Ein neuer Hut
»Seid Ihr aufs Neue bereit? Es ist soweit.«
Dann seid Ihr schon im Bett? Wirklich? Und zugedeckt seid Ihr auch schon? Was fehlt dann noch? Richtig – schließt jetzt Eure Augen und öffnet wieder Eure Ohren, denn wir wollen doch alle wissen, wie es weiter ging mit unseren Freunden, nicht wahr?
»Oho, aah, schaut mal …!«, rief Balthasar, als ein gewaltiger Regenbogen am Nachthimmel erschien.
Kreszenz und die fünf Burschen standen und saßen mit offenem Mund da. Sie hatten schon oft einen Regenbogen gesehen, aber mitten in der Nacht? Es war dunkel draußen.
»Was ist das?«, fragte Mallewutz.
»Ein Regenbogen«, antwortete Kalle.
»Es sieht zumindest so aus, wie ein Regenbogen«, sagte Lavida, die ebenfalls ziemlich überrascht war über das seltsame Ereignis am Himmel.
»Was hat das zu bedeuten?«, fragte Malle.
»Kasran hat es wohl eilig«, bemerkte Kalle trocken.
Dalin, der Zwerg, saß noch immer im gemütlichen Schaukelstuhl und schmunzelte.
»Oh, ja«, sagte er erleichtert. »Jetzt wird alles gut.«
»Das da oben ist Kasran?«, fragte Balthasar. Der Kleine konnte sich das überhaupt nicht vorstellen.
»Nein, das ist nur die Spur, die er hinterlassen hat«, erklärte Kalle. »Ich schätze, er ist bereits am heiligen Berg angekommen …«
»… und er hat Mama Rums mitgenommen«, ertönte eine Stimme.
Es war Öseblöm, der zurück war und jetzt auf den Verandastufen stand.
»Öseblöm!«, riefen Mallewutz und Balthasar aus einem Mund. Beide waren freudig aufgesprungen und nahmen ihren Freund ganz fest in den Arm. Freude und große Erleichterung breiteten sich auf der Veranda aus, am meisten allerdings bei Kreszenz junior. Der hatte sich ja große Vorwürfe gemacht, ob seines früheren Verhaltens, aber die fünf Burschen hatten ihm längst verziehen.
»Sollten wir nicht langsam ins Bett gehen?«, fragte Öseblöm. »Es ist schon spät.«
»Ich kann jetzt überhaupt nicht schlafen«, sagte Balthasar.
»Ich auch nicht«, stimmten Kalle, Malle, Dralle und auch Mallewutz einer nach dem anderen überein.
Selbst Lavida, die sonst immer darauf achtete, dass unsere Burschen rechtzeitig zu Bett gingen, wollte heute eine Ausnahme machen. Zuviel war geschehen, als dass man einfach so zur Tagesordnung übergehen konnte.
»Und Du lieber Kreszenz, musst Du nicht langsam nach Hause gehen?«, fragte Öseblöm.
»Eigentlich schon …«, antwortete Kreszenz so leise, dass man ihn kaum verstehen konnte. »Aber …«
»Du darfst uns ja gleich morgen wieder besuchen«, sagte Öseblöm mit fester Stimme.
»Hältst Du es für eine gute Idee, den Jungen allein durch die Nacht zu schicken?«, wandte Lavida ein. »Ich finde Kreszenz sollte heute bei uns übernachten. Der Bürgermeister wähnt seinen Sohn in unserer Obhut, meinst Du nicht?«
Öseblöm kratzte sich am Kinn und dachte nach. Zwar war er überzeugt davon, dass Kreszenz junior nichts zustoßen würde auf seinem Heimweg, aber er verstand auch Lavidas Besorgnis.
»Da magst Du recht haben, Lavida«, gab der Wanderer nach. »Dann soll es so sein.«
Als unser Öseblöm Balthasars strahlenden Blick bemerkte, wusste er, dass es eine gute Entscheidung war. Also machten es sich noch einmal alle an dem langen Tisch auf der Veranda gemütlich.
»Hast Du eigentlich Deinen Hut wieder zurück?«, fragte Mallewutz, der insgeheim froh war, dass sich wenigstens die Wanderstiefel wieder eingefunden hatten.
»Ein Baum mit Hut ist auch ganz gut …«, meckerte Amira, die mit Öseblöms Entscheidung nicht ganz einverstanden war.
Unser Wanderer lachte nur laut.
»Ein Baum mit Hut …?«, fragte Balthasar und freute sich schon auf die nächste Abenteuergeschichte.
»Stimmt genau«, lachte Öseblöm. »So ist es. Im Zauberwald gibt es jetzt einen jungen Baum, der meinen grünen Jägerhut trägt. Mitten auf seiner Baumspitze, ganz oben.«
»Was will denn der Baum mit einem Jägerhut?«, fragte Kreszenz, der ja noch nicht in alle kleinen Geheimnisse unseres Wanderers eingeweiht war.
»Ich schätze, es geht ihm da wie mir«, vermutete Don Carlos. »Solange ich Öseblöms Halstuch trage, kann ich, genau wie Öseblöm selbst, mit allen Pflanzen, Tieren und auch Menschen sprechen. Ich kann sie verstehen und sie verstehen mich …« – Kreszenz kam aus dem Staunen nicht mehr heraus. »Aber dann hast Du ja gar keinen Hut mehr«, stellte er fest und fügte hinzu: »Wenn Du immer gleich jedem Deine Sachen überlässt, läufst Du bald völlig nackt herum!« – Bei diesem Gedanken prusteten alle los. Der kleine Balthasar hingegen stand auf, rannte kurz in sein Zimmer und kam mit einer lustigen roten Capi Mütze wieder zurück. »Die schenke ich Dir«, sagte er und reichte sie unserem Abenteurer. »Es ist zwar kein Jägerhut, aber sie hält den Kopf warm und im Sommer schenkt Sie Deinen Augen ein bisschen Schatten.« – Vinidi Öseblöm war tief gerührt über das Geschenk. »Ich danke Dir, mein Freund«, sagte er, nahm die Mütze und probierte sie gleich an. Lustig sah sie aus und passte genau zwischen seine großen Ohren.
Für Euch ist es jetzt an der Zeit, ins Traumland zu reisen … Darum heißt es nun:
»Gute Nacht und träumt recht schön, schon morgen wird es weiter gehen.«