… die unglaublichen Abenteuer des Herrn Öseblöm –
und seiner Freunde …

Home 9 Gutenachtgeschichten 9 Jahr-01 9 Episode 109

Verwischte Spuren

»Es ist soweit, seid Ihr bereit?«

Dann hüpft jetzt schnell in Eure Betten, deckt Euch wieder gut zu und schließt bitte die Augen. Ihr wisst doch, nur mit geschlossenen Augen und offenem Herzen könnt Ihr miterleben, wie sich unsere Freunde auf die Suche nach Dralle begeben. Ach ja, wenn Eure Ohren gewaschen sind, dann solltet Ihr jetzt gut zuhören …

Kaum saß Öseblöm auf Amiras Rücken, startete die Adlerdame auch schon in den blau strahlenden Nachmittagshimmel. Die riesige Versammlung vor der Veranda löste sich rasch auf. Wie ein Lauffeuer machte die Nachricht vom freundlichen Riesen die Runde im Dorf. Jetzt war alles auf der Suche nach Dralle.

»Hoffentlich finden wir noch Spuren von unserem Freund«, meinte Amira nachdenklich. »Wir haben ja ziemlich viel Staub aufgewirbelt.«

»Das hoffe ich auch«, sagte Öseblöm. Mit seinen scharfen Augen suchte er die Straßen und Gassen des Dorfes ab.

Nach wenigen Augenblicken kreisten sie bereits über der Dorfschule. Dort, auf dem Schulhof, standen noch viele Schüler und Lehrer beisammen und diskutierten über die aufregenden Ereignisse.

Amira setzte zur Landung an. Ein Aufschrei ging durch die Menge, als die Ersten bemerkten, wie die riesige Adlerdame sich näherte. Sofort stoben sie auseinander und machten unseren Freunden Platz. Die Nachricht von den ungewöhnlichen Besuchern hatte sich schon bis hierhin verbreitet.

»Bist Du Öseblöm?«, fragte plötzlich ein kleiner Junge, der vorsichtig aus der Menge heraustrat. Unser Wanderer schaute den Kleinen mit dunklen funkelnden Augen an und lächelte.

»Das ist mein Name«, antwortete er.

Der kleine Junge, etwa so alt und groß wie unser Balthasar, machte nun ein paar Schritte auf unseren Wanderer zu und fragte: »Darf ich auch Dein Freund sein?«

»Wie heißt Du denn, mein Kleiner?«, wollte Öseblöm wissen.

»Max«, antwortete der Kleine. »Na ja, eigentlich Maximilian, aber die meisten rufen mich Maxi.«

»Und wer nennt Dich dann Max?«, fragte Öseblöm neugierig.

»Meine Eltern«, murmelte der Kleine. »Aber nur wenn ich etwas angestellt habe, das klingt dann viel strenger!«

Öseblöm überlegte kurz. »Und was hast Du angestellt, dass Du Dich als Max vorstellst?«

Der kleine Maximilian druckste etwas herum.

»Ich habe nichts angestellt«, widersprach er. »Aber …«

Auf dem Schulhof wurde es still. Plötzlich hätte man eine Stecknadel fallen hören können.

»… Ich habe gesehen, was gestern in der Früh passiert ist«, erklärte Maximilian.

»Aber warum soll ich Dich Max nennen und nicht Maxi?«, fragte Öseblöm. »Das erscheint mir dann aber eine seltsame Freundschaft, wenn Deine Freunde Dich Maxi nennen dürfen und ich Dich so streng ansprechen soll, wie Deine Eltern, wenn Du etwas angestellt hast …«

»Na ja«, antwortete Maxi und wischte sich eine blonde Locke aus dem Gesicht. »Ich habe Deinem Freund nicht geholfen. Ich hatte einfach Angst. Deshalb hielt ich mich hinter dem Gebüsch am Schulzaun versteckt.«

»Das, mein Freund, ist noch lange kein Grund, Dich Max zu nennen«, sagte der Wanderer und verbeugte sich höflich, wie ein Edelmann. »Mein Name ist Vinidi Öseblöm, von Öseblömhausen, Öseblöm und ich freue mich aufrichtig, einen neuen Freund gefunden zu haben.«

Der kleine Maximilian strahlte vor Freude über das ganze Gesicht.

»Und wenn wir schon dabei sind«, fügte Öseblöm hinzu und deutete auf die mächtige Adlerdame neben sich. »Das hier ist Amira, meine Freundin. Sie hilft uns bei der Suche nach Dralle.«

Amira zeigte keine Regung, ihr waren diese Menschenmengen nicht geheuer, aber sie merkte sich das Gesicht des Kleinen. Schließlich konnte es nicht schaden, Freunde zu haben.

»Dann zeig uns jetzt, wo genau Dralle gestanden hat, als er auf die Rüpel traf«, bat Öseblöm seinen neuen kleinen Freund.

Maxi drehte sich um und deutete in Richtung Eingangstor. Die vielen Schüler und Lehrer auf dem Schulhof machten Platz und bildeten eine Gasse. Sofort schritt der kleine Maxi voran, dicht gefolgt von unserem Öseblöm. Amira hingegen hob mit ein paar Flügelschlägen ab und setzte sich oben auf das eiserne Schultor. Hier fühlte sie sich sichtlich wohler.

Draußen, vor dem Eingangstor, blieb Maxi stehen.

»Hier«, sagte er. »Genau hier stand Dralle.«

Öseblöm suchte in dem staubigen Boden nach Spuren. Amira hatte bereits von oben alles abgesucht, aber hier waren einfach zu viele Fußspuren …

»Und Du kannst wirklich Dralles Spuren erkennen?«, zweifelte Maxi. Öseblöm schwieg. Sein Blick glitt über den Boden. Er suchte weiter. – »Ich kann seine Spuren erkennen, ja«, erklärte Öseblöm. »Aber es ist sehr schwer. Hier sind bereits zu viele Menschen entlang gelaufen und haben die Spuren verwischt. Außerdem … «, Herr Öseblöm zögerte ein wenig. »… erzählen die Spuren etwas, das ganz bestimmt nicht passiert ist.« – »Und was?«, fragte Maxi, der außer Staub überhaupt nichts erkennen konnte. – »Den Spuren nach wäre unser Dralle von einem Riesen zertreten worden«, erklärte Öseblöm und schüttelte den Kopf. »Aber zum Glück gibt es ja noch eine Spur.«

Für Euch liebe Kinder ist es jetzt wieder an der Zeit, ins Traumland zu reisen … Darum heißt es nun:

»Gute Nacht und träumt recht schön, schon morgen wird es weiter gehen.«