Das Dino-Tal
»Hattet Ihr einen schönen Tag?«
Dann ist es jetzt an der Zeit, diesen mit einer schönen Gutenachtgeschichte zu beenden. Also macht es Euch wieder so richtig gemütlich in Eurem Bett. Nun ist Kuscheln angesagt. Daher schließt bitte Eure Augen und spitzt Eure Ohren, denn was unser Öseblöm da zu erzählen hatte, fanden seine Freunde so richtig gruselig …
»Heißt das etwa …?«, fragte Kreszenz.
»Ganz genau«, grinste Öseblöm.
»Obwohl Ihr mir glauben könnt, dass ich bei der Geschichte nichts zu lachen hatte. Und ohne Hilfe hätte ich es niemals geschafft. Dann säße ich jetzt nicht hier …!«
»Du hattest Hilfe?«, fragte Bauer Rums. »Dann muss ich demjenigen wohl auch danken, denn ohne Dich und Deine Freunde wäre Mama Rums nicht mehr unter uns.«
»Ich sagte Euch doch, es wird alles gut«, meldete sich Dalin von seinem Schaukelstuhl aus. »Eins fügt sich zum anderen, nichts geschieht ohne Grund.«
»Aber nun erzähl doch endlich«, bat Balthasar, der auch froh war, dass Öseblöm jetzt bei ihnen wohnte.
»Ich habe Euch doch schon von meiner ersten Begegnung mit Amira erzählt«, begann der Wanderer und erinnerte an eines seiner ersten Abenteuer.
Alle auf der Veranda hörten wie gebannt zu. Selbst Dalin, der als Zwerg ebenfalls nicht wenig erlebt hatte, war neugierig auf dieses Abenteuer, denn ein Dinosaurier war ihm bei all seinen Reisen nicht untergekommen.
»Nachdem ich die Waldmenschen hinter mir hatte und auch mein Seil eingetauscht war, wanderte ich weiter Richtung Süden. Nach einer Weile wechselte die Landschaft von einer weiten Ebene zu einer hügeligen Graslandschaft, die abgelöst wurde von immer größeren Bergen. Schließlich erreichte ich ein schmales, recht enges Tal.«
»Wie lange bist Du gewandert?«, fragte Kalle, der abschätzen wollte, wie weit der Ort von ihrem eigenen Dorf entfernt war.
»Ich habe die Tage nicht gezählt«, antwortete Öseblöm. »Aber es waren bestimmt zwei Wochen, wenn nicht mehr. Unterwegs traf ich nur ab und zu einen Wandergesellen, und hier und da ein kleines namenloses Dorf, das auf keiner Karte verzeichnet ist. Die Menschen dort waren meist freundlich, aber vorsichtig gegenüber Fremden.«
»Unser Dorf hat auch keinen Namen«, bemerkte Malle dazwischen.
»Doch hat es«, widersprach Kreszenz.
»Woher willst Du das wissen?«, fragte Balthasar.
»Mein Vater ist schließlich Bürgermeister!«, entgegnete Kreszenz. »Und es gibt auch Karten, in denen es eingezeichnet ist.«
»Und wie heißt unser Dorf, bitteschön?«, wollte Balthasar jetzt wissen.
Kreszenz zuckte nur mit den Schultern: »Da müsste ich noch mal fragen«, gab er etwas verlegen zu. »Ich hab es mir einfach nicht gemerkt.«
Öseblöm lächelte wieder sein geheimnisvolles Lächeln. Dann erzählte er weiter …
»Ich betrat also dieses Tal und folgte dem engen Talkessel. Rechts und links von mir stiegen Bäume an den Berghängen in die Höhe. Mächtige Tannen versperrten den Weg nach oben. Schließlich stieß ich auf ein kleines Dorf. Es standen nur wenige kleine Häuser dicht beieinander. Eine seltsame Stille schlug mir entgegen …«
Die Burschen saßen mit offenen Mündern auf ihren Plätzen. Bauer Rums hielt unmerklich den Atem an und sogar der Abendwind hielt für einen Augenblick inne. Wie eingefroren in der Zeit leuchteten die Kerzenflammen in der Nacht. Die Spannung wurde größer und größer …
»Dieses Dorf wirkte nicht sehr einladend«, fuhr Öseblöm fort. Alle Türen waren fest verschlossen und sämtliche Fenster mit Brettern vernagelt worden. Es wirkte unheimlich.
»Hallo!«, rief ich laut. »Ist jemand zuhause?!«
Aber ich erhielt keine Antwort.
»RUMMS!«, plötzlich erzitterte der Boden. Ich wäre fast umgefallen vor Schreck. Dann Stille. Einige Zeit später, wieder ein laut donnerndes RUMMS, gefolgt von einem Beben, das langsam näher zu kommen schien. Ich hatte keine Ahnung, was da vor sich ging. Also klopfte ich an eine der Türen: Tok, TokTok …, keine Antwort. Wieder Tok, TokTok …, keine Antwort und erneut ein gewaltiges RUMMS. Das Beben ließ meine Beine erzittern. Ich wusste nicht, woher dieses Beben kam, aber es klang nicht gut. Zum ersten Mal in meinem Leben bekam ich Angst. Vielleicht auch, weil in diesem Dorf mit seinen verriegelten Häusern die Angst regierte. RUMMS …, das Beben wurde immer lauter und bedrohlicher.
Endlich entschloss ich mich, umzukehren. Aber da war es schon fast zu spät!«
»Dann wurdest Du gefressen!«, rief Balthasar vor lauter Aufregung dazwischen.
»Aber nein«, widersprach Mallewutz. »Wenn Öseblöm gefressen worden wäre, dann säße er doch nicht hier!« – »Das stimmt«, seufzte Balthasar sichtlich erleichtert. – Unser Öseblöm jedoch erzählte unbeirrt weiter …
Für Euch, liebe Kinder, ist es jetzt aber an der Zeit, ins Traumland zu reisen … Darum heißt es nun:
»Gute Nacht und träumt recht schön, schon morgen wird es weiter gehen.«