… die unglaublichen Abenteuer des Herrn Öseblöm –
und seiner Freunde …

Der dunkle Pfad

»Seid Ihr wieder bereit? Ich hoffe Ihr hattet einen schönen Tag.«

Den lasst uns jetzt beschließen mit einer weiteren Gutenachtgeschichte. Wie immer, bitte zuerst ins Bett, richtig schön kuscheln, jetzt werden die Augen geschlossen, damit ihr besser »Sehen« könnt und die Ohren weit geöffnet, damit Euch auch nichts entgeht, in der Höhle unter dem hohen Berg …

Während also Don Carlos auf der Suche nach Betty war und Amira zusammen mit Öseblöm auf dem Weg zum Schäfchen Marie, folgten unsere Freunde Kalle und Handan dem kleinen tanzenden Licht in der dunklen Höhle unter dem hohen Berg.

Schritt für Schritt tasteten sie sich voran.

»Folgt mir«, summte der kleine Leuchtpunkt immer wieder. Dabei kreiste er mal vor Handans, dann wieder vor Kalles Gesicht.

Die Abenteurer verloren jedes Gefühl für Zeit und Raum. Keiner von beiden hätte sagen können, wie viel Zeit bereits vergangen war noch hatten sie ein Gefühl dafür, wo genau sie sich jetzt befanden.

»Meinst Du, es führt uns zum Eingang zurück?«, fragte Kalle leise.

»Ich hoffe sehr«, antwortete der Riese von Wurzelbruck, dem die Situation auch nicht geheuer war.

Was, wenn sich jetzt plötzlich vor Ihnen im Boden ein Loch auftäte? Sie würden es ja nicht sehen und unweigerlich hineinfallen. Dann wären sie tatsächlich verloren …

Handan dachte an seine Freundin Lavida und an sein wunderschönes zuhause. Kalle hingegen hatte Vertrauen zu dem kleinen Licht. Er glaubte nicht daran, dass es ihnen schaden wollte. Warum auch?

»Du brauchst keine Angst haben«, flüsterte Kalle, der spürte, dass sich der Riese neben ihm tatsächlich ein wenig fürchtete.

»Ich habe keine Angst«, widersprach Handan, um gleich im nächsten Schritt laut aufzuschreien: »Aua! … aua, ua, aa, a …«

»Was ist passiert? … passiert, assiert, ssiert, siert, iert, rt, t …«, rief Kalle und das Echo seines Rufs hallte von allen Seiten der Höhle wider.

»Es geht hier nicht weiter! … weiter, eiter, ter, er, r …«, rief Handan, der sich seine Hände an sein schmerzverzerrtes Gesicht hielt. Das allerdings konnte niemand sehen.

»Wieso nicht?«, fragte der junge Bursche. »Ich bin doch vor Dir.« Diesmal sprach er wieder leise, um das Echo nicht auszulösen.

»Hier ist die Höhle zu Ende«, erklärte Handan. »Vor meinem Gesicht ist eine Wand …«

Kalle überlegte einen Moment.

»Vielleicht ist die Decke hier niedriger?«, fragte er. »Du musst tasten, Handan. Fühl einfach mal nach.«

Handan rieb sich noch einmal das Gesicht, dann begann er, die Wand abzutasten. Tiefer, immer tiefer. Als er auf der Höhe seines Bauchnabels angekommen war, spürte er, wie dort die Höhle weiterging.

»Ich kann da nicht weiter«, sagte Handan. »Die Höhle ist zu niedrig. Genau, wie ich befürchtet hatte.«

»Willst Du etwa hier im Dunkeln stehen bleiben, bis in alle Ewigkeit?«, fragte Kalle. »Ich glaube nicht, dass uns das Licht wieder zurückführt. Wir müssen also hier weiter!«

»Soll ich etwa auf allen Vieren kriechen?«, wollte Handan wissen.

»Hast Du einen besseren Vorschlag?«, entgegnete Kalle.

Der junge Bursche fühlte sich zunehmend sicherer, und ohne dass er es so richtig bemerkte, wurde er langsam zu einem richtigen Abenteurer. Das kleine Licht war nun schon ein Stück entfernt und tanzte unübersehbar im dunklen Schwarz.

»Nun komm schon«, forderte Kalle den Riesen auf. »Wir sind nicht allein!«

Handan seufzte und begab sich vorsichtig tastend auf seine Knie. Dann kroch er bedächtig hinter dem Burschen her. Zu seiner Überraschung kamen sie jetzt sogar etwas schneller voran, denn nun konnte er den Weg mit seinen Händen ertasten. Und ein Loch im Boden hätte er rechtzeitig bemerkt. So folgten sie dem kleinen leuchtenden Punkt durch die unbekannte Dunkelheit. Sie wussten nicht, wie viel Zeit verging …, eine Stunde vielleicht, oder ein Tag? Einzig, sie verspürten weder Hunger noch Durst. Doch das konnte auch an der Anspannung und Aufregung liegen.

»Folgt mir, meine Freunde«, summte wieder das winzige Licht. »Es ist große Freude …«

»Was meint es mit „großer Freude“?«, fragte Kalle.

»Vielleicht darf ich mich gleich wieder aufrichten«, antwortete Handan. »Das wäre mir auch eine große Freude. Mein Rücken schmerzt nämlich ungemein. Ich bin für so was einfach nicht geschaffen, weißt Du …«

Plötzlich tauchte ein zweites Licht auf. Es tanzte wie wild um Handans Kopf herum, hielt genau vor seinem Gesicht und flog dann nach oben. Immer höher und höher …

»Du kannst hier aufstehen«, stellte Kalle fest. »Sie verstehen uns. Sie können uns richtig verstehen.«

»Was heißt hier „Sie“?«, rätselte Handan und runzelte seine Stirn. Natürlich sah das wieder keiner. Der Riese hatte nämlich noch nicht bemerkt, dass es ein zweiter Lichtpunkt war, der ihm den Hinweis gab, wieder aufzustehen.

»Sieh nur«, rief Kalle. Vor Ihnen tat sich ein riesiges Gewölbe auf. Ein Lichtpunkt nach dem anderen erhellte den Raum. Es wurden immer mehr. Schlagartig wurde es taghell in der Höhle. Millionen von kleinen Lichtpunkten tanzten aufgeregt in der Luft …

An dieser Stelle wartet allerdings das Traumland auf Euch. Darum heißt es nun, wie jeden Abend:

»Gute Nacht und träumt recht schön, schon morgen wird es weiter gehen.«