… die unglaublichen Abenteuer des Herrn Öseblöm –
und seiner Freunde …

Eine Kuh ist kein Pferd

»Nun, ich hoffe Ihr hattet einen schönen Tag?«

Dann wollen wir diesen heute mit einer weiteren Gutenachtgeschichte beschließen. Also deckt Euch wieder gut zu, schließt Eure Augen, haltet Eure Ohren bereit, denn jetzt schauen wir uns an, was mit Milly, der Kuh vom Bauern Rums passiert war …

»Ein Rennpferd?«, rief Mallewutz erstaunt.

»Und ich dachte zuerst, sie sei krank«, sagte Bauer Rums ein wenig erleichtert. »Dabei spinnt sie nur ein bisschen.«

»Ihr solltet Eure Kuh schon ernst nehmen«, empfahl unser Öseblöm. »Sie will nämlich ab jetzt an Wettrennen teilnehmen. Und Pferde geben nun einmal keine Milch. Oder habt Ihr  jemals von einem Rennpferd gehört, das in einem Kuhstall steht und Milch gibt?«

Jetzt kratzte sich der Bauer Rums etwas ratlos am Hinterkopf. Dabei suchte er nach einer Antwort.

»Woher weiß ich denn, dass die Kuh das wirklich gesagt hat?«, fragte er und hoffte, dass irgendwie etwas anderes dahinterstecken möge.

»Milly hat mir auch erzählt, Sie würden immer in ihr linkes Ohr kneifen, und dass sie das überhaupt nicht mag«, erzählte Öseblöm und grinste breit. Ihr könnt Euch sicher vorstellen, wie verblüfft der Bauer war, als er dies hörte.

»Aber Sie können gerne selbst mit Milly sprechen«, lud Öseblöm den hilflos wirkenden Bauern ein. »Ich muss dazu nur in der Nähe sein. Dann können wir uns alle unterhalten.«

Pimpinelle hatte aufmerksam zugehört und sprang nun mit ein zwei Sätzen zu Milly.

»Kannst Du mich wirklich verstehen, Milly?«, fragte Pimpi die Kuh. Dabei streichelte sie sie zärtlich im Nacken.

»Natürlich kann ich Dich verstehen«, antwortete Milly mit überraschend tiefer Stimme. »Aber ich bin mir nicht sicher, ob Du mich verstehen kannst?«

Der Bauer und Pimpinelle waren voll ehrfürchtigem Staunen, als sie nun mit ihrer Kuh sprechen konnten. Für unsere fünf Burschen war dieses Erlebnis nicht mehr ganz so neu. Sie interessierte mehr, wie Milly auch nur auf die Idee kommen konnte, ein Rennpferd zu sein.

»Und Du willst tatsächlich ein Rennpferd sein?«, fragte nun Balthasar ungläubig. »Wie kommst Du denn nur auf so eine Idee?«

»Nein,« antwortete Milly, »selbstverständlich bin ich kein Rennpferd, noch nicht. Aber ab heute will ich eins werden. Und deshalb bekommt ihr von mir keine Milch mehr. Oder habt Ihr schon einmal von einem Rennpferd gehört, das Milch gibt? Na also. Dann hat sich das mit der Milch ja wohl erledigt, nicht wahr?«

Milly meinte es ernst. Bauer Rums war zum ersten Mal in seinem Leben völlig überfordert. Er hatte noch nie mit einer Milchkuh darüber diskutiert, warum es für sie besser sei, wieder Milch zu geben. Auch unser Öseblöm war einigermaßen verblüfft. Er hatte ja schon viel erlebt auf seinen Reisen, aber das hier war auch für ihn neu.

»Allerliebste Milly«, begann unser Wanderer und versuchte behutsam ein Gespräch zu beginnen. »Du weißt schon, dass Du eine wunderschöne,  stattliche Milchkuh bist, oder?«

»War, Herr Öseblöm, ich war eine wunderschöne, stattliche Milchkuh«, korrigierte ihn Milly. Die Kuh schien fest entschlossen.

Öseblöm startete einen zweiten Versuch: »Aber Du weißt, dass ein Pferd viel längere Beine hat, oder? Und Du weißt sicher auch, dass ein Pferd keine so prächtigen Euter besitzt, wie Du. Die dürften bei einem Rennen ziemlich hinderlich sein. Findest Du nicht?«

Milly dachte nach. Das dauerte.

Jetzt trat der kleine Balthasar an sie heran. »Weißt Du eigentlich, dass wir uns an jedem Wochenende auf Deine Milch freuen? Ohne Deine wunderbare Milch wäre unser Frühstück eine ziemlich traurige Angelegenheit.«

Nun hatte Milly noch mehr zum Nachdenken. Das dauerte noch länger.

Da kam dem Bauern Rums eine Idee: »Was hältst Du davon,« fragte er, »wenn Du ab jetzt immer schon eine Stunde früher auf die Weide darfst? Dann hast Du Zeit, um zu trainieren. Und wenn Du fleißig übst, wirst Du bestimmt die schnellste Rennkuh im ganzen Land.«

Milly schaute ihren Bauern mit leuchtenden Augen an. »Das wäre wunderbar«, antwortete sie. »Dann könnte ich ja eine Kuh bleiben und trotzdem so schnell rennen, wie es mir möglich ist.«

»Das klingt doch nach einer sehr schönen Lösung«, stellte Öseblöm fest. »Allerdings würde mich dennoch interessieren, wie Du überhaupt auf die Idee gekommen bist, dass Du als Pferd ein besseres Dasein haben könntest?«

Milly zögerte etwas. »Nun ja, es war ja nicht wirklich meine Idee. Aber mein Leben als Kuh erschien mir irgendwie langweilig und so sinnlos. Ich wusste ja gar nicht, dass meine Milch gebraucht wird.«

»Weißt Du Milly,« erklärte nun unser Abenteurer, »Du wirst gebraucht, so wie Du bist. Und so trägst Du Deinen Teil zum Ganzen bei, wie jeder von uns. Dazu musst Du nicht rennen, wie ein Pferd.«

Öseblöm streichelte zärtlich die Milchkuh, die jetzt irgendwie froh war, doch kein Pferd zu sein. »Nun sag mir aber noch, wer hatte Dich auf die Idee gebracht?« Unser Öseblöm ließ nicht locker. – »Du meinst wohl eher, was und nicht wer«, antwortete Milly. »Es waren zwei Stiefel, die hier in den Stall hereingerannt kamen …« – »… und Du hast mit ihnen diskutiert!«, stellte Öseblöm fest. Doch kaum hatte er das ausgesprochen, polterte es in der hinteren Ecke des Kuhstalls. Es klang wie das Wirbeln  eines Flamenco Tänzers …  – Tja, liebe Kinder, auch wenn Ihr vielleicht schon ahnt, was unseren Abenteurern bevorsteht, so müssen wir für heute schließen. Denn hier heißt es wieder:

»Gute Nacht und träumt recht schön, schon morgen wird es weiter gehen.«