Lichter von Freunden
»Es ist soweit, seid Ihr bereit?«
Dann kann es ja gleich weitergehen. Aber bitte zuerst ins Bett, gut zudecken und so richtig kuscheln, dann schließt wieder Eure Augen und spitzt Eure Ohren, denn Ihr erinnert Euch noch? Im freundlichen Wald tat es einen markerschütternden Schrei …
Unsere Freunde fuhren herum. Ihre Schatten tanzten im Schein der Fackeln und so war es schwer, etwas auszumachen.
»Was ist passiert?«, rief Kalle. Er konnte nicht viel erkennen.
Auch unser Öseblöm versuchte herauszufinden, was los war. Der Schrei war so laut, dass selbst der Riese Handan und die beiden Adler ihn hören konnten. Einzig die kleine Betty war schnell und wendig genug, um an der kleinen Karawane entlang zu huschen und nachzuschauen, was um alles in der Welt hinter ihnen geschehen war. Doch was sie erblickte, ließ ihr den Atem stocken.
Eine kleine gedrungene Gestalt, dunkel und gefährlich, hatte sich auf Kreszenz gestürzt und ihn zu Boden geworfen. Der Sohn des Bürgermeisters fiel auf sein Rücken und schlug mit dem Hinterkopf auf dem Boden auf. Kreszenz war viel zu überrascht, als dass er sich hätte wehren können. Einen freundlichen Wald hatte er sich anders vorgestellt!
Die gedrungene Gestalt jedoch ließ nicht von ihm ab, saß jetzt auf seiner Brust und nahm ihm den Atem. Dabei schlug sie wieder und wieder auf ihn ein.
»Öseblöm, komm schnell!«, rief die kleine Betty um Hilfe.
Unser Abenteurer schaute kurz auf seine Wanderstiefel Dix und Dax, stellte seine Füße kerzengerade nebeneinander und schon sprangen die Stiefel im hohen Bogen durch den Wald, natürlich mit Öseblöm, versteht sich. Solche Wanderstiefel können ganz schön praktisch sein.
Mit zwei, drei großen Sprüngen erreichte Öseblöm Kreszenz, der sich nicht mehr selbst befreien konnte und jämmerlich nach Luft schnappte.
Im Gegensatz zu Betty verstand Öseblöm sofort, was passiert war. Mit einem raschen Griff packte er die dunkle Gestalt an der Schulter und zog sie, eher sanft als ruppig, langsam zurück.
Wieder ertönte dieser markerschütternde Schrei. Rasch jedoch wandelte er sich in lautes Heulen und endete schließlich in einem leisen Wimmern.
»Beruhig Dich, mein Freund«, sagte Öseblöm mit sanfter Stimme und zog die Gestalt zu sich, nahm sie in den Arm und streichelte behutsam ihren Kopf. »Es wird alles gut.«
Kreszenz aber drehte sich sogleich auf die Seite und tat einen tiefen Atemzug. Sein Kopf dröhnte, sein Rücken schmerzte und er konnte in der Dunkelheit nicht wirklich ausmachen, was überhaupt passiert war.
»Wir müssen nicht länger suchen«, sagte Öseblöm zu den anderen, die mittlerweile einen kleinen Kreis um unseren Abenteurer gebildet hatten.
»Dralle!«, rief Kalle erleichtert. »Bin ich froh, dass wir Dich gefunden haben!«
Jetzt traten auch Mallewutz und Balthasar an den jungen Burschen heran, der in Öseblöms Arm lag und still vor sich hin schluchzte. Dralle verkroch sich regelrecht in Öseblöms Arm und beruhigte sich nur langsam.
Kreszenz hingegen stand bereits wieder auf den Beinen. Zwar tat ihm noch alles weh, aber er konnte wieder stehen und gehen und jetzt verstand auch er … Dralle hatte ihn wohl erkannt.
»Entschuldigung«, sagte Kreszenz.
»Nicht jetzt«, flüsterte Öseblöm und gab Kreszenz ein Zeichen, besser ruhig zu bleiben.
»Das geschieht mir ganz recht«, meinte Kreszenz und stellte sich ein wenig abseits der Gruppe.
Balthasar fühlte sich hin und her gerissen. Ohne Kreszenzs Hilfe hätten sie im falschen Wald gesucht. Und das wollte Balthasar nicht vergessen. Nach kurzem hin und her seiner Gefühle gesellte er sich zu Kreszenz und reichte ihm die Hand. Genau in diesem Augenblick erloschen die Fackeln und unsere Freunde standen in vollkommener Dunkelheit.
»Na bravo«, sagte Malle. »Das hat uns gerade noch gefehlt.«
»Und was machen wir nun?«, fragte Mallewutz. »Ich bin doch keine Eule.«
»Wir warten«, erklärte Kalle. Seine Freude darüber, dass Dralle endlich gefunden war, überwog die Sorgen wegen der Dunkelheit.
»Müssen wir die ganze Nacht warten?«, fragte Balthasar.
»Keine Angst«, flüsterte Kreszenz. »Der Mond geht gleich auf, dann können wir wenigstens Konturen erkennen.«
»Ganz genau«, sagte Kalle, der Kreszenz flüstern gehört hatte. »Wir warten, bis der Mond aufgeht.«
Währenddessen war unser Dralle in Öseblöms Arm eingeschlafen.
»Die Zeit des Wartens ist vorbei!«, ertönte eine Stimme aus der Ferne. Dann tauchte ein erstes Licht auf. Es war der Bürgermeister mit einer Fackel. Aber Kreszenz senior war nicht allein! Das halbe Dorf war zusammengekommen, um bei der Suche nach Dralle zu helfen. Alle hatten große Fackeln dabei und so wurde es heller und heller in dem freundlichen Wald. – »Herr Bürgermeister, Sie hier?«, rief Kalle voller Erstaunen. – »Ja, mein junger Freund«, antwortete der Bürgermeister. »Ich habe einen schweren Fehler begangen und es wird Zeit, dass wir das wieder gut machen. Deshalb habe ich alle im Dorf gebeten, mir bei der Suche zu helfen. Lasst uns als Freunde nach Hause gehen.«
Doch für Euch liebe Kinder ist es jetzt wieder Zeit, ins Traumland zu reisen … Darum heißt es nun:
»Gute Nacht und träumt recht schön, schon morgen wird es weiter gehen.«