Böse Buben
»Seid Ihr heute schon bereit?«
Dann wollen wir nicht länger warten. Aber für eine schöne Gutenachtgeschichte sollten wir es uns im Bett so richtig gemütlich machen. Also deckt Euch bitte gut zu, schließt Eure Augen und macht die Ohren ganz weit auf, denn jetzt erzählte Mallewutz, was ihn schon seit Längerem tief bedrückte …
»Weine nicht, Malle«, sagte Mallewutz. »Wir werden unseren Freund schon wiederfinden. Im Grunde sind wir alle schuld daran.«
»Wieso seid Ihr schuld woran?«, wollte Kalle wissen.
»Na ja«, erklärte Mallewutz. »An unserer Schule gibt es ein paar Rüpel. Sie gehören zu den ältesten Schülern und sie drangsalieren immer die Kleinen und Schwächeren.«
»Und was sagt Euer Lehrer dazu?«, fragte nun Öseblöm mit ernster Stimme.
»Eigentlich gar nichts«, antwortete Balthasar. »Ermahnt hat er sie, aber sonst nichts.«
»Aber was hat Dralle damit zu tun?«, wollte Amira nun wissen. »Der geht doch gar nicht mehr zur Schule.«
»Kreszenz, der Anführer der Rüpel, hatte es auf Mallewutz und mich abgesehen. Sie erwarteten uns schon immer vor der Schule und wollten uns nicht hereinlassen«, begann Balthasar zu erzählen.
»Kreszenz? Ist das nicht ein Mädchenname?«, unterbrach Kalle.
Balthasar zuckte nur mit den Schultern.
»Keine Ahnung«, sagte er. »Wir nennen ihn immer nur Krass, das passt am besten!«
»Und was ist nun mit Dralle?«, fragte jetzt Don Carlos. Dem Adler vom hohen Berg standen bereits die Nackenfedern steil nach oben ob dieser Erzählung.
»Dralle ist mit unseren beiden mit zur Schule«, erklärte Malle, der langsam seine Tränen in den Griff bekam. »Er wollte später zum Feld nachkommen.«
»Aber die Rüpel waren zu fünft und unser Dralle war ganz alleine …«, sagte Balthasar. »Mallewutz und ich haben uns an ihnen vorbeigeschlichen, um in die Schule zu kommen. Aber als wir von unserem Klassenzimmer aus nachschauen wollten, war Dralle bereits verschwunden. Die Rüpel standen noch da und lachten laut und hämisch. Wir konnten sie noch rufen hören.«
»Und was haben sie gerufen?«, fragte unser Öseblöm immer noch mit ernster Stimme.
Balthasar stieg wieder die Zornesröte ins Gesicht, als er sich erinnerte: »Drallkopf, Prallkopf, dicker, fetter Drallemann, frisst Honig wie ein Prallemann!«
Malle hatte erneut Tränen in den Augen, als er dies hörte. Die Freunde hingegen schwiegen und dachten nach.
»Und wo mag Dralle nun sein?«, fragte Lavida. »Warum ist er nicht nach Haus gekommen? Jetzt ist es dunkel und da sollte niemand allein da draußen sein.«
»Das stimmt,« sagte Amira, »aber in der Dunkelheit haben wir keine Chance ihn zu finden. Gleich morgen in der Früh, sobald es hell wird, werden Don Carlos und ich losfliegen und mit der Suche beginnen.«
Don Carlos nickte zustimmend. Dann flogen die beiden Adler auf das Dach des kleinen Hauses, um dort die Nacht zu verbringen.
»Haben die Rüpel ihn damit so verletzt, dass er davon gelaufen ist?«, fragte Betty. Das kleine Eichhörnchen hatte aufmerksam zugehört. Aber sie konnte sich nicht wirklich vorstellen, dass die Beleidigungen von solchen bösen Buben ausreichten, um davonzulaufen. Schließlich hatte Dralle hier viele gute Freunde. Die lässt man doch nicht einfach allein.
Lavida stand auf, ging ins Haus und kam nach kurzer Zeit mit einem Windlicht wieder heraus. Sie entzündete die Kerze darin und stellte es auf den leeren großen Tisch.
»Für Dralle«, sagte sie. »Falls er doch noch in der Nacht zu uns findet. Wir sollten jetzt alle zu Bett gehen, denn ich glaube, dass morgen ein anstrengender Tag wird.«
»Genau«, sagte Öseblöm. »Bei Tageslicht kann ich auch viel leichter Spuren lesen. Wir werden unseren Dralle schon finden, macht Euch keine Sorgen.«
»Aber er ist doch ganz allein da draußen, in der Wildnis. Das ist doch gefährlich«, gab Mallewutz zu bedenken. Er fühlte sich einfach ohnmächtig und machte sich große Vorwürfe.
»Das mit der Wildnis ist nicht so schlimm, wie man meinen könnte«, tröstete Kalle seinen Freund. »Glaub mir, ich weiß, wovon ich spreche.«
»Ja, aber Dralle hat keinen Riesen bei sich«, wandte Balthasar ein, dem auch nicht sehr wohl bei der Angelegenheit war.
»Es ist Zeit«, sagte Öseblöm, stand auf und wünschte allen eine gute Nacht.
So verließ einer nach dem anderen die Veranda und begab sich in sein Zimmer, doch kaum einer konnte in dieser Nacht schlafen. Die Burschen waren voller Sorge um ihren Freund. Lavida dachte darüber nach, wie sie selbst am besten helfen konnte. Handan, der Riese, legte sich neben das Haus und fiel bald in einen tiefen und festen Schlaf. Die kleine Betty verkroch sich bei Herrn Öseblöm, der auf seinem Bett lag und seinen kräftigen Schwanz immer wieder gegen die Wand schlagen ließ.
»Tok – Tok Tok, Tok – Tok Tok, Tok – Tok Tok.« Das vertraute Klopfen hatte etwas Beruhigendes und nach einiger Zeit erlagen die Freunde ihrer Müdigkeit.
Und ihr liebe Kinder solltet nun auch nicht mehr lange warten, denn das Traumland wartet bereits auf Euch. Darum heißt es jetzt:
»Gute Nacht und träumt recht schön, schon morgen wird es weiter gehen.«