Es wird dunkel
»Der Abend kommt, es ist soweit. Ich hoffe doch, Ihr seid bereit.«
Dann lasst uns nicht länger warten. Schlüpft geschwind unter Eure Decke, macht es Euch wieder so richtig gemütlich. Seit Ihr soweit? Dann schließt jetzt Eure Augen und spitzt Eure Ohren, denn nun verfolgen wir mit, wie sich die Suche nach Dralle entwickelte.
»Ja genau,« sagte Lavida, »in welchem Wald wurde Dralle überhaupt gefunden?«
»Daran bist Du vorbeigekommen, als Du unser Dorf zum ersten Mal besucht hast«, erklärte Kalle. »Der Wald umgibt einen großen Teil unseres Dorfes. Das ich nicht sofort darauf gekommen bin!«
Kalle schüttelte den Kopf über sich selbst.
»Ja, in genau diesem Wald ist Dralle!«, rief Kreszenz. »Nicht in Deinem, nicht in meinem und schon gar nicht in einem Zauberwald. Dralle ist in UNSEREM Wald.«
»Und woher willst Du das wissen?«, fragte Betty.
»Ich weiß es einfach, ich kann es spüren«, erklärte Kreszenz.
Langsam fasste der Sohn des Bürgermeisters Zutrauen, zu sich selbst und zu seinen neuen Freunden.
»Liebe Betty«, sagte da unser Öseblöm. »Auch wenn Du Dir noch so sehr wünschst, dass unser Dralle einmal Deinen Wald kennenlernt, so glaube ich nicht, dass er sich auf einen so gefährlichen Weg begeben hat. Du darfst auch nicht vergessen, dass Du nur deshalb hier sein kannst, weil Dein Freund Don Carlos Dich hierher gebracht hat. Wenn Don Carlos nicht fliegen könnte …«
»… dann wären wir ganz bestimmt nicht hier«, sagte Don Carlos. »Aber ich kann mir ehrlich gesagt überhaupt nicht vorstellen, wie das wäre, nicht fliegen zu können.«
»Wenn wir Dralle noch vor Sonnenuntergang finden wollen, müssen wir uns aber beeilen«, mahnte Kreszenz, der besorgt zum Himmel schaute.
Und tatsächlich war die Sonne gerade dabei, sich langsam zu verabschieden. Mit ihrem rotgoldenen Licht tauchte sie die Veranda in ihr warmes Abendrot. Die Zeit drängte.
»Der Wald ist aber ziemlich groß«, gab Balthasar zu bedenken. »Wo sollen wir da nur anfangen zu suchen. Dralle könnte überall sein. Außerdem kennt sich Dralle bestens aus in UNSEREM Wald. Noch besser als wir alle zusammen. Schließlich hat er schon viel Zeit darin verbracht.«
»Und das erzählt Ihr erst jetzt?«, bemerkte Öseblöm und schüttelte ein wenig seinen Kopf. »Dann müssen wir sofort starten, bevor es ganz dunkel ist. Ich schlage vor, dass Don Carlos, Amira und ich von oben über den Wald fliegen und nach Dralle suchen.«
»Ich will auch mit!«, rief Betty, die endlich eine Gelegenheit sah, sich nützlich zu machen.
»Ich helfe selbstverständlich auch«, sagte Handan, der Riese von Wurzelbruck.
Mallewutz und Balthasar warteten nicht länger, sprangen von den Bänken auf, huschten schnell die Verandatreppe herunter und kletterten dem Riesen von Wurzelbruck auf die Schulter.
Kalle und Malle machten sich ebenfalls bereit. Nur unser neuer Freund, Kreszenz, saß noch auf der Bank und blickte unsicher in die sich auflösende Runde.
»Ich möchte auch mitkommen«, bat er leise.
Da kam auch schon die kräftige Hand des Riesen und packte den Burschen.
»Natürlich kommst Du auch mit«, sagte Handan. »Wir können jede Hilfe gebrauchen.« Damit setzte er Kreszenz neben Balthasar auf seiner Schulter ab.
»Ich werde wieder hier warten«, erklärte Lavida und stellte von Neuem eine Kerze auf den Tisch. »Es könnte ja sein, dass Dralle zurückkehrt, während Ihr ihn sucht. Dann sollte er nicht ein verlassenes Haus vorfinden.«
Amira und Don Carlos erhoben sich rasch in die Lüfte. Öseblöm und die kleine Betty mussten sich gut festhalten, denn die Adler hatten es eilig. Sie wussten, dass sie bei Eintritt der Dunkelheit wieder zurück sein mussten. Ein Adler ist eben keine Eule …
Aber die Sonne folgte ungerührt ihrer Bahn und war bereits zur Hälfte am Horizont verschwunden. Die ersten Sterne schimmerten schon am Himmel, der sich unaufhaltsam tiefblau färbte.
Mit seinen Wanderstiefeln war der Riese von Wurzelbruck ziemlich schnell, sogar schneller als eine Lokomotive, wenn es sein musste. Aber er konnte kaum wie eine Dampfwalze durch den Wald rennen, das wäre keine gute Idee gewesen.
»Da lang«, sagte Mallewutz. »Lasst uns dort beginnen, wo Dralle damals gefunden wurde.«
Der Riese von Wurzelbruck folgte der Wegbeschreibung. Kalle und Malle hatten dieselbe Idee, sie waren nur langsamer als Handan.
»Halt, hier ist es!«, rief Balthasar, als sie den Waldrand erreichten. Ein schmaler Trampelpfad gab hier den Weg frei und führte mitten durch diesen freundlichen Wald. Handan setzte seine Begleiter sanft am Boden ab. Als Riese konnte er leicht über die Bäume schauen.
»Das ist aber ein großer Wald«, stellte er fest. – »Hab ich doch gesagt«, meinte Balthasar. »Und jetzt haben wir ein Problem.« – In diesem Augenblick wurde es dunkel. Die Sonne war verschwunden und das Glitzern der fernen Sterne ließ in unseren Abenteurern ein Gefühl der Einsamkeit aufkommen. – »Was sollen wir jetzt machen?«, fragte Mallewutz. »Und wo sind Amira und Don Carlos?« – »Und was ist mit Kalle und Malle?«, fragte Kreszenz. Der Sohn des Bürgermeisters fragte sich noch viel mehr, ja, er machte sich jetzt richtig Vorwürfe. Aber das half alles nichts, es war einfach dunkel.
Für Euch liebe Kinder ist es jetzt erst einmal wieder Zeit für das Traumland … Darum heißt es nun:
»Gute Nacht und träumt recht schön, schon morgen wird es weiter gehen.«