… die unglaublichen Abenteuer des Herrn Öseblöm –
und seiner Freunde …

Home 9 Gutenachtgeschichten 9 Jahr-01 9 Episode 130

Öselblöd

»Ich hoffe sehr, Ihr seid bereit!«

Dann wollen wir gleich wieder zur Veranda unserer Burschen. Aber zuvor müsst Ihr Euch noch gut zudecken. Macht es Euch wieder so richtig gemütlich. Zuerst schließt bitte die Augen. Und jetzt spitzt Eure Ohren, denn unser Öseblöm lüftet nun sein kleines Geheimnis …

Die Sonne stand schon tief am Horizont. Das gemeinsame Abendessen war eine besonders gute Gelegenheit, sich auszutauschen. Öseblöms Zettel ging von Freund zu Freund. Alle saßen sie da mit großem Staunen und vielen Fragen.

»Aber da hättest Du doch nur warten müssen!«, rief Balthasar.

»Genau«, stimmte Mallewutz zu. »Vielleicht sind Deine Eltern schon lange zurück und machen sich große Sorgen, weil jetzt Du verschwunden bist.«

Öseblöm schüttelte nur traurig seinen Kopf.

»Ich habe ja gewartet«, sagte er.

»Bestimmt nicht lang genug«, vermutete Mallewutz. »Wenn meine Eltern mir so etwas geschrieben hätten …, ICH hätte einfach gewartet!«

»Das ist die Frage«, sagte Kalle nachdenklich. Er versuchte sich hineinzufühlen, wie lange er selbst wohl gewartet hätte.

»Nachdem meine Eltern nicht mehr zurückkamen, war ich der letzte Öseblöm in Öseblömhausen«, erklärte unser Wanderer.

»Wie lange hast Du gewartet?«, fragte Balthasar und rückte dicht an seinen Freund heran.

»Sehr lange«, antwortete Öseblöm. »Es sprach sich schnell herum, dass meine Eltern verschwunden seien. Und dann kamen die ersten Kinder, die mich verspotteten.«

»Wie bitte?«, fragte Kalle empört. »Und was haben Deine Freunde dazu gesagt?«

»Meine Freunde …?«, erinnerte sich Öseblöm. »Meine Freunde stellten plötzlich fest, dass ich anders aussah. Sie waren halt gewöhnliche Menschen; ich war das nicht.«

»Und dann?«, fragte Malle.

»Es wurde schlimmer«, berichtete Öseblöm. »Meine Freunde zogen sich zurück und Abend für Abend versammelten sich die Dorfkinder vor meiner Haustür. Sie riefen immerzu: »Öselblöd ist ganz allein, kommen keine Eltern heim …!«

»Das ist ja gemein!«, rief Kreszenz voller Entrüstung.

Unsere fünf Burschen blickten alle voller Verwunderung zum Sohn des Bürgermeisters. Erinnerten sie sich doch gut daran, dass Kreszenz selbst noch vor Kurzem Ähnliches gemacht hatte.

»Ist doch wahr«, sagte Kreszenz, dem es wieder unendlich leidtat, was er seinen neuen Freunden einst angetan hatte.

»Und die Erwachsenen haben nicht eingegriffen?«, fragte Kalle. »Man hätte mal ein ernstes Wort mit den Bürschchen reden sollen.«

»Nein, die Erwachsenen ließen sich nicht blicken. Es kümmerte sie nicht. Ich war ja nicht mehr so klein und sie dachten, ich könne das allein regeln. Aber ich war noch jung und unerfahren. Zu der Zeit war ich noch kein Abenteurer.«

»Und wie lange ging das so?«, erkundigte sich Balthasar mitfühlend.

»Nun, tagsüber ging ich zur Arbeit. Das lenkte mich ab«, fuhr Öseblöm fort.

»Was hast Du gearbeitet?«, unterbrach Mallewutz.

»Ich wollte einmal Jäger werden und deshalb war ich bei einem richtigen Jäger in der Schule. Der hat mir alles über die Jagd beigebracht.«

»Konnte der Dir nicht helfen?«, fragte Balthasar.

»Vielleicht hätte er es gekonnt, aber er wusste ja nicht, wie schlimm es war«, erklärte Öseblöm. »Ich habe ihm nicht viel erzählt.«

»Das hättest Du besser tun sollen«, bemerkte Dralle, der aus seiner eigenen Erfahrung gelernt hatte. Nie wieder wollte Dralle seine Sorgen einfach nur für sich behalten.

»Da magst Du recht haben«, sagte Öseblöm und griff diesen Gedanken auf. »Aber irgendwie hatte auch alles sein Gutes. Ich wäre zum Beispiel nicht hier und wir hätten uns nie kennengelernt …«

»Das stimmt«, sagte Balthasar und war sehr erstaunt über diesen Gedanken. »Aber wie ging es nun weiter in Eurem Dorf?«

»Nach etwa vier Wochen wurde es noch schlimmer«, nahm Öseblöm einen neuen Anlauf zu erzählen. »Plötzlich riefen die Kinder nicht nur »Öselblöd ist ganz allein, kommen keine Eltern heim …«, sondern auch noch »Öseblöd soll gehn‘, wir woll‘n ihn nicht mehr seh’n!«

»Na, denen sollte man einmal die Ohren lang ziehen!«, stieß Kreszenz sichtlich verärgert hervor.

»Das ist vielleicht keine schlechte Idee«, sagte Öseblöm. »Aber alles zu seiner Zeit. Ich hatte jedenfalls keine Hoffnung mehr, dass meine Eltern zurückkommen. Eher glaubte ich, dass ihnen unterwegs etwas zugestoßen ist. Also packte ich meine Sachen und machte mich auf den Weg. Zu dem Zeitpunkt konnte ich ja nicht wissen, was für Abenteuer mich erwarteten.«

Für Euch, liebe Kinder, ist es jetzt an der Zeit, ins Traumland zu reisen … Darum heißt es nun:

»Gute Nacht und träumt recht schön, schon morgen wird es weiter gehen.«