… die unglaublichen Abenteuer des Herrn Öseblöm –
und seiner Freunde …

Wald ohne Manieren

»Es ist soweit, seid Ihr bereit?«

Dann macht Euch bitte schnell fertig. Ihr seid schon im Bett? Falls nicht, wird es aber Zeit! Also, eine gute Gutenachtgeschichte muss man einfach im Bett lesen. Wo denn sonst? Schließt also wieder Eure Augen, spitzt Eure Ohren und lasst uns zusammen in den Zauberwald gehen, um nachzusehen, wie es unseren Freunden erging …

Herr Öseblöm hatte auf seinen Reisen schon viel erlebt, aber das hier, war das Unhöflichste, was ihm je begegnete. Und er konnte sich überhaupt nicht erklären, was der Grund für dieses merkwürdige Verhalten war.

»Lass uns weiter gehen«, sagte Amira, die sowieso keine Lust hatte, mit beleidigten Eulen zu reden. Sie warf noch einen letzten Blick nach oben und sah gerade noch rechtzeitig, wie doch die alte Eule tatsächlich ein dickes Kügelchen fallen ließ …

»Auch das noch!«, rief die Adlerdame und gab ihrem Freund einen leichten Stups, sodass Öseblöm im letzten Moment dem herunterfallenden Kügelchen ausweichen konnte.

»Das ist aber frech«, sagte Öseblöm. Er konnte sich wirklich nicht vorstellen, was hier passiert war. Falls Sie nicht willkommen waren in diesem Wald, hätte man sie ja auch gar nicht erst hereinlassen sollen. Aber so …

»Hat das vielleicht mit Deinem Flüstern zu tun?«, fragte Amira.

»Wie meinst Du das?«, fragte Öseblöm. Der Wanderer schaute sich nachdenklich um.

»Wir gehen weiter«, entschied der Abenteurer. »Zuerst holen wir meinen Hut, und dann will ich den Herrn des Waldes sprechen!«

So schritten die beiden voran. Immer den schmalen Pfad entlang, der sie tiefer und tiefer in diesen fast friedlichen Wald führte.

»Sie werden ihn holen …, sie wollen ihn schlagen …«. Wieder ertönte dieses seltsame Wispern in ihrem Rücken. Der Wind griff die Worte auf und trug sie weiter, von Baum zu Baum, von Ast zu Ast und von Busch zu Busch …

»Findest Du es nicht unheimlich hier?«, fragte Amira. Sie trottete oder besser watschelte ihrem Freund hinter her.

»Unheimlich?«, wiederholte Öseblöm. »Nein, aber etwas unhöflich. Man scheint hier nicht zu wissen, was gute Manieren sind.«

Noch eine Biegung, und sie erreichten den Busch, der das Schäfchen Marie retten wollte.

»Pass auf, wohin Du trittst!«, rief Öseblöm, aber es war zu spät.

Amira tat noch einen Schritt, dann gab es einen Rumms und unsere Adlerdame fiel vornüber auf ihren Bauch.

Öseblöm fuhr herum und konnte gerade noch erkennen, wie der Busch seine Freundin auch an ihrem zweiten Fuß packte und fest umschlungen die Adlerdame zu sich zog.

»Ich bin BUSCH«, ertönte seine Stimme. »Kein freundlicher BUSCH! Ich bin zornig! Ein zorniger Busch. Ich BIN, ja ich bin ein buschiger ZORN!«

Die Blätter des Busches färbten sich tiefrot und in seiner Stimme schwang ein gefährlicher Unterton. Der Busch hielt Amira an den Füßen gefesselt gefangen und vergrub sie unter seinen vielen kleinen Zweigen und Blättern. Die zitterten und bebten vor Zorn.

Jetzt wurde die Adlerdame ebenfalls zornig. Aber je stärker sie sich wehrte, desto mehr verstrickte sie sich in den vielen kleinen Zweigen und Schlingen. Jetzt hielt der Busch sogar ihren Schnabel fest umschlungen, sodass Amira nicht einmal mehr um Hilfe rufen konnte.

Herr Öseblöm aber blieb ganz ruhig. Ja, er war sogar ein bisschen froh, dass sich etwas regte, denn nur so konnte er in Erfahrung bringen, was denn überhaupt passiert war, seit ihrem letzten Besuch. Man muss schon miteinander reden, wenn man ein Missverständnis aufklären will. Und hier konnte es sich nur um ein Missverständnis handeln, soviel war klar.

»Mein lieber Freund Busch«, begann Öseblöm, wurde aber sofort unterbrochen.

»Ich bin kein Freund Busch«, antwortete der Busch mit zorniger Stimme.

»Du bist kein Busch?«, fragte Öseblöm und versuchte dabei ein Schmunzeln zu verbergen.

»Doch, ich bin BUSCH, ein buschiger Busch«, antwortete der Busch, dessen Blätter vor Aufregung zitterten.

»Du bist Busch und Du redest mit mir«, stellte Öseblöm fest.

»Jawohl«, antwortete der Busch. »Ich rede. Ich bin eine buschige Rede.«

»Mein lieber Busch. Hättest Du vielleicht die Güte, meine Freundin Amira wieder freizulassen?«

»Ich bin nicht lieb«, antwortete der Busch und bebte wieder mit all seinen Blättern.

»Aber natürlich bist Du lieb«, entgegnete Öseblöm. »Das Schäfchen Marie hat gesagt, ich solle dem lieben Busch noch einen schönen Gruß ausrichten und ihm nochmals Dank sagen.« – »Marie …«, sagte der Busch und erinnerte sich. »Ich bin ein lieber Busch, Busch LIEB, ein liebiger Busch, eine buschige Liebe, ICH BIN LIEB.« Dann schien der Busch nachzudenken. Es sah tatsächlich so aus, als würde er seinen Kopf zur Seite neigen. Aber er hatte natürlich keinen Kopf. Doch wie dem auch sei, er ließ Amira frei. Die breitete sofort ihre Flügel aus und schwang sich in die Höhe, nur um in sicherer Entfernung wieder zu landen.

Für Euch liebe Kinder ist es aber wieder Zeit. Darum heißt es nun, wie jeden Abend:

»Gute Nacht und träumt recht schön, schon morgen wird es weiter gehen.«