Handans Heimkehr
»Nun liebe Kinder, ich hoffe Ihr seid schon bettfertig?«
Dann macht es Euch wieder so richtig gemütlich in Eurem Bett. Deckt Euch gut zu, schließt Eure Augen und lauscht der Erzählung, wie es nun weiter ging, mit dem Riesen von Wurzelbruck.
Frohen Mutes machte sich unser Öseblöm auf den Weg, um den Riesen und Lavida zu holen und ins Dorf zu begleiten. Diesmal, bei Tageslicht, kam er natürlich viel schneller voran, als am Morgen, in der Früh, als es noch duster war.
Schon bald sah er den Hügel, mit dem riesigen Haus. Davor saßen, ganz wie versprochen, Lavida, die Enkeltochter des Dorfältesten und ihr Freund Handan, der Riese von Wurzelbruck. Sie warteten ungeduldig auf unseren Abenteurer und hofften, dass er mit freudigen Nachrichten aus dem Dorf zurückkehrte.
»Hallo, Öseblöm«, rief der Riese, als er den Wanderer in der Ferne erblickte. Seine Stimme war so laut, dass Lavida ganz schnell ihre Ohren schützen musste, wenn sie keine Ohrenschmerzen bekommen wollte.
»Oh, Entschuldigung Lavida«, bat Handan seine Freundin um Verzeihung. Er war so aufgeregt, dass er fast vergessen hatte, wie groß er eigentlich war.
Mittlerweile hatte Öseblöm die riesige Hütte erreicht. Wieder sprang er mit einem Satz auf den Tisch, damit er nicht ständig in den Himmel schauen musste, wenn er mit dem Riesen sprach. Der schaute unseren Abenteurer fragend an. Lavida traute sich nicht nachzufragen und wartete darauf, dass Öseblöm endlich erzählte.
Unser Öseblöm strahlte über das ganze Gesicht: »Liebe Freunde. Ich soll Euch von Kerim ausrichten, Ihr seid jederzeit herzlich willkommen in Wurzelbruck. Und Lavida, Du mögest endlich heimkommen, denn das ganze Dorf hat sich schon große Sorgen gemacht.«
Ihr könnt Euch sicher vorstellen, wie groß die Freude bei Handan und Lavida war, als sie dies hörten? Lavida sprang auf und tanzte vor Glück und der mächtige Riese saß da und konnte seine Tränen nicht mehr zurückhalten. So viele Jahre war er nicht mehr in seinem Dorf gewesen …
»Dann lasst uns jetzt aufbrechen,« schlug Öseblöm vor, »denn ganz Wurzelbruck wartet schon.«
Der Riese erhob sich langsam und ein wenig vorsichtig, damit er niemanden verletzte. Dabei schraubte er sich immer weiter in die Höhe. Nun musste Öseblöm seinen Kopf weit in den Nacken legen, um nach oben zu schauen.
»Du bist schon eine stattliche Erscheinung«, sagte er und lachte.
»Darf ich Euch beide tragen?«, fragte Handan. »Dann kommen wir deutlich schneller voran.«
Lavida lachte zustimmend, schließlich kannte sie das schon. Unser Öseblöm aber, war noch niemals von einem Riesen getragen worden. Trotzdem willigte er ein. Na ja, vielleicht auch gerade deswegen, denn wer kann schon von sich erzählen, auf den Schultern eines Riesen gesessen zu sein?
Also packte der Riese zuerst die zierliche Lavida ganz vorsichtig und hob sie auf seine linke Schulter. Danach beugte er sich zu Öseblöm herunter, packte ihn ebenfalls ganz behutsam und hob ihn auf seine rechte Schulter.
»Hier sitzt es sich richtig bequem«, stellte Öseblöm verwundert fest. »Dann kann es jetzt losgehen!«
Und so machten sich die Drei auf den Weg zum Dorf.
In Wurzelbruck selbst herrschte helle Aufregung. Einige hatten noch etwas Angst, schließlich konnten sie die letzten Jahre nicht einfach so schnell vergessen. Andere wiederum freuten sich auf Handan, denn sie konnten sich noch gut an den kleinen Jungen erinnern, der plötzlich an die Decke stieß.
Mit einem Mal ertönte das Horn des Brückenwächters!
»Sie kommen«, rief er. Mit seinem geschulten Blick hatte er unsere Drei in der Ferne bereits erkannt. Das ganze Dorf strömte nun an dem unbewachten Teil zusammen und erwartete seinen Riesen.
»Ah, Oh, Ouh«, ertönte es, als Handan das Dorf erreichte. Dann brandete ein herzlicher Beifall auf. Der Riese wurde freundlich ins Dorf hineingelassen und zum zentralen Dorfplatz geführt. Dies war der einzige Ort, an dem Handan stehen und später auch sitzen konnte, ohne Schaden anzurichten.
Vorsichtig ließ er Lavida und Öseblöm wieder herunter.
Jetzt wurde gefeiert!
»Der verlorene Sohn ist zurückgekehrt«, rief jemand aus der Menge. Kerim traute sich nun ganz nah an den Riesen heran. Nun ja, tatsächlich packte Lavida ihn bei der Hand und schob ihn kräftig voran.
»Hab keine Angst Großvater«, rief sie freudig. »Handan ist unser Freund!«
Der Riese von Wurzelbruck war heute der glücklichste Mensch auf der Welt. Er durfte in sein Dorf zurück und fand endlich wieder Freunde.
Inmitten der Feierlichkeiten des großen Festes, das ihm zu Ehren gegeben wurde, beugte sich Handan zu unserem Abenteurer herunter und flüsterte ihm ins Ohr: »Danke, Meister Öseblöm, vielen, vielen Dank. Du hast jetzt etwas gut bei mir. Heute Nacht wirst Du bei mir schlafen, denn bei mir zu Hause wartet ein kleines Geschenk auf Dich …«
Unser Öseblöm schaute ganz verwundert, aber er freute sich von Herzen. Auch wenn es nicht wirklich wichtig war, so fragte er doch: »Was ist das für ein Geschenk, lieber Freund?« – Handan grinste über das ganze Gesicht. »Wie ich hörte, bist Du ein Wanderer, der Abenteuer sammelt? Da habe ich das passende Geschenk für Dich. Ich sage nur Dix und Dax.« Danach lächelte der Riese vielsagend und schwieg. An dieser Stelle müssen wir für heute ebenfalls schweigen. Denn Ihr wisst ja, jetzt heißt es wieder …
»Gute Nacht und träumt recht schön, schon morgen wird es weiter gehen.«