Erschütterungen
»Seid Ihr schon bereit? Jetzt ist es soweit!«
Lasst uns keine Zeit verlieren, denn unsere Freunde steckten mittendrin in ihrem nächsten Abenteuer. Deckt Euch also bitte schön zu, schließt wieder die Augen und haltet Eure Ohren weit geöffnet, damit Ihr auch ja nichts verpasst von der heutigen Geschichte.
»Rumms!«, wieder erzitterte der Boden und ein ohrenbetäubender Donner hallte durch die Gassen. Kreszenz und seine Bande schauten sich nach allen Seiten um. Noch war nichts zu sehen, aber der Donner schien näher zu kommen.
Kalle grinste, als er die Gesichter der Rüpel sah. Genauso hatte er sich das vorgestellt. Kleine Feiglinge, die sich an Schwächeren vergreifen.
»Dann wollen wir doch mal sehen, wie groß Dein Mut ist«, sagte Kalle und nahm langsam sein Seil von der Schulter.
»Rumms!«, jetzt schwankte der Boden unter den Füßen und die Rüpelbande konnte sich kaum noch auf den Beinen halten.
Währenddessen betraten Mallewutz und Balthasar gemeinsam mit ihrem Freund Vinidi Öseblöm den Klassenraum.
»Ihr seid schon wieder zu spät«, bemerkte der Lehrer mit einem kurzen Blick zur Tür. Erst mit dem zweiten Blick sah er, dass unsere Burschen nicht allein waren.
Etwas überrascht über das seltsame Aussehen des Fremden, ging der Lehrer auf unseren Abenteurer zu und wollte ihn hinauskomplimentieren: »Verzeihen Sie, aber wir haben jetzt Unterricht. Bitte verlassen Sie den Raum.«
Öseblöm lächelte, verbeugte sich kurz und sagte: »Guten Morgen mein Herr. Verzeihen Sie bitte die Störung, aber ich muss Sie unbedingt kurz sprechen – JETZT.«
Der Lehrer schaute den Fremden an und überlegte nicht einen Augenblick.
»Ich sagte Ihnen doch, dass wir hier Unterricht haben. Kommen Sie nach der Schule wieder. Wer sind Sie überhaupt?«
Öseblöm blieb freundlich.
»Mein Name ist Vinidi Öseblöm, von Öseblömhausen, Öseblöm und ich muss Sie jetzt auf der Stelle sprechen. Es geht um Mallewutz und Balthasar.«
»Die kommen in letzter Zeit immer zu spät. Kommen Sie nach der Schule wieder!«, entgegnete der Lehrer mit fast befehlendem Unterton in der Stimme. Dann schob er Öseblöm zur Tür hinaus und schloss das Klassenzimmer, um mit dem Unterricht fortzufahren.
Unser Wanderer war verblüfft.
»Das war keine gute Idee von Ihnen«, sagte er noch, aber der Lehrer konnte ihn nicht mehr hören.
Mittlerweile hatte Handan die Schulgasse erreicht. Auf seiner Schulter saß Malle, der sich sichtlich wohlfühlte, da oben. Mit ein bis zwei Schritten hatte er die Rüpelbande erreicht, die noch immer einen Kreis um unseren Kalle bildete.
»Dann wollen wir jetzt mal ein ernstes Wort miteinander reden …, bevor ich ein Hühnchen mit Euch rupfe!«, sagte Kalle und begann mit dem Seil eine feine Schlinge zu knoten.
Kreszenz stockte der Atem, als er den Riesen von Wurzelbruck erblickte. Den anderen der Bande zitterten die Knie.
»Ah, da sind ja die Bürschchen!«, rief Handan, dessen Stimme Mark und Bein erbeben ließ. »Ich will auch ein ernstes Wort mit ihnen reden.«
»Nichts wie weg!«, brüllte Kreszenz und rannte so schnell er nur konnte zum Schulgebäude. Das ließen sich die anderen nicht zweimal sagen. So folgten sie ihrem Anführer ins vermeintlich sichere Schulhaus.
In den Klassenräumen war das Getöse nicht unbemerkt geblieben. Schüler und Lehrer standen an den Fenstern und beobachteten das Schauspiel. Nur Mallewutz und Balthasar blieben artig auf ihren Plätzen sitzen.
»Machen wir jetzt keinen Unterricht mehr?«, fragte Balthasar seinen Lehrer, der voller Entsetzen die Klassentür aufriss und völlig entgeistert in das freundliche Gesicht unseres Wanderers schaute.
»Ich sagte doch, dass das keine gute Idee von Ihnen war«, empfing Öseblöm den fassungslosen Lehrer. »Ich glaube, jetzt ist ein guter Zeitpunkt, um miteinander zu reden.«
Öseblöm strahlte wieder seine Ruhe aus, aber das Chaos im Gebäude konnte er nicht eindämmen. Schreie und Hilferufe von allen Seiten.
»War das alles?«, fragte Handan.
»Ich denke nicht«, antwortete Kalle. Der Bursche ging langsam auf den Schulhof und ließ schon einmal sein Seil wie ein Lasso in der Luft zu kreisen. Schließlich wollte er die Rüpel einfangen, sobald sie herauskamen.
»Öseblöm ist bereits im Gebäude und spricht wohl gerade ein ernstes Wort mit ihnen«, erklärte Kalle.
Jetzt stampfte Handan mit einem Schritt auf den Schulhof. Nicht nur das Schulgebäude erzitterte in diesem Augenblick. Dann klopfte der Riese auf das Dach der Schule. – »Hallo Öseblöm bist Du da drin?«, rief er und klopfte wieder auf das Dach. »Gib mir doch auch einen von ihnen. Ich will genauso ein ernstes Wort reden. Schicke einfach einen raus. Bitte, bitte gib mir auch einen. Ich hab noch nicht richtig gefrühstückt, weißt Du …«. Wieder klopfte er auf das Dach. Kreszenz und seine Bande aber hatten sich auf einer Toilette verkrochen und zitterten.
Für uns hingegen sind jetzt die Tore zum Traumland weit geöffnet … Darum heißt es nun:
»Gute Nacht und träumt recht schön, schon morgen wird es weiter gehen.«