Voll Krass
»Ich hoffe, Ihr hattet einen schönen Tag?«
Dann lasst uns diesen jetzt mit einer schönen Gutenachtgeschichte ausklingen. Unsere Freunde auf der Veranda waren zu allem bereit. Also begebt Euch wieder ins Bett. Deckt Euch schön zu und macht es Euch so richtig gemütlich. Zuerst schließt Ihr die Augen …, dann spitzt Ihr Eure Ohren … und schon kann es losgehen …
Mallewutz und Balthasar hatten alles für die Schule gepackt und waren startklar. Kalle hingegen war schon vorausgeeilt. In großen Schritten ging er einen anderen Weg, dabei hielt er sein Seil gut fest, das er vorsichtshalber zusammengebunden um seine Schulter trug.
»Jetzt geht Ihr los«, sagte Öseblöm und gab den jungen Burschen das Startsignal. »Macht Euch keine Sorgen, denn ich folge Euch in kurzem Abstand.«
Balthasar holte noch einmal tief Luft, dann gingen sie los, den immer gleichen Weg zur Schule. Mallewutz schaute sich des Öfteren mal um, aber er konnte Öseblöm nirgends sehen. Der hielt sich zwar in ihrer Nähe, achtete aber darauf, nicht gesehen zu werden.
So näherten sich die jungen Burschen ihrer Schule. In der Ferne konnten sie schon die Rüpeltruppe erkennen, wie sie am großen Eingangstor lehnten und auf ihre Opfer warteten.
»Ich hoffe, dass Kalle schon da ist«, sagte Balthasar, dem ganz mulmig zumute war.
»Das hoffe ich auch«, murmelte Mallewutz, der immer wieder nach Öseblöm Ausschau hielt.
Jetzt war der Augenblick gekommen. Kreszenz, der Älteste und Anführer der Truppe, stieß sich vom Eingangstor ab und stellte sich unseren kleinen Freunden in den Weg. Die anderen postierten sich neben ihm auf und bildeten eine unüberwindliche Barriere.
»Den Prallemann sind wir schon los«, tönte der Anführer, der von allen Schülern heimlich »Krass« genannt wurde. »Und jetzt seid Ihr Wichtel an der Reihe. Wir wollen Euch nicht an dieser Schule sehen, habt Ihr das verstanden?«
Kreszenz stieß plötzlich mit beiden Händen den kleinen Balthasar so kräftig vor die Brust, dass dieser rückwärts hinfiel und mit seinem Hinterkopf am Boden aufschlug! Mallewutz schrie auf und wollte seinem Freund zu Hilfe kommen, aber die anderen Rüpel packten ihn und hielten ihn fest. Unser junger Freund war viel zu klein und zu schwach, um sich gegen die Überzahl der Rüpeltruppe zu wehren.
In diesem Augenblick griff Öseblöm ein! Mit einem Riesensprung stand er blitzartig zwischen Kreszenz und Balthasar, versetzte dem Rüpel ebenfalls einen kräftigen Stoß und rief:
»Darf ich mich vorstellen? Mein Name ist Öseblöm, von Öseblömhausen, Öseblöm, merkt Euch diesen Namen!« Unser Wanderer verzichtete auf die höfliche Verbeugung und tat einen Schritt auf die anderen zu, die noch immer unseren Mallewutz festhielten.
Mit einem gefährlichen Funkeln in den Augen zischte er die Schläger an: »Ihr solltet meinen Freund jetzt loslassen. Er kann auch ohne Eure Hilfe stehen. Ihr werdet Eure Kräfte noch brauchen.«
Dann wandte er sich dem kleinen Balthasar zu. Öseblöm half dem Kleinen auf und legte kurz seine Hand auf die Verletzung am Hinterkopf, die innerhalb von wenigen Augenblicken verschwand.
»Danke«, sagte Balthasar und konnte schon wieder lächeln.
Auch Mallewutz lächelte, als die Rüpelbande ihn freigab. Er spürte, dass das Blatt sich gedreht hatte. Vom Schulhof ertönte der Schulgong, der zum Unterricht rief.
»Ich glaube, wir sollten jetzt in Eure Klasse gehen«, sagte Öseblöm. „Ich möchte noch ein ernstes Wort mit Eurem Lehrer reden.“
»Der wird Euch auch nicht helfen«, höhnte Kreszenz, der sich von dem überraschenden Eingreifen wieder erholt hatte. Er baute sich drohend vor unserem Wanderer auf.
»Es ist so leicht, sich mit Kleineren und Schwächeren anzulegen«, sagte Öseblöm. »Vielleicht solltet Ihr Euch mal an etwas Größeres heranwagen. Aber dazu fehlt Euch wahrscheinlich der Mut, nicht wahr?«
»Dazu fehlt ihnen ganz gewiss der Mut!«, erklang nun Kalles Stimme von hinten.
Die Rüpel fuhren herum und erblickten unseren Kalle, der in seiner vollen Größe vor ihnen stand und sogar den Anführer um einen ganzen Kopf überragte.
Öseblöm gab den jungen Burschen ein Zeichen und so schlichen sie an den Schlägern vorbei und machten, dass sie in das Schulgebäude kamen.
»Aber wir können Kalle doch nicht alleine lassen«, bemerkte Balthasar.
»Kalle ist nicht allein …«, grinste Öseblöm, dann betraten die Drei das Klassenzimmer.
Währenddessen musterte Krass unseren Kalle von oben bis unten mit einem verächtlichen Blick.
»Du hast ein Seil dabei«, bemerkte er.
Kalle hörte sehr wohl den gefährlichen Unterton, aber er hatte keine Angst vor dieser Bande.
»Du bist nicht nur Krass, Du bist voll Krass, mein Freundchen«, knurrte Kalle und auch seine Stimme klang mindestens so gefährlich, wie die des Oberrüpels. »Ihr seid einfach nur kleine Feiglinge, nichts weiter.«
»„Wenn Du glaubst, ich hätte Angst vor Dir, nur weil Du einen Kopf größer bist, so täuschst Du Dich«, zischte der Anführer. »Niemand ist so groß, als dass ich Angst vor ihm hätte.« Die anderen der Bande bildeten langsam einen großen Kreis um unseren Kalle und wähnten ihn in der Falle. Krass wollte gerade angreifen, da erzitterte der Boden, gefolgt von einem gewaltigen Donner.
Doch jetzt ist es Zeit, ins Traumland zu reisen … Darum heißt es nun:
»Gute Nacht und träumt recht schön, schon morgen wird es weiter gehen.«