Der Schornstein
»Seid Ihr bereit …? Es ist soweit!«
Wie immer wollen wir diesen Tag mit einer schönen Gutenachtgeschichte beenden. Macht es Euch also in Eurem Bett wieder ganz gemütlich, deckt Euch gut zu, schließt Eure Augen und spitzt Eure Ohren, denn auch unsere Freunde auf der Veranda sind schon ganz gespannt, was unser Öseblöm zu berichten hat …
»Anton …?«, wiederholte Öseblöm nachdenklich. »Ein schöner Name!«
»Findest Du?«, fragte Rums und runzelte die Stirn.
»Er ist auf keinen Fall schlechter als Dralle«, bemerkte Dralle und fügte grinsend hinzu: »Obwohl ich »Rums« eigentlich auch ganz passend finde.«
Die Burschen lachten. Jetzt wurde es gemütlich auf der Veranda. Kalle verschwand kurz in der Küche und kam nach kurzer Zeit mit der selbst gemachten Limonade wieder heraus. Mallewutz besorgte ein paar Fackeln und Balthasar zündete schon einmal die Kerzen an.
Die Sonne verschwand gerade mit einem tiefen Seufzer am Horizont und hoffte, dass der Mond ihr berichten würde, über die aufregenden Geschehnisse auf der Veranda des Burschenhauses.
Mit seinem kühlen Glitzern verstärkte das Mondlicht die geheimnisvolle Stimmung auf der Veranda, von der sofort alle Freunde erfasst wurden.
»Willst Du uns nicht erzählen, was passiert ist?«, fragte Kalle unseren Wanderer.
Der saß mittlerweile am großen Tisch und ließ sich seine Limonade schmecken. Öseblöm schaute sich in der Runde um.
»Wo warst Du überhaupt?«, wollte Balthasar wissen.
»Ich war im Mühldorf, einem Nachbardorf, nicht weit von hier«, erklärte Öseblöm.
»Mühldorf?«, fragte Bauer Rums. »Ich kenne kein Mühldorf, und ein Nachbardorf ist das ganz bestimmt nicht. Wo soll das sein?«
»Nun ja, einfach Richtung Osten, etwa eine halbe Tagesreise von hier«, antwortete Öseblöm. »Es ist das Dorf der tausend Mühlen.«
»Tausend Mühlen?!«, wiederholte Mallewutz und staunte. »Das ist aber ganz schön viel!«
»Das stimmt,« entgegnete Öseblöm, »und es ist auch ein wenig übertrieben, denn tatsächlich haben die dort nur drei Mühlen.«
»Können die Dorfbewohner dort nicht zählen?«, fragte Rums, der immer noch darüber nachdachte, wo dieser Ort wohl sein könnte. Eigentlich ging der Bauer davon aus, alles im Umkreis von drei Tagesreisen zu kennen.
»Eine halbe Tagesreise …?«, murmelte der Bauer vor sich hin.
»Ja, aber mit Wanderstiefel!«, stellte Kalle fest und lachte laut. »Für uns dürfte das Dorf bestimmt 5 bis 10 Tagesreisen entfernt sein, je nachdem, wie schnell wir vorankommen.«
Öseblöm zuckte entschuldigend mit seinen Schultern.
»Manchmal vergesse ich das«, sagte er. »Natürlich mit Dix und Dax und mit ihrem Rennmodus!«
Anton Rums war erleichtert, schließlich war er sicher, alles und jeden in der Umgebung des Dorfes zu kennen.
Die Sterne strahlten nun am Firmament und ein warmer Windhauch strich unseren Freunden durchs Haar.
»Also was ist passiert?«, wiederholte Kalle seine Frage. »Du bist doch nicht heimlich unter die Schornsteinfeger gegangen, oder?«
»Das nicht«, antwortete Öseblöm. »Aber es kommt der Sache schon näher, denn ich bin wirklich in einen Schornstein gefallen …«
»Hast Du dafür etwa mein Seil gebraucht? Und wo ist mein Seil überhaupt?«, wollte Kalle wissen.
Der Wanderer nickte nur. In diesem Augenblick sprang Balthasar auf und rannte ins Haus, nur um kurze Zeit später mit dem Seil in der Hand zurückzukommen.
»Hier ist es!«, rief er. »Aber es ist ganz schwarz!«
»Nicht nur das Seil ist ganz schwarz«, bemerkte nun Dalin von seinem Schaukelstuhl aus. »Ich nehme an, Du bist es inzwischen auch …«
Balthasar schaute sich verblüfft um und ließ das Seil zu Boden fallen. Seine Hände waren jetzt auch ganz schwarz und an seiner Hose fanden sich breite schwarze Streifen.
»Oh je!«, rief der kleine Bursche. »Das Seil ist ja ganz schmutzig!«
Öseblöm lachte: »Das war ja auch im Schornstein! Aber gib es mir, ich werde es morgen reinigen.«
Balthasar machte auf der Stelle kehrt und rannte ins Badezimmer.
»Willst Du uns nicht endlich erzählen, was passiert ist?«, bohrte Kalle unnachgiebig weiter.
»Das will ich schon …«, antwortete Öseblöm. »Aber erst, wenn Balthasar zurück ist.« – So warteten alle auf den jüngsten Burschen, der einige Zeit brauchte, um sich vom Schornsteinruß zu befreien. – »Und außerdem, wozu hast Du mein Seil mitgenommen, wenn Du am Ende doch einfach nur in einen Schornstein hineinspringst, ohne Dich an meinem Seil festzuhalten?«, wollte Kalle wissen. Er fragte sich zugleich, ob man das Seil je wieder säubern könnte.
Für Euch, liebe Kinder, ist es jetzt aber an der Zeit, ins Traumland zu reisen … Darum heißt es nun:
»Gute Nacht und träumt recht schön, schon morgen wird es weiter gehen.«