… die unglaublichen Abenteuer des Herrn Öseblöm –
und seiner Freunde …

Lavidas Geheimnis

»Ich hoffe, Ihr seid wieder bereit?«

Dann wisst Ihr ja schon, zuerst gut zudecken, dann sofort kuscheln, schließt die Augen und spitzt Eure Ohren, denn jetzt erfahrt Ihr Lavidas großes Geheimnis …

Öseblöm wartete immer wieder ein wenig, um Lavida einen kleinen Vorsprung zu gewähren. Aber sollte der Riese wirklich derart gefährlich sein, so wollte er lieber in ihrer Nähe bleiben. Was er aber dann sah, verschlug auch unserem vielgereisten Wanderer die Sprache …

Lavida deckte den Tisch für zwei. Die Köstlichkeiten wohlfeil präsentiert und dann erst das Geschirr! Tatsächlich war eine Tasse, ein Teller und dazu passend Löffel, Messer und Gabel etwa doppelt so groß, wie ein zweiter Teller, mit der passenden Tasse und Löffel, Messer und Gabel. Lavida nahm Platz vor dem kleineren Geschirr und rief dann: »Du kannst raus kommen, es ist alles in Ordnung!«

Langsam öffnete sich die schwere Holztür und heraus trat ein Riese! Er lächelte und sein freundliches Gesicht ließ Öseblöm sofort erkennen, dass man hier keine Angst zu haben brauchte.

Dieser Riese war vielleicht doppelt so groß, wie ein normaler Mensch, ansonsten sah er aber wohl gewachsen aus. Arme, Beine, Hände, Füße, alles war da, wo es hingehörte. Der Riese setzte sich und sagte: »Danke, mein Schatz. Wenn ich Dich nicht hätte.« Damit ließ er es sich schmecken.

Jetzt trat Öseblöm an den Tisch heran und begrüßte den Riesen.

»Einen wunderschönen Guten Morgen, werter Herr.« Mit diesen Worten verneigte er sich wieder respektvoll und stellte sich vor: »Mein Name ist Vinidi Öseblöm, von Öseblömhausen, Öseblöm. Ich bin ein neugieriger Wanderer auf der Suche nach einer großen Gefahr, einer sehr großen Gefahr, wie man mir sagte. Ich vermag aber, außer ein paar freundlichen Menschen, nichts dergleichen zu erkennen. Könnt Ihr mir vielleicht weiter helfen?«

Lavida verschluckte sich an Ihrem Tee, den sie gerade trinken wollte, als sie Öseblöms Worte hörte. Der Riese aber schaute voller Staunen auf den mutigen Abenteurer. Keiner von beiden hatte Öseblöm vorher bemerkt, bis er, wie aus dem Nichts, an ihrem Tisch auftauchte.

Der Riese wollte gerade aufstehen, um sich in voller Größe aufzurichten, da sprang Öseblöm mit einem Satz auf den ziemlich großen Tisch und rief: »Bleib lieber sitzen, mein Freund. Sonst bekomme ich noch eine Genickstarre, wenn ich immer in den Himmel schauen muss, um mit Dir zu reden.«

Öseblöm lachte den beiden zu.

»Da habt Ihr aber ein schönes Geheimnis!«, sagte er. »Wer weiß denn noch davon?«

»Niemand«, antwortete Lavida. »Im Dorf haben sie alle Angst vor ihm.«

»Na, bei der stattlichen Größe ist das auch irgendwie zu verstehen«, sagte Öseblöm.

»Hast Du sie vielleicht einmal angebrüllt oder erschreckt oder gar bedroht?«, wollte unser Abenteurer wissen, der den Riesen zunehmend sympathischer fand.

»Nein,« antwortete der Riese, »als ich zu groß wurde, habe ich einfach das Dorf verlassen.«

»Ach, Du stammst aus dem Dorf?«, staunte unser Öseblöm. »Dann hast Du bestimmt auch einen Namen, oder?« Unser Wanderer grinste, als er es sich auf dem Tisch gemütlich machte.

Lavida konnte gar nicht glauben, dass Öseblöm überhaupt keine Angst zu haben schien.

»Mein Name ist Handan«, erklärte der Riese. »Handan von Wurzelbruck, und ich bin ein einsamer Riese.«

»Aber Du bist doch nicht allein«, wandte Lavida ein. »Ich komme doch jeden Tag vorbei.«

Handan schaute mit traurigen Augen zu seiner Freundin herüber. »Ich bin Dir auch wirklich dankbar, Lavida«, sagte er. »Aber trotzdem fehlt mir der Kontakt zu freundlichen Menschen und außerdem fehlt mir eine Aufgabe.«

»Dann wird es aber Zeit, dass ich Dir helfe«, sagte Öseblöm und fügte noch schnell hinzu: »Natürlich nur, wenn Du es erlaubst.«

»Und wie willst Du mir helfen?«, fragte der Riese, der keine Hoffnung für sich sah. Er war schlicht und einfach zu groß für die Menschen in seinem alten Dorf und von Menschen seiner Größe hatte er noch niemals gehört.

»Das ist doch ganz leicht«, erklärte Öseblöm seinen Plan. »Wir gehen zusammen ins Dorf und ich erkläre dem Dorfältesten, dass Du ganz friedlich bist.«

»So einfach wird das nicht funktionieren, Du freundlicher Fremder«, sagte nun Lavida, die auch wenig Hoffnung hatte, denn sie kannte ihren Großvater nur zu gut. »Sobald sie Handan nur von der Ferne erblicken, werden sie sich mit all ihren Waffen versammeln und versuchen ihn zu vertreiben oder gar zu töten. Und das nur weil sie Angst haben. Ja, sie werden nicht einmal zuhören, weil sie solche Angst haben!«

Als Öseblöm das hörte, dachte er nach. Sein Blick glitt dabei immer wieder von Handan zu Lavida und dann wieder zu Handan. »Mmh«, sagte er, und machte eine noch längere Pause. »Aber ihr wollt die Situation doch nicht so lassen, wie sie ist, oder?«, fragte er noch einmal nach.

»Wir hatten schon überlegt, gemeinsam fortzuziehen«, erklärte da Lavida.

»Und Ihr glaubt wirklich, dass die Menschen in anderen Dörfern keine Angst vor einem Riesen haben?«, wollte Öseblöm von den beiden wissen. Der Riese zuckte ein wenig hilflos mit den Schultern und Lavida begann zu weinen.

Plötzlich lächelte Öseblöm spitzbübisch. »Ich habe da eine Idee! Wenn Ihr erlaubt, so werde ich Euch helfen.« – Der Riese von Wurzelbruck nickte stumm mit seinem Kopf. Lavida trocknete sich ihre Tränen und nickte ebenfalls.

An dieser Stelle liebe Kinder, Ihr wisst es schon, müssen wir uns wieder ein wenig in Geduld üben. Denn jetzt heißt es …

 »Gute Nacht und träumt recht schön, schon morgen wird es weiter gehen.«