu tun war. Er nahm seinen buntes Halstuch und band dieses Don Carlos um den Hals. Der Adler vom hohen Berg schaute etwas verwundert.
»Du, mein Freund,« erklärte Öseblöm, »bringst nun Marie sicher nach Hause. Danach fliegst Du bitte umgehend zu meinen Freunden Kalle, Malle, Dralle, Mallewutz und Balthasar. Ich erwarte von Dir, dass Du Dich bei meinen Freunden entschuldigst! Und dann erzähle ihnen, dass Amira und ich jetzt Pepe befreien. Noch heute Abend werden wir zurück sein, versprochen!«
»Aber ich kann doch keine Menschensprache«, erwiderte Don Carlos. »Wie soll ich da mit Deinen Freunden reden? Die können mich doch gar nicht verstehen.«
Das war wohl ein Argument. Aber Öseblöm blieb unbeirrt.
»Genau dafür benötigst Du mein Halstuch! Ich spreche alle Sprachen dieser Welt, von jedem Tier, von jeder Pflanze und auch von jedem Menschen, ganz egal wo. Alles was mit mir in Berührung kommt, erhält diese Fähigkeit. Meine Freunde werden Dich also verstehen, solange Du das Halstuch trägst.«
Damit trennten sich unsere Vier Abenteurer. Mit wenigen Schritten verließen sie den Wald und traten ins Freie. Öseblöm und Amira stiegen in die Höhe und flogen in Richtung des hohen Berges. Don Carlos schwang sich in die Lüfte, froh endlich wieder zu fliegen, und zeigte dem Schäfchen Marie den Weg zurück zu ihrer Familie.
Und Ihr, meine lieben Kinder, schließt jetzt die Augen, denn nun heißt es wieder:
»Gute Nacht und träumt recht schön, denn morgen wird es weiter gehen.«