… die unglaublichen Abenteuer des Herrn Öseblöm –
und seiner Freunde …

Home 9 Gutenachtgeschichten 9 Jahr-01 9 Episode 124

Mama Rums

»Seid Ihr wieder bereit? Es ist soweit.«

Dann wollen wir keine Zeit verlieren. Hüpft ganz schnell in Euer Bett und deckt Euch gut zu. Bitte jetzt wieder die Augen schließen … Spitzt Eure Ohren …, damit wir gemeinsam erleben können, wie es auf der gemütlichen Veranda weiterging.

»Du kennst den heiligen Berg?«, fragte Dralle. »Dann gibt es ihn wirklich?«

»Oh ja«, antwortete Kasran mit seiner Singsang-Stimme. »Die Legenden um Mantara haben einen wahren Kern.«

»Dann könnte Mama Rums dort geheilt werden?«, fragte Balthasar, der sich ebenfalls große Sorgen machte.

»Möglicherweise«, antwortete Kasran. »Doch das liegt nicht in unserer Hand.«

»Wenn es so weit weg ist, wie Dalin sagt, werden wir es wohl nicht schaffen«, warf Mallewutz ein. »Oder kann Mama Rums etwa ihr Bett verlassen und eine so weite Reise unternehmen?«

Bauer Rums schüttelte nur traurig seinen Kopf.

»Dann ist es wohl zu spät«, sagte er.

Die kleine Pimpinelle begann leise zu weinen und Kreszenz machte sich schwere Vorwürfe, dass sein Vater und er selbst der Familie Rums so viel Schwierigkeiten bereitet hatten.

»Wenn ich tauschen könnte, so würde ich meine Gesundheit geben«, sagte er mehr zu sich selbst, aber alle auf der Veranda hörten seine Worte.

Unser Öseblöm stand auf und legte seine Hand auf Kreszenzs Schulter.

»Du hast ein gutes Herz«, sagte er.

»Es wird nicht alles gut«, sagte Kreszenz und eine Träne lief seine Wangen herunter.

Bauer Rums war tief gerührt, als er sah, dass der Sohn des Bürgermeisters es ehrlich meinte, trotzdem war es ihm schwer ums Herz.

»Es wird Zeit«, sagte plötzlich das Lichtwesen.

»Zeit?«, fragte Öseblöm.

»Ja, es wird Zeit«, wiederholte Kasran. »Pimpinelle und ihr Vater sollten sich jetzt verabschieden.«

»Aber sie dürfen ruhig noch etwas bei uns bleiben«, meinte Balthasar, der noch nicht verstand.

»Es wird Zeit, dass sich die beiden von Mama Rums verabschieden«, erklärte Kasran.

Dann erhob er sich und schwebte langsam von der Veranda herunter.

»Du auch, Öseblöm«, sagte das Lichtwesen und gab unserem Wanderer ein Zeichen, mitzukommen.

Der Bauer stand auf, nahm seine Tochter bei der Hand und folgte dem Licht. Öseblöm hielt sich dicht bei ihnen. Auf der Veranda aber wurde es dunkel. Sofort sprang Lavida auf und besorgte ein paar Kerzen. Nun saßen die Burschen zusammen mit ihren Gästen und Freunden still beieinander.

Dalin zog abermals seine Flöte hervor und spielte wieder sein Lied, aus einer fernen Zeit von einem fernen Ort …

Bauer Rums versuchte gefasst zu bleiben. Nun war es also soweit, dass er sich von seiner Frau verabschieden sollte. Er drückte die Hand seiner Tochter noch etwas fester.

Pimpinelle war unendlich traurig. Nun sollte sie so allein sein, wie die Burschen in dem Burschenhaus. Nicht ganz, denn immerhin hatte sie ja noch ihren Papa, dennoch, es war ihr, als würde eine eiserne Hand ihr kleines Herz zerdrücken.

»Ihr müsst nicht traurig sein«, versuchte Öseblöm die beiden zu trösten. »Es wird alles gut, bestimmt.«

Nach kurzer Zeit erreichten sie den Hof des Bauern. Schnell betraten sie das Haus, stiegen die Stufen empor zum Schlafzimmer und hielten vor der Tür noch einmal kurz inne. Dann klopfte der Bauer dreimal an die Tür, so wie er es immer gemacht hatte, und betrat als Erster das Zimmer. Die anderen folgten ihm. Als letztes schwebte Kasran leicht wie eine Feder in das kleine Zimmer.

Sein Leuchten erfüllte den ganzen Raum bis in den letzten Winkel.

Im Bett lag Mama Rums. Die unbekannte Krankheit hatte sie stark geschwächt. Ihr sonst leuchtend rotes Haar hatte seine Strahlkraft verloren. Blass und mit müdem Blick schaute sie auf ihren Mann und ihre Tochter. Als sie die beiden erkannte, lächelte sie noch einmal.

Jetzt drängte die Zeit und unser Öseblöm hatte verstanden, mit zwei Schritten stand er am Fenster und öffnete beide Fensterflügel so weit wie nur möglich. Kasran trat nun an das Bett heran.

»Es ist Zeit, Miriam Rums«, sagte er und lächelte.

Der Bauer und seine Tochter hatten Tränen in den Augen. Mama Rums nickte nur. Sie war bereit.

In diesem Augenblick erklang, wie aus weiter Ferne, die Melodie des Zwergenliedes. Kasrans Licht umhüllte den Körper der schwerkranken Bauersfrau, dann hob er sie sanft in die Luft. – »Was, was …?«, stammelte Bauer Rums. – »Wenn Ihr erlaubt, bringe ich Mama Rums jetzt nach Mantara, zum heiligen Berg.« – Der Bauer und seine Tochter konnten es nicht fassen. All die Last der vergangenen Jahre fiel plötzlich von ihnen ab. Tränenüberströmt standen sie da. – »Aber ich kann Euch nichts versprechen«, sagte Kasran, während er mit Mama Rums zum Fenster hinaus schwebte. Ein kurzer Moment noch, dann waren sie mit einem gewaltigen Lichtblitz verschwunden. Zurück blieb ein riesig leuchtender Regenbogen am Himmel, der vom Hof bis zum Burschenhaus reichte und nur langsam verblasste.

Für Euch ist  jetzt die Zeit gekommen, ins Traumland zu reisen … Darum heißt es nun:

»Gute Nacht und träumt recht schön, schon morgen wird es weiter gehen.«