Ein sehr spannender Abend
»Ich hoffe, Ihr seid gut vorbereitet …?«
Denn dieser Abend sollte wirklich spannend werden, vielleicht das spannendste Abenteuer, das Öseblöm je erlebt hat, wer weiß …? Dann macht Euch jetzt bereit. Huscht in Euer Bett, gut zudecken nicht vergessen und schon kann es losgehen. Ach ja, zuerst müsst Ihr noch Eure Augen schließen und Eure Ohren ganz weit aufmachen …, denn nun begeben wir uns wieder zur Veranda unserer fünf Burschen …
… mit ihren vielen Gästen und Freunden.
Heute war wirklich viel los, bei unseren jungen Burschen. Neben Dalin, der schon fast zur Familie gehörte, waren noch Kreszenz, Pimpinelle und sogar Bauer Rums zu Besuch. Der Bauer hatte noch immer ganz rote, verweinte Augen, aber er konnte schon wieder lächeln.
Mit einem unhörbaren Seufzer tauchte die Sonne langsam am Horizont unter und machte den Sternen am Himmel Platz.
»Ist Öseblöm nicht da?«, fragte Bauer Rums. »Ich bin wirklich neugierig auf seine Geschichten.«
Dalin schüttelte den Kopf.
»Nein«, antwortete er. »Öseblöm ist noch nicht zurück von seiner Reise. Aber ich denke, dass er auch gleich kommen wird. Es wird doch schon dunkel …«
»Hoffentlich bringt er mein Seil wieder mit«, murmelte Kalle, der sich immer noch nicht vorstellen konnte, wofür Öseblöm sein Seil mitgenommen hat.
»Na, vielleicht versucht er jetzt damit die Sonne einzufangen«, grinste Dralle in die Runde.
Alle lachten.
Dalin wollte gerade zu seinem Schaukelstuhl, als er eine kleine Gestalt in der Ferne entdeckte, die langsam herangehumpelt kam.
»Da ist ja unser Öseblöm!«, rief er und deutete mit dem Zeigefinger auf die noch recht weit entfernte Gestalt, die nur langsam vorankam.
Sofort blickten alle in die gleiche Richtung. Kalle erkannte auf Anhieb, dass Öseblöm verletzt sein musste. Er sprang auf und rannte unserem Wanderer entgegen.
Bauer Rums folgte ihm, ohne zu zögern, und blieb dicht hinter dem jungen Burschen. Auch alle anderen waren jetzt aufgesprungen und rannten ebenfalls unserem Öseblöm entgegen.
Alle anderen …, bis auf Dalin. Der strich sich nachdenklich durch seinen weißen Bart und betrachtete die Ereignisse aus seinen Zwergenaugen mit einem gewissen Abstand.
Öseblöm sah schrecklich aus. Sein rechtes Hosenbein war zerrissen und von Kopf bis Fuß war er mit Rus bedeckt. Außerdem hatte er sich ganz offensichtlich verletzt, da er nur humpelnd vorankam.
»Wie siehst Du denn aus, mein Freund?«, fragte Kalle, als er Öseblöm erreichte. »Bist Du in einen Schornstein gefallen?«
Sogleich griff er unserem Wanderer unter die Arme und stützte ihn. Herr Öseblöm lächelte gequält und nickte. Bauer Rums hingegen blickte besorgt auf den verrusten Abenteurer und beugte sich zu ihm herunter.
»Jetzt kommen Sie erst einmal nach Hause, mein Herr«, sagt er, schob mit einer Handbewegung den jungen Kalle beiseite und packte Öseblöm mit beiden Händen. Dann trug er ihn zur Veranda, gefolgt von den anderen Burschen, Kreszenz und Pimpinelle.
Dalin hatte bereits zwei gemütliche Kissen in den Schaukelstuhl gelegt, doch als er den von oben bis unten schwarzen Öseblöm sah, warf er noch einen zögernden Blick auf die Kissen.
»Vielleicht solltest Du zuerst duschen?«, schlug er vor. »Du siehst ja aus, wie ein Schornsteinfeger …«
Öseblöm nickte nur und humpelte ins Haus. Jetzt, wo er wieder daheim war, fühlte er sich schon gleich viel besser. Kalle ging mit ihm ins Haus und half, so gut er konnte. Die Freunde deckten derweil den Tisch und bereiteten das Abendbrot vor.
»Meint Ihr, Öseblöm wird heute noch etwas erzählen?«, fragte Balthasar in die Runde, der froh war, dass seinem Freund nicht mehr passiert war.
»Bestimmt«, sagte Dalin.
»Ganz bestimmt sogar!«, ertönte Öseblöms Stimme, der plötzlich frisch geduscht und in sauberen Kleidern in der Verandatür stand.
»Was ist mit Deinem Bein passiert?«, fragte Mallewutz.
»Ooch …, das war doch nicht so schlimm«, grinste Öseblöm und setzte sich zu den Burschen auf die Bank. »Ich kann doch Dalin nicht den Schaukelstuhl wegnehmen …«
Der Zwerg nickte unserem Öseblöm kurz zu und machte es sich, wie jeden Abend, in »seinem« Schaukelstuhl gemütlich.
»Danke«, sagte Öseblöm und schaute Bauer Rums in seine noch immer tränengerötete Augen. Als ihre Blicke sich trafen, lief dem Bauern ein warmer Schauer über den Rücken.
»Ich glaube, ich habe zu danken«, antwortete Rums. »Auch dafür, dass ich hier sein darf. Die Jungs haben mir von Ihren fantastischen Geschichten und Abenteuern erzählt.«
»Öseblöm, meine Freunde sagen einfach Öseblöm zu mir«, entgegnete der Wanderer. »Und wie heißt DU mit Vornamen?« – Bauer Rums war sichtlich gerührt und gleichzeitig verblüfft. Seinen Vornamen hatte er schon seit Jahren nicht mehr gehört, schließlich wurde er immer nur »Rums« genannt. »Anton«, sagte er nach einer Pause. »Ich glaube ich heiße Anton …«
Für Euch, liebe Kinder, ist es jetzt aber an der Zeit, ins Traumland zu reisen … Darum heißt es nun:
»Gute Nacht und träumt recht schön, schon morgen wird es weiter gehen.«