… die unglaublichen Abenteuer des Herrn Öseblöm –
und seiner Freunde …

Der hohe Berg

»Seid Ihr schon bereit für die nächste Geschichte …?«

Dann wollen wir sogleich beginnen, denn wir haben keine Zeit zu verlieren. Also, schön zudecken, macht es Euch gemütlich und passt gut auf. Jetzt begleiten wir Amira und Öseblöm auf ihrem Weg zur Bärenhöhle. Ihr erinnert Euch doch noch …

Don Carlos und das Schäfchen Marie standen noch einen Moment am Rand des fast friedlichen Waldes. Amira und Öseblöm hingegen stiegen hoch hinauf in die Lüfte. Schon nach kurzer Zeit waren Don Carlos und Marie nur noch als winzig kleine Punkte zu sehen. Amira hatte es eilig. Sie machte sich große Sorgen um ihren Sohn Pepe. Wie konnte er nur in so eine gefährliche Situation geraten.

»Hattest Du schon einmal mit einem Braunbären zu tun?«, fragte Amira.

»Mh, nicht wirklich«, antwortete Öseblöm. Auch er war ein wenig beunruhigt, denn er wusste, dass nicht alle Tiere so friedlich auf ihn reagierten. Manchmal hilft auch die größte Höflichkeit und Freundlichkeit nichts. Öseblöm dachte an seinen Bogen und überlegte, ob seine Pfeile dem mächtigen Braunbären wohl etwas anhaben könnten.

Am Horizont wuchs ein gewaltiges Gebirgsmassiv in den Himmel. Der hohe Berg, er war wirklich sehr hoch. Amira schlug immer kräftiger mit ihren Flügeln und so gewannen sie weiter an Höhe. Die Welt unter ihnen wurde stetig kleiner.

Nach einer ganzen Weile hatten unsere beiden Helden den hohen Berg erreicht. Nun ging Amira in einen Gleitflug über. In großen Kreisen nutze sie die Winde, um weiter aufzusteigen, höher und höher. Öseblöm hielt dabei seine Hände fest um ihren Hals geschlungen. Die Sonne stand jetzt hoch im Zenit. Es war mittag, als sie endlich den Gipfel erreichten und über ihn hinwegfliegen konnten. Der Ausblick auf die andere Seite vom hohen Berg war grandios. Ein Blick in eine endlose Weite, hier und da ein paar kleine Wälder, Felder, Bäche und Seen.

Hier also sollte irgendwo ein großer Braunbär leben, der Amiras Sohn Pepe gefangen hielt. Amira erschrak ob dieses riesigen Reviers. Sie hatten ja keinerlei weitere Anhaltspunkte. »Jenseits des hohen Berges …« Das konnte ja überall sein.

Es nutzte alles nichts, Amira glitt langsam in die Tiefe.

»Hast Du das gehört?«, fragte Öseblöm plötzlich.

»Was?«, entgegnete die Adlerdame.

»Da hat doch jemand um Hilfe gerufen«, sagte Öseblöm und ließ nicht locker.

»Wo?«, wollte Amira wissen.

»Sei still«, bat Öseblöm seine Freundin. »Da, in der Felswand; dicht unterhalb des  Gipfels.«

Amira schaute sich um.

»Das einzige, was ich sehe, ist ein großes Nest«, sagte sie.

»Das Nest muss Don Carlos gehören!«, rief Öseblöm.

»Du hast recht«, antwortete Amira. »Der Adler vom hohen Berg. Wer sollte sonst in so großer Höhe ein Nest bauen?«

»Lass uns sofort nachsehen«, schlug Öseblöm vor.

Unsere mächtige Adlerdame flog einen kurzen Bogen und steuerte zielstrebig auf das Nest zu. Es lag auf einem Felsvorsprung, aber gut geschützt von links und rechts, ja sogar von oben, sodass es nicht nass werden konnte, bei Regen.

»Sehr komfortabel«, bemerkte Amira als sie zur Landung ansetzte.

Öseblöm hielt sich seine Ohren zu, denn genau in diesem Augenblick ertönte ein furchtbar lauter Angstschrei.  Der kam genau aus dem Nest. Dort hatte sich in einer Ecke ein kleines Eichhörnchen verkrochen. Als dieses den mächtigen Adler erblickte, dachte es: »Nun ist es vorbei!«

Unser Öseblöm stieg sofort herab und wandte sich dem kleinen Eichhörnchen zu. »Hallo,  mein Kleines«, begrüßte er das völlig verängstigte Nagetier. »Was machst Du denn hier?«

Die Kleine schaute unseren Öseblöm an: »Ich wurde gefangen,« erklärte sie, »vom großen Adler, und der will mich jetzt fressen!«

Das Eichkätzchen zitterte am ganzen Leib. Öseblöm warf einen kurzen Blick zu Amira und gebot ihr, sich zurückzuhalten. Amira verstand sofort. Sie saß am Nestrand und drehte den beiden demonstrativ den Rücken zu. Dabei schweifte ihr Blick in das weite Land hinaus und sie fragte sich, ob sie wohl ihren Pepe wiedersehen würde.

Öseblöm erkannte mit einem Blick, dass das kleine Eichhörnchen verletzt war. Ganz vorsichtig näherte er sich. »Darf ich mich kurz vorstellen?«, fragte er und machte wie immer eine tiefe Verbeugung. »Mein Name ist Vinidi Öseblöm, von Öseblömhausen, Öseblöm.«

Jetzt beruhigte sich das Eichhörnchen langsam, das Zittern verschwand, aber damit kamen die Schmerzen zurück, die sie vor lauter Angst gar nicht mehr gespürt hatte. Offensichtlich stammten die Verletzungen von einer mächtigen Adlerklaue.

Vinidi Öseblöm lächelte voller Mitgefühl. »Komm her, Kleines«, sagte er mit sanfter Stimme. Dann berührte er mit seiner Hand die schlimmen Wunden. Öseblöm schloss seine Augen und atmete tief durch. Wenn nun jemand da gewesen wäre, hätte er sehen können, wie sich die Wunden langsam schlossen und die Verletzungen heilten. Aber es war niemand da und Amira bekam von all dem nichts mit, denn sie hatte den beiden ja ihren Rücken zugewandt.

Ja, liebe Kinder, unser Öseblöm hat noch so einige Geheimnisse, und dieses hier, wollen wir erstmal für uns behalten.  Jetzt aber ist es wieder soweit. Ihr wisst schon, was jetzt kommt …?

 »Gute Nacht und träumt recht schön, schon morgen wird es weiter gehen.«