… die unglaublichen Abenteuer des Herrn Öseblöm –
und seiner Freunde …

Home 9 Gutenachtgeschichten 9 Jahr-01 9 Episode 116

Wald oder Wald

»Ein Tag geht zu Ende und es ist soweit. Ich hoffe sehr, Ihr seid bereit.«

Dann lasst uns nicht länger warten. Schlüpft geschwind unter Eure Decke, macht es Euch wieder so richtig gemütlich. Seit Ihr soweit? Dann schließt jetzt Eure Augen und spitzt Eure Ohren, denn nun verfolgen wir mit, wie sich die Suche nach Dralle entwickelte.

Die Sonne stand bereits tief am Himmel, als Kreszenz antwortete: »Dralle ist im Wald.« Vielleicht hatte er ja ein wenig Dankbarkeit erwartet, denn er wirkte ziemlich überrascht, als er hörte:

»Das wissen wir schon.«

Das kleine Eichhörnchen war wirklich hartnäckig: »In meinem Wald oder im Zauberwald?«

»Zauberwald? Meinem Wald? Was meinst Du?«, fragte Kreszenz, der sich keinen Reim auf die Frage bilden konnte.

»Setz Dich erst einmal zu uns«, lud Lavida den ehemaligen Rüpel ein.

Kreszenz lächelte dankbar und nahm ebenfalls Platz auf der Bank an dem langen Verandatisch. Er wollte wirklich alles tun, um Dralle zu finden.

»Also,« begann Lavida, »unsere Betty meint, dass Dralle vielleicht zu ihrem Wald jenseits des hohen Berges unterwegs sei. Kalle, Malle und Öseblöm jedoch glauben, dass Dralle im Zauberwald sei.«

»Jenseits des hohen Berges? Zauberwald?«, überlegte Kreszenz. »So ein Quatsch!«

»Wie bitte?«, fuhr Kalle dazwischen und wurde gleich etwas schärfer in seinem Ton.

»Entschuldigung«, sagte Kreszenz. »Ich wollte mich nicht im Ton vergreifen. Aber einen Zauberwald gibt es nicht und der hohe Berg ist unüberwindbar, jedenfalls hat das mein Vater gesagt.«

»Und ob es einen Zauberwald gibt!«, rief Balthasar. »Öseblöm und Amira waren ja schon dort. Und auch jenseits des hohen Berges waren sie.«

»Genau«, stimmte Betty zu. »Schließlich wohne ich dort. Ich bin hier nur zu Besuch.«

Kreszenz starrte das kleine Eichhörnchen an. Er hatte noch nie ein Eichkätzchen sprechen hören.

»Du kannst ja sprechen«, staunte Kreszenz.

»Natürlich kann ich sprechen«, entgegnete Betty. »Amira und Don Carlos können auch sprechen. Aber Ihr könnt uns normalerweise nicht verstehen. Das ist nur wegen Öseblöm …«

Kreszenz blickte verlegen zu unserem Wanderer herüber. »Ich verstehe«, sagte er, aber damit wollte er nur sein großes Erstaunen verbergen. Tatsächlich war Kreszenz junior zutiefst geschockt. Ein Riese, zwei Adler und ein abenteuerlicher Wanderer, der zu allem Überfluss auch noch zaubern konnte. Es musste Zauberei sei, wenn jemand mit Tieren sprechen konnte. Außerdem kam er ja wohl aus dem Zauberwald, wo auch immer der sein mochte.

»Wie kommt Ihr denn darauf, dass Dralle im Zauberwald ist?«, fragte Kreszenz.

»Auf dem Weg dorthin, wenn überhaupt«, gab Don Carlos noch einmal zu bedenken, der jetzt seine Zweifel nicht länger zurückhalten konnte.

»Es gab einen Zeugen«, erklärte Öseblöm. »Ein kleiner Junge hatte Euch gestern Morgen beobachtet und mit angehört, wie Du zu unserem Dralle gerufen hast, dass er mit seinem Zauber zurück in den Wald verschwinden solle.«

»Mit seinem Zauber?«, wiederholte Kreszenz und versuchte angestrengt sich zu erinnern. »Ich habe aber überhaupt nichts von einem Zauber gesagt. Von welchem Zauber sollte ich gesprochen haben?«

Jetzt war auch unser Öseblöm verblüfft. Genau, von welchem Zauber sollte Kreszenz auch gesprochen haben?

»Eine gute Frage«, sagte Lavida. »Und was hast Du zu unserem Dralle gerufen?«

Kreszenz stand sein ehrliches Bedauern ins Gesicht geschrieben. »Ich habe ihm gesagt, er solle nicht länger zaudern und endlich wieder in den Wald zurückgehen, wo er schließlich hergekommen sei.«

Stille. Betroffenes Schweigen.

»Wo er hergekommen sei?«, fragte Öseblöm.

Kalle, Malle, Mallewutz und Balthasar nickten nur.

»Ja«, erklärte Kalle. »Es stimmt. Unser Dralle stammt aus dem Wald. Er wurde als Baby einfach im Wald ausgesetzt. Einige Dorfbewohner fanden es zufällig und brachten es zu uns.«

»Aber ihr konntet doch wohl kein Baby aufziehen, oder?«, zweifelte Lavida, die tief bestürzt war über diese Neuigkeiten.

»Nein, natürlich nicht«, begann Kalle, etwas mehr Einblick zu gewähren in die Geschichte unserer fünf Burschen.

»Über viele Jahre hat die Bauernfamilie Rums uns hier betreut. Frau Rums zog uns auf, als wir noch ganz klein waren und wir wurden wie in einer Familie aufgenommen, so gut das ging.«

»Was heißt das, so gut das ging?«, fragte Öseblöm. – »Na ja, der Bürgermeister und mit ihm viele der Dorfbewohner, wollten keine Findelkinder hier im Dorf. Sie meinten das brächte nur Ärger und so bereiteten sie uns immer wieder große Schwierigkeiten«, erzählte Kalle. – »Und was ist jetzt mit Frau Rums?«, wollte Lavida wissen. – »Sie wurde vor einigen Jahren schwer krank«, erklärte Kalle. – »Ist sie etwa …«, fragte Lavida, wurde aber sofort von Kalle unterbrochen. – »Nein, sie ist nicht gestorben. Sie kann nur seit Jahren ihr Bett nicht mehr verlassen. Die Ärzte sind alle ratlos.« – Unser Öseblöm dachte nach. »Und wo ist der Wald, in dem Dralle gefunden wurde?«

Das war wirklich eine gute Frage. Aber für Euch liebe Kinder ist es jetzt erst einmal wieder Zeit für das Traumland … Darum heißt es nun:

»Gute Nacht und träumt recht schön, schon morgen wird es weiter gehen.«