… die unglaublichen Abenteuer des Herrn Öseblöm –
und seiner Freunde …

Home 9 Gutenachtgeschichten 9 Jahr-01 9 Episode 132

Nest ohne Adler

»Ich hoffe sehr, Ihr seid soweit. Die nächste Geschichte steht bereit!«

Gleich am nächsten Abend saßen unsere Freunde wieder auf der Veranda … Und wenn Ihr jetzt ganz schnell ins Bett geht, dann können auch wir ein bisschen lauschen, den abenteuerlichen Erzählungen unseres Herrn Öseblöm. Also …, gut zudecken, schließt Eure Augen und spitzt Eure Ohren und schon kann es losgehen.

Die Sonne stand bereits tief am Horizont, als unsere Freunde es sich wieder auf der Veranda gemütlich machten. Heute hatte Kalle von der köstlichen Limonade ausgeschenkt, die den Abend noch ein wenig entspannter werden ließ.

»Das schmeckt aber wunderbar«, lobte Dalin, nachdem er einen ersten Schluck probiert hatte. »So etwas Feines habe ich noch nie getrunken, und ich bin wirklich weit gereist in meinem Leben.«

»Danke«, sagte Kalle und fühlte sich geschmeichelt.

»Wie ging es weiter?«, fragte Balthasar unseren Wanderer. Der kleine Bursche wartete schon den ganzen Tag ganz ungeduldig auf diesen Abend.

»Ist es nicht gefährlich, ein Adlerbaby anzufassen?«, wollte Kreszenz wissen. »Ich hörte, das sei sogar lebensgefährlich.«

»Nein«, antwortete Öseblöm. »Das Baby selbst war ja hilflos. Gefährlich war etwas ganz anderes, aber das sollte ich erst später feststellen.«

»Ich beugte mich also zu dem Federbündel herunter und hob es behutsam vom Boden auf. Mit sanfter Stimme versuchte ich, das Kleine zu beruhigen.«

»Konntest Du eigentlich schon immer mit Tieren sprechen?«, unterbrach Mallewutz, der sich gerade vorstellte, wie Öseblöm auf das Adlerbaby einsprach.

»Ja«, antwortete Öseblöm. »Soweit ich weiß, können alle Öseblöms mit Tieren sprechen. Das war schon immer so. Allerdings bin ich der Einzige, der auch mit Pflanzen reden kann. Jedenfalls ist mir noch niemand begegnet, der das auch so kann.«

»Kannst Du noch mehr als das?«, fragte Kreszenz. Dem Sohn des Bürgermeisters erschien es immer noch wie Zauberei, nur das er keine Angst davor haben musste.

Öseblöm nickte ein wenig mit seinem Kopf hin und her, was ein Ja aber auch ein Nein bedeuten konnte. Der Abenteurer ließ die Frage einfach unbeantwortet und fuhr fort mit seiner Erzählung:

»Nur langsam beruhigte sich das kleine Vogelbaby und sein Wimmern endete in leisem Schluchzen. »Was ist geschehen?« , fragte ich und streichelte es zärtlich im Nacken. «

»Ich weiß nicht«, antwortete das Adlerbaby.

»Wie bist Du denn hier heruntergekommen?«, wollte ich wissen. »Ich weiß es nicht.«

»Die Antworten des Adlerbabys waren nicht sehr hilfreich. Also schaute ich mich um, ob ich nicht irgendwo sein Nest entdecken konnte.«

»So viele Nester wird es ja wohl nicht gegeben haben«, meinte Malle.

»Das stimmt nicht ganz«, erklärte Öseblöm. »Im Wald fanden sich viele Vogelnester. Die Frage war nur, welches von ihnen einem Adler gehörte. Hast Du denn schon einmal ein Adlernest gesehen?«

Malle schüttelte etwas betreten den Kopf.

»Siehst Du,« meinte Öseblöm, »ich auch nicht! Jedenfalls bis zu jenem Tag.«

»Daher schaute ich mich um und versuchte bis zu den Baumkronen emporzuschauen. Ich erkannte mehrere Nester, aber auf dem höchsten Baum, ganz oben in der Baumspitze, war das größte Nest von allen. Das musste es sein. Ich griff mir also mein Seil …«

»Du hattest auch ein Seil dabei?«, unterbrach diesmal Kalle.

»Ja, zu der Zeit schon«, erklärte Öseblöm.

»Und wo ist das Seil jetzt?«, wollte Kalle wissen, der sich nicht erinnern konnte, dass Öseblöm bei seiner Ankunft hier ein Seil dabei gehabt hätte.

»Das ist eine andere Geschichte«, lächelte Öseblöm. »Zu der kommen wir später. Also …, zuerst packte ich das Adlerbaby behutsam in mein Halstuch und band es mir um den Bauch. Dann griff ich mein Seil und befestigte an seinem Ende einen Pfeil. Mit meinem Bogen schoss ich das Seil hoch in die Baumkrone, dicht unterhalb des riesigen Nestes. Daran konnte ich langsam nach oben klettern.«

»Das war aber auch gefährlich«, stellte Balthasar fest. »Was, wenn Du heruntergefallen wärst?«

»Dann wäre ich vermutlich nicht hier«, sagte Öseblöm und fand im Nachhinein selbst, dass das eine ganz schön mutige Aktion war.

»Wie konntest Du wissen, dass es das richtige Nest war, also das Adlernest?«, wollte Kreszenz wissen.

»Das konnte ich nicht vorher wissen«, gab Öseblöm zu. »Ich musste nach oben, um nachzuschauen.« – »Hättest Du den Adler nicht so lange unten lassen können?«, fragte Mallewutz. »Dann wärest Du doch viel schneller oben gewesen, oder nicht?«

»Das ist wohl wahr«, erklärte Öseblöm. »Aber ich vergaß zu erwähnen, dass unten im Gebüsch bereits ein Fuchs lauerte. Der hätte in dem Adlerbaby eine leichte Beute gefunden. Ich kam also gerade rechtzeitig an.« – »Und war es das richtige Nest?«, wollte Kalle wissen. – »Ja, Gott sei Dank«, antwortete Öseblöm. »Es war das Adlernest, aber weit und breit war kein Adler zu sehen. Daher nahm ich das Baby und setzte es ganz vorsichtig wieder in sein Nest. Ich hatte nie zuvor ein so freudiges Federbüschel gesehen, das ein wenig tollpatschig hin und her stapfte und immer wieder danke, danke, danke! rief.«

Für Euch, liebe Kinder, ist es jetzt wieder an der Zeit, ins Traumland zu reisen … Darum heißt es nun:

»Gute Nacht und träumt recht schön, schon morgen wird es weiter gehen.«