Unerwarteter Besuch
»Seid Ihr soweit? Die nächste Episode steht bereit!«
Ein neuer Abend, eine neue Geschichte. Wohlan, so lasset uns den heutigen Tag mit einer guten Geschichte beschließen. Daher deckt Euch wieder gut zu und macht es Euch so richtig gemütlich. Seid Ihr bereit? Dann schließt jetzt Eure Augen und öffnet Eure Ohren, denn in diesem Augenblick geht gerade die Sonne auf über der Veranda unseres Burschenhauses …
Ein Hauch von zarter Sommerbrise blies über die Veranda, als die ersten Sonnenstrahlen Tisch und Bänke in ihr goldgelbes Licht tauchten. Im Haus war es noch still.
Unter dem Verandaboden ertönte ein leises Stöhnen und Ächzen, dann wieder ein Rascheln. Aber es war niemand da, der es hören konnte. Als sich die Verandatür mit einem Knarzen leicht öffnete, verstummte das Rascheln.
Balthasar steckte gerade seinen Kopf zur Tür heraus und blinzelte mit den Augen. Noch ziemlich müde vom gestrigen Abend schob er sich zuerst ins Bad und machte sich fertig. Danach begab er sich in die Küche, um das Frühstück zu bereiten.
Dalin, der Zwerg, schlief tief und fest. Seit es ihm etwas besser ging, hatte er sich eigentlich um das Frühstück gekümmert. Aber nachdem er sich die halbe Nacht um die Ohren geschlagen hatte, konnte er jetzt einfach noch nicht aufstehen.
»Aufstehen! Frühstück ist fertig!«, rief Balthasar immer wieder, nachdem er den Tisch gedeckt hatte und alles bereitstand.
Der junge Bursche genoss die warmen Sonnenstrahlen auf seiner Haut. Für einen Moment schloss er seine Augen und sog alles in sich auf.
»Es ist schön, Freunde zu haben«, dachte er sich und nahm einen Schluck von seinem Frühstückstee.
Diesmal steckte Öseblöm als Zweiter seinen Kopf zur Tür heraus.
»Bin ich zu spät?«, fragte er.
Balthasar grinste: »Nein, heute bist Du der Erste …, nach mir, natürlich!«
Nach und nach gesellten sich die anderen Burschen dazu und es wurde wieder lebendig auf der Veranda. Lebhaft diskutierten sie über die Ereignisse der letzten Nacht. Nur Dralle saß auffallend ruhig auf der Bank und lächelte still vor sich hin.
Öseblöm berührte ihn kurz an der Schulter und fragte: »Alles in Ordnung?«
Dralles Lächeln geriet zu einem breiten Grinsen. Dann hob er den Kopf und nickte. Aber er schwieg weiterhin und blieb auch später recht einsilbig.
»Ob wir auch einmal nach Mantara reisen können?«, fragte Kalle.
»Das glaube ich nicht«, antwortete Mallewutz. »Hast Du es nicht gehört? Das ist viel zu weit weg!«
»Zumindest viel zu weit für uns«, fügte Malle hinzu.
»Wenn wir fliegen könnten …, dann wäre das vielleicht etwas anderes«, meinte Mallewutz. »Aber so, werden wir hier wohl in unserem Dorf bleiben.«
»Wirst Du auch bei uns bleiben?«, fragte plötzlich Balthasar und wandte sich direkt an Öseblöm.
Der junge Bursche spürte, dass Öseblöm unruhig wurde. Der Wanderer jedoch schaute den Kleinen an und lächelte.
»Ich habe doch gesagt, ich bleibe gern«, antwortete er. »Allerdings werde ich von hier aus ein paar kleinere Reisen unternehmen. Schließlich möchte ich meine Eltern finden. Ich spüre, dass sie in Gefahr sind …«
Balthasar nickte nur.
»Vielleicht kann ich ihnen helfen?«, fragte Dalin, der gerade seinen Kopf zur Tür rausstreckte.
»Nein«, fuhr Kalle dazwischen. »Du hast doch gehört, dass Du Dich noch auskurieren musst. Aber ich könnte helfen, schließlich bin ich jetzt auch ein richtiger Abenteurer!«
Niemand widersprach dem ältesten der fünf Burschen. Letztendlich hatte Kalle seinen Mut schon gezeigt und seine Zuverlässigkeit unter Beweis gestellt. Außerdem überraschte er manchmal mit wirklich guten Ideen …
Bei all dem Frühstückslärm, der bei genauer Betrachtung nicht wirklich laut war, ging ein leises Rascheln völlig unter, das ab und zu unter dem Verandaboden zu hören war.
Gerade als Dalin es sich am Tisch gemütlich gemacht hatte, brachen die fünf Burschen auf. Kalle, Malle und Dralle gingen wieder zu ihrem Feld. Mallewutz und Balthasar packten ihre Schultasche und machten sich auf den Weg zur Schule.
Jetzt wurde es ruhiger auf der Veranda. Auch Öseblöm stand kurz auf und packte ein paar Sachen ein. »Gehst Du wieder zum Mühldorf?«, fragte ihn Dalin.
»Ja«, antwortete der Wanderer. »Ich will versuchen die Spur aufzunehmen …«
Dalin nickte nur. »Pass auf Dich auf!«
»Ich bin ja heute Abend wieder zurück«, sagte Öseblöm und war im gleichen Augenblick auch schon verschwunden. – Jetzt, in dieser morgendlichen Stille, hörte Dalin ein leises Stöhnen, Ächzen und Rascheln unter dem Verandaboden. Neugierig stand er auf, schlich leise die Verandastufen herunter und beugte sich nach unten, um einen Blick unter die Veranda zu werfen. Dort hockte ein kleines Eichhörnchen, das sich im Gestrüpp verfangen hatte und verzweifelt versuchte, sich zu befreien. Doch es schien, als würde das Gestrüpp den Sieg davon tragen …
Für Euch, liebe Kinder, ist es jetzt an der Zeit, ins Traumland zu reisen … Darum heißt es wieder:
»Gute Nacht und träumt recht schön, schon morgen wird es weiter gehen.«