… die unglaublichen Abenteuer des Herrn Öseblöm –
und seiner Freunde …

Home 9 Gutenachtgeschichten 9 Jahr-01 9 Episode 138

Das Waldvolk

»Ich hoffe, Ihr hattet einen schönen Tag?!«

Dann wollen wir den jetzt wie immer mit einer Gutenachtgeschichte beschließen. Also, zuerst müsst Ihr Euch gut zudecken, in Eurem Bett versteht sich … Nun heißt es wieder Augen zu und Ohren auf, denn unser Öseblöm berichtet weiter von seinem Abenteuer in dem geheimnisvollen Wald …

»Das klingt ja richtig unheimlich«, bemerkte Balthasar. »Überall dieses Flüstern …«

»Ja genau,« sagte Mallewutz, »und Menschen, die sich wie Bäume anmalen, damit sie unsichtbar werden.«

»Also ich fände unsichtbar sein gar nicht so schlecht«, dachte Kreszenz laut hörbar nach. »Da könnte man heimlich dem Lehrer über die Schulter schauen.«

»Man könnte sogar noch viel mehr machen, wenn man richtig unsichtbar wäre«, stellte Kalle fest. »Aber die Menschen dort in dem Wald mussten ja absolut stillstehen, um fast unsichtbar zu sein. Und wenn Du still an einer Wand stehst, kannst Du einem Lehrer auch nicht über die Schulter schauen, nicht wahr?«

Kreszenz dachte darüber nach.

»Stimmt«, sagte er. »Aber wirklich unsichtbar sein …, das wäre schon was.«

»Und wie ging es jetzt weiter?«, wollte Balthasar wissen.

Öseblöm dachte gerade kurz an Kasran, der ja wirklich echt unsichtbar sein konnte, zumindest bei Tageslicht, aber er erwähnte seinen Freund nicht, jedenfalls nicht jetzt.

»Nun«, fuhr er mit seiner Erzählung fort. »Ich versuchte dem Waldmenschen zu folgen, aber stolperte immer wieder über herumliegende Äste. Ohne Wanderstiefel, war es recht beschwerlich Schritt zu halten. Und dann kam es, wie es kommen musste. Wieder einmal stolperte ich, diesmal war es ein kleines Erdloch im Waldboden. Als ich mich endlich berappelt hatte, war kein Waldmensch mehr zu sehen. Weit und breit nur Bäume, kein Weg, kein Trampelpfad, einfach nur wilder unbegrenzter Wald. Ich suchte wirklich alles ab, drehte mich mehrfach im Kreis, aber …«

»Die haben Dich in eine Falle geführt!«, stellte Malle fest.

Dalin saß derweil in seinem Schaukelstuhl und hatte, wie immer, seine Augen halb geschlossen. Über seine Mundwinkel glitt jedoch ein leises Schmunzeln. Er schien die Waldmenschen zu kennen …

»Nein, nein«, sagte Öseblöm. »Es war keine Falle. Ich denke, sie glaubten, dass ich eigentlich schneller sei. Aber wie gesagt, ohne Wanderstiefel … Auf jeden Fall blieb ich stehen und rührte mich nicht. Ich hatte mich entschlossen zu warten.«

»Zu warten?«, fragte Balthasar.

»Ja«, bestätigte Öseblöm. »Ihr müsst wissen, dass das Flüstern nämlich plötzlich verstummte. Stille, es herrschte fast unheimliche Stille. Selbst die Vögel schwiegen für einen Moment. Dann brausten die Blätter auf und wieder ertönte dieses kaum hörbare Wispern … »Wo ist er nur …?, Hat er sich versteckt …? Nein …, er hat sich verlaufen …, ah, da ist er ja …, er möge warten … gleich sind wir bei ihm …«

»Haben die Bäume Dich beobachtet?«, fragte Kreszenz.

»Ich dachte, dass können nur die Bäume im Zauberwald?«, fragte Kalle etwas nachdenklich. Seine Welt wuchs mit den Erzählungen des Wanderers und er nahm alles wissbegierig auf.

»Das ist richtig«, erklärte Öseblöm. »Die Bäume im Zauberwald können tatsächlich SEHEN wie wir. Die Bäume in dem großen Wald hingegen konnten FÜHLEN, wie es alle Pflanzen können. Sie fühlten meine Anwesenheit. Na ja, auf jeden Fall löste sich wieder ein Waldmensch aus einem Baum ganz in meiner Nähe. Ich hatte ihn vorher einfach nicht sehen können. Er begrüßte mich mit einem breiten Grinsen. »Folge mir, mein Freund. Du wirst erwartet.« Damit drehte er sich um und schritt wieder voran. Diesmal allerdings etwas langsamer. Außerdem blickte er sich immer wieder nach mir um und achtete darauf, dass ich nicht verloren ging. So drangen wir tiefer und tiefer in den Wald hinein.«

»Und Du hattest keine Angst, dass Du da nicht mehr herausfindest?«, fragte Mallewutz. »Ich stelle mir das nicht so einfach vor. In unserem Wald gibt es wenigstens noch Wege und Trampelpfade.«

»Nein«, antwortete Öseblöm. »Angst hatte ich nicht wirklich. Aber Du hast recht. Ohne Hilfe hätte ich wohl kaum aus dem Wald herausgefunden. Aus einem Labyrinth findet man leichter heraus.«

»Labyrinth?«, fragte Balthasar. »Was ist ein Labyrinth?«

»Soll ich jetzt erzählen, wie es weiter ging, oder soll ich erklären, was ein Labyrinth ist?«, fragte Öseblöm mit einem geduldigen Lächeln.

»Wie es weiter ging«, entschied Kalle. »Das Labyrinth kann warten …, obwohl …, was ist eigentlich ein Labyrinth?«

»„Nein, nein, nein!«, rief Malle ganz aufgebracht. »Ich will jetzt wissen, wie es weiterging! Das Laby … Dingsdabumsda kann warten.« – Öseblöm lachte kurz und fuhr fort: »Wir gingen also eine ganze Weile immer tiefer in den Wald hinein, bis wir schließlich eine große Lichtung erreichten. Dort wurden wir offensichtlich bereits erwartet. Eine große Versammlung von Waldmenschen bildete eine Gasse und führte mich direkt zu ihrem Anführer, dem Flüsterer.«

»Das war bestimmt gefährlich«, warf Balthasar ein, der ganz aufgeregt auf der Holzbank hin und her rutschte. Öseblöm schüttelte seinen Kopf. »Nein«, wiederholte er erneut. »Das Waldvolk ist wirklich friedlich und freundlich und sein Anführer war es auch. »Sei herzlich willkommen«, begrüßte er mich. »Wir haben schon lange auf Dich gewartet.« – »Wieso wurdest Du erwartet?«, fragte Kreszenz. »Wie konnten die denn wissen, dass Du kommst?« – »Das hatte ich mich auch gefragt«, entgegnete Öseblöm. »Und die Antwort des Flüsterers ließ mich erbeben.«

Für Euch, liebe Kinder, ist es jetzt wieder an der Zeit, ins Traumland zu reisen … Darum heißt es nun:

»Gute Nacht und träumt recht schön, schon morgen wird es weiter gehen.«