… die unglaublichen Abenteuer des Herrn Öseblöm –
und seiner Freunde …

Ein Zwerg ohne Namen

»Ich hoffe, Ihr seid wieder bereit für die nächste Geschichte?!«

Dann wisst Ihr ja, was Ihr zu tun habt. Auf, ins Bett, gut zudecken, wieder richtig kuscheln und dann kann es gleich losgehen. Ihr  müsst nur noch Eure Augen schließen und die Ohren offen halten, dann können die Vorbereitungen für das nächste Abenteuer beginnen …

»Wir werden alle dem Zwerg helfen«, sagte Balthasar. Auch er war fest entschlossen, sich an der Suche zu beteiligen.

»Genau«, bemerkte nun Öseblöm, »aber jeder bitte auf seine eigene Weise!«

»Dürfen wir etwa wieder nicht mitkommen?«, fragte Kalle, der schon ahnte worauf das Ganze hinauslaufen würde.

»Findest Du es etwa lustig, einem großen Bären direkt gegenüber zu stehen?«, wandte Amira ein, die sich noch recht gut an das letzte Abenteuer erinnern konnte.

»Einem Bären?«, rief Bauer Rums entsetzt. Das war zu viel für den einfachen Bauern. Er wusste nichts von dem Abenteuer mit Pepe, aber allein das Wort  »Bär« genügte ihm, um eine klare Entscheidung zu treffen. Er stand auf, fasste Pimpinelle fest bei der Hand und verabschiedete sich von unseren Freunden:

»Wir müssen jetzt wieder heim, denn auf unserem Hof wartet noch viel Arbeit auf uns«, damit wandte er sich zum Gehen. Und mit einem Blick auf seine Tochter fügte er noch hinzu: »Und nicht nur auf mich!«

Pimpinelle folgte nur unwillig, aber der kräftige Griff ihres Vaters ließ keinen Widerspruch mehr zu.

»Dann lasst uns jetzt aufbrechen«, schlug Mallewutz vor, der noch immer nicht verstanden hatte, dass die fünf Burschen daheim bleiben sollten.

»Und wohin willst Du gehen?«,  fragte Lavida.

»Das ist eine sehr gute Frage«, bemerkte Malle. »Wohin wollen wir gehen? Wir wissen ja gar nicht, wo der Zwerg sich aufhält. Wo wohnt er überhaupt? Wie heißt er? Können nicht andere Zwerge ihm helfen? Gibt es überhaupt noch andere Zwerge? Kann Amira ihn nicht einfach retten? So ein Zwerg kann doch nicht so schwer sein, oder? Und …, warum sollen wir ihn überhaupt retten? Wir können doch nicht einfach jeden retten, der gerade mal in Schwierigkeiten ist?«

Malle, der sich sonst immer gerne etwas zurückhielt, konnte nicht mehr an sich halten. All die Fragen platzten aus ihm heraus, wie das Wasser aus einem Stausee, dessen Staumauer eingerissen wurde.

»Also ich werde auf jeden Fall versuchen, dem Zwerg zu helfen«, erklärte der Riese von Wurzelbruck. »Dieser Zwerg ist mein Freund. Den lasse ich nicht im Stich.«

»Dann wirst Du uns sicher etwas über den Zwerg erzählen können, nicht wahr?«, fragte Kalle, der immer noch die Hoffnung hegte, mitzukommen. »Wie heißt er denn und wo wohnt er?«

Handan schaute ein wenig betrübt als er antwortete: »Das weiß ich nicht.«

»Also gut,« nahm Kalle einen neuen Anlauf, »wenn Du nicht weißt wo er wohnt, kannst Du uns wenigstens seinen Namen verraten.«

»Ich sagte doch, das weiß ich nicht«, antwortete Handan.

»Ja was weißt Du dann?«, fragte Balthasar, der spürte, dass dies eine schwierige Mission werden könnte.

»In den Jahren, die ich einsam auf dem Hügel vor Wurzelbruck verbrachte, kam dieser Zwerg immer wieder zu Besuch bei mir vorbei. Er war einer der wenigen, die keinerlei Angst vor mir hatten. Er kam immer aus dem Osten und ging nach Westen. Abends saßen wir oft vor meinem Haus und schauten der Sonne zu, wie sie am Horizont langsam verschwand und das Land in ihr goldenes Licht tauchte. Dann spielte er auf seiner Flöte dieses seltsame Lied, das auch die Wanderstiefel so mögen. Uns beide verbindet eine tiefe Freundschaft, eine Seelenfreundschaft, wenn ihr so wollt.«

»Und ich schätze einmal, Du hast ihn nie nach seinem Namen gefragt, stimmt‘s?«, fragte Mallewutz.

»Genauso ist es«, erklärte Handan. »Wir haben uns stillschweigend verstanden. Da gibt es etwas, das uns verbindet. Und deshalb werde ich ihm jetzt helfen!«

»Wir müssen noch ein wenig warten«, warf Amira jetzt ein.

»Bitte nicht schon wieder warten«, sagte Kalle, der immer ungeduldiger wurde.

Amira schaute Kalle kurz an und gab dem Burschen mit einem scharfen Blick zu verstehen, jetzt zu schweigen. Es war ihr sehr ernst, so ernst, wie vor kurzem mit ihrer Suche nach Pepe.

»Auch ich will diesem Zwerg helfen«, erklärte sie. »Ich bin ihm nur ein einziges Mal begegnet, damals war ich in großer Not. Dieser Zwerg hatte mir sehr geholfen, indem er auf seiner Flöte sein seltsames Lied spielte. Ich habe das nie vergessen. Er ist eine ganz besondere Seele …«

»Und worauf sollen wir jetzt noch warten?«, fragte Öseblöm, der sehr genau zugehört hatte. Obwohl er dem Zwerg ohne Namen noch niemals begegnet ist, verspürte er plötzlich den leisen Wunsch, ihm einmal gegenüber zu stehen.

»Ich vermute, dass es schwieriger wird, den Zwerg zu finden, als meinen Pepe. Deshalb sollten wir in zwei Gruppen suchen. Ich habe Pepe losgeschickt, Don Carlos um Hilfe zu bitten. Er sollte schon bald hier sein.«

»Und wir dürfen wieder nicht mit!«, entfuhr es Balthasar, der sich schon jetzt große Sorgen um seine neuen Freunde machte. – »Ich möchte einfach nicht, dass Ihr in Gefahr geratet«, sagte Öseblöm, dabei nahm er den kleinen Burschen wieder fest in den Arm. »Doch lasst uns zuerst überlegen, wie wir uns aufteilen.«  –  Tief am Horizont waren schon die Schwingen eines mächtigen Adlers zu sehen …

Für Euch liebe Kinder, ist es aber schon spät. Darum heißt es nun:

»Gute Nacht und träumt recht schön, schon morgen wird es weiter gehen.«