… die unglaublichen Abenteuer des Herrn Öseblöm –
und seiner Freunde …

Die verschwundene Herde

»Seid Ihr auch so gespannt, wie die Geschichte weiter geht …?«

Dann ist es jetzt wieder soweit. Ihr wisst ja, im Bett ist es am gemütlichsten für diese Geschichten. Also, schön zudecken und aufgepasst, denn das Schäfchen Marie kommt jetzt nach Hause …

Unsere kleine Marie zitterte noch am ganzen Körper, denn der Schreck war ihr wirklich in die Glieder gefahren. Trotzdem hatten sich Don Carlos und Marie nicht lange aufgehalten und sind gleich weiter gezogen. Don Carlos wusste, dass es nicht mehr weit war.

Doch nach diesem Erlebnis mit dem Wolf, blieb er lieber in der Nähe des Schäfchens. Er flog also immer nur ein paar Schritte voraus, in Bodennähe sozusagen, und wartete dann, bis Marie ihn wieder erreicht hatte.

So kamen unsere beiden langsam, aber sicher voran.

Natürlich waren sie rechts um den Weiher herum, denn der Adler hatte ja bereits vorher aus der Luft gesehen, dass dies der kürzere Weg ist.  Nun näherten sie sich  zielstrebig dem Weideplatz ihrer Herde. Noch ein paar Schritte um einen großen Felsen herum, Don Carlos stieg kurz auf in die Luft, und dann …

… sahen sie NICHTS!

Die große Weidefläche war leer. Kein Schaf weit und breit. Das konnte doch nicht wahr sein!

Unser Schäfchen Marie verzweifelte langsam. »Mami! Papa!«,  Sie rief nach ihren Eltern, aber nichts rührte sich. »MAAAMMIEEE!« Maries flehentliches Rufen rührte den Adler tief zu Herzen. Er hatte auch schon etwas bemerkt, blieb aber vorsichtshalber in  Maries Nähe am Boden sitzen.

Marie rannte nun auf dem Weideplatz hin und her und rief immer verzweifelter nach ihrer Herde.

»Hört mich denn Keiner?«, fragte sie schließlich.

Nun ja, gehört wurde sie schon, aber es traute sich niemand aus seinem Versteck heraus. Schließlich saß da ein riesiger Adler mit gewaltigen Klauen neben der kleinen Marie.

»Warum seid ihr alle verschwunden?« Das war schon die treffendere Frage.

Kaum dass die Herde den mächtigen Adler bemerkt hatte, der urplötzlich hinter einem Felsen hervorkam und in die Lüfte stieg, hatten sich alle Schafe so schnell sie nur konnten versteckt. Ob hinter einem Busch oder einem schützenden Felsgestein, sie alle beobachteten, wie ihre kleine Marie unglaublich mutig neben diesem Adler stand und nach ihnen rief.

Der Anführer der Herde dachte nach und ohne sein Zeichen würde sich niemand aus den Verstecken trauen. Aber der Bock dachte wie immer gründlich und bekanntermaßen langsam.

»Die kleine Marie muss unglaublich mutig sein,« so dachte der Herdenführer, »aber vielleicht hat der Adler sie auch nur eingeschüchtert, um uns allen eine Falle zu stellen. Möglicherweise kann Marie vor lauter Angst schon gar nicht mehr zittern?«

Don Carlos ahnte, was passiert war und blieb regungslos sitzen. Da bemerkte auch Marie ein Rascheln im Gebüsch.

»Ihr habt Euch alle versteckt, oder?«, rief sie laut. »Jetzt kommt endlich raus, ich bin wieder zu Haus!«

Auf einmal verstand Marie, dass alle Angst vor Don Carlos hatten.

»Fürchtet Ihr Euch etwa vor dem Adler?«

Etwa hundert Augen schauten erst zum Adler, dann wieder zu Marie und staunten letztlich nicht schlecht, als Marie völlig überraschend zuerst ganz tief Luft holte, dann ihren Kopf senkte, um schließlich wie eine Lokomotive auf Don Carlos zuzurasen. Die Herde hielt den Atem an.

Der riesige Adler schaute verwundert auf unsere Marie, die offensichtlich nicht stoppen wollte.

»Was hat die Kleine nur vor?«, fragte er sich. Doch da war es schon zu spät. Mit einem kräftigen Rumms rammte sie ihren Kopf in den Bauch des Adlers, der nun rücklings nach hinten purzelte und auf seinem Popo zu sitzen kam. Insgeheim hoffte sie, dass Don Carlos sich dabei nicht weh getan hatte, denn sie wollte ihren Freund ja nicht verletzen.

Völlig außer Atem schaute sich Marie um und rief: »Nun kommt endlich aus Euren Verstecken!«

Nach und nach zeigten sich die ersten Köpfe, wie sie aus einem Gebüsch herausschauten oder hinter einem Felsgestein hervorlugten. Ganz vorsichtig näherten sich die Schafe nun unseren beiden Freunden.

»Darf ich vorstellen«, sagte Marie. »Das ist Don Carlos, der Adler vom hohen Berg,«  und nach einer kurzen Pause ergänzte sie, »MEIN FREUND!« Dabei lächelte sie stolz über beide Ohren.

»Das ist Dein Freund?«, zweifelte der Herdenführer.

»Oh ja«, mischte sich nun Don Carlos ein, der sich wieder berappelt hatte. Maries Kopfstoß hatte ihn zwar überrascht, aber nicht verletzt.

»Du kannst ja die Schafsprache«, bemerkte der Bock, der sich nun deutlich wohlwollender dem Adler zuwandte.

»Nein, das kann ich nicht«, erwiderte Don Carlos. »Und wieso redest Du dann mit uns?«, fragte der Anführer der Herde, der jetzt echt verblüfft war. »Das liegt wohl an meinem Halstuch«, erklärte der Adler. »Es gehört Öseblöm …« – »… Von Öseblömhausen, Öseblöm«, ergänzte der stattliche Bock, der sich sofort wieder erinnerte. »Ja, ein Name, den man sich wohl merken muss …«

Das findet Ihr doch auch, liebe Kinder, oder?. Trotzdem ist es jetzt Zeit. Denn nun heißt es wieder:

»Gute Nacht und träumt recht schön, denn morgen wird es weiter gehen.«