… die unglaublichen Abenteuer des Herrn Öseblöm –
und seiner Freunde …

Home 9 Gutenachtgeschichten 9 Jahr-01 9 Episode 180

Der Zauberwumm

»Es ist soweit! Seid Ihr bereit?«

Dann kann es jetzt endlich weitergehen. So ein Tag kann ganz schön lang sein, nicht wahr? Dann lasst uns jetzt keine Zeit mehr verlieren. Sobald Ihr gut zugedeckt seid, kann es auch schon losgehen. Schließt also bitte wieder Eure Augen, spitzt Eure Ohren und gebt gut acht, denn unser Kalle hatte es ziemlich eilig, mit seinen Wanderstiefeln …

Die letzten Worte von Erik, dem Anführer der Schafherde, verhallten ungehört zwischen den vereinzelten Felsbrocken. Kalle und Betty waren bereits verschwunden und hinterließen nur eine Staubwolke, die sich langsam zu Boden senkte. Erik schüttelte nur den Kopf.

»Sie haben es immer so eilig. Viel zu schnell sind sie, nett, aber viel zu schnell.«

Die kleine Betty hielt sich wieder in Kalles Hemd versteckt. Hier konnte ihr der starke Wind nichts anhaben und so fand sie sogar ein wenig die Ruhe, um über alles nachzudenken.

»Vielleicht hätten wir doch zuerst nach Marie suchen sollen?«, fragte sie mit piepsiger Stimme. Doch unser Kalle hörte sie nicht. Der junge Bursche kannte nur ein Ziel: den Zauberwald.

Dix und Dax spurteten mit einer Geschwindigkeit über das Land, die sie selbst noch niemals erlebt hatten. Es machte ihnen richtig Spaß, mit diesem Burschen sozusagen im Tiefflug über die Ebene zu sausen. Die große Staubwolke, die ihnen folgte, kündete bereits von Weitem ihr Kommen an.

Unsere beiden Freunde erregten Aufmerksamkeit, keine Frage, aber bei der Geschwindigkeit, mit der sie vorankamen, konnte ihnen sowieso kaum jemand folgen.

»Da vorn ist es!«, rief Kalle plötzlich. »Da liegt der Zauberwald!«

Und tatsächlich, nicht mehr weit vor ihnen, schimmerte bereits am Horizont der geheimnisvolle Wald, den nun auch Kalle kennenlernen sollte.

Rasend schnell näherten sich unsere Freunde diesem uralten Wald …

»Meinst Du nicht, wir sollten etwas langsamer werden?«, versuchte Betty noch den jungen Burschen zu warnen, aber es war schon zu spät!

Kalle konnte das kleine Eichhörnchen nicht hören. Der starke Wind, der ihm ins Gesicht blies, dröhnte ihm in den Ohren. Außerdem war er viel zu aufgeregt. Schon bald sollte er Karun gegenüberstehen, zumindest hoffte er das.

»Hier sind wir im Zauber …!«, rief er, aber weiter kam er nicht.

Mit donnerndem Getöse raste Kalle in den Wald hinein und vergaß zu bremsen. Die ersten Bäume ließen ihn noch durch, aber schon die zweite Baumreihe packte den Eindringling mit langen kräftigen Ästen, wirbelte ihn um einen mächtigen Baumstamm herum und schmiss ihn hochkant mit einem lauten »WUMM« wieder raus.

In hohem Bogen flogen nun unsere Freunde durch die Luft. Betty zitterte und krallte sich an Kalles Hemd fest. Der Bursche war viel zu verblüfft, um zu begreifen, was geschehen war. So landete er ziemlich unsanft auf seinem Hosenboden, vielleicht zwanzig Meter vom Waldrand entfernt.

»Zauber … WUMM?!«, fragte Betty.

Das kleine Eichhörnchen hatte sich als Erstes wieder berappelt.

»So schaut es aus«, antwortete Kalle. In seiner rechten Hand hielt er immer noch den Reisigbesen fest um­klammert, aber das Geäst war weg.

»Der Busch, wo ist der Busch?!«, rief Betty und deutete auf den Besen.

»Du meinst den traurigen Rest von Busch«, korrigierte Kalle und schaute sich erst einmal um.

Nicht weit von ihnen lag das knorrige Geäst zusammengerollt am Boden, allerdings hatte es sich nun tiefrot verfärbt. Es sprach kein Wort.

Der Bursche stand auf, klopfte sich den Staub von seiner Hose und näherte sich behutsam ihrem garstigen Helfer.

»Keine Angst, mein Freund«, sagte er. »Wir bringen Dich zurück in den Wald, versprochen.«

Das knochige Geäst zitterte, wobei die Farbe nun in einen eigentümlichen Grauton überging. Es sprach kein Wort. Öseblöms Drohung hatte es nicht vergessen. Der junge Bursche fasste ganz vorsichtig zu und hielt das Knäuel in die Höhe, dann schaute er in Richtung Wald und stapfte los.

»Sei vorsichtig«, piepste Betty.

»Ich bin vorsichtig«, erwiderte Kalle und hielt weiter zielstrebig auf den größten Baum zu.

Dieser Baum versperrte ganz offensichtlich den Weg und wirkte ziemlich grimmig. Mit seinen weit ausladenden Ästen ließ er keinen Zweifel daran, dass niemand an ihm vorbeikommen würde.

Unser junger Bursche jedoch erinnerte sich an Öseblöms Erzählungen. Deshalb verneigte er sich tief und höflich, als er schließlich mit Betty in seinem Hemd vor diesem mächtigen Baum stand. Das kleine Eichhörnchen strampelte, um nicht herauszufallen. Das wiederum kitzelte unseren Kalle so sehr, dass er lauthals lachen musste …

»Wer wagt es, hier zu lachen?«, brummte es aus dem Wald heraus. Es schien, als hätten alle Bäume im Chor gesprochen. Kalle musste noch immer lachen, darum half er der kleinen Betty aus dem Hemd heraus. – »Entschuldigt bitte«, bat er um Verständnis. »Ich wollte nicht unhöflich sein. Mein Name ist Kalle und ich bin ein guter Freund von Vinidi Öseblöm …« – »Öseblöm …?«, kam es nachdenklich zurück. »Wer bitte ist Öseblöm?« – Diese Frage überraschte unseren Burschen. Tausend Gedanken schossen ihm durch den Kopf. Wenn die Bäume unseren Öseblöm nicht kannten, war das dann hier wirklich der Zauberwald?

Für Euch, liebe Kinder, ist es jetzt an der Zeit, ins Traumland zu reisen … Darum heißt es wieder:

»Gute Nacht und träumt recht schön, schon morgen wird es weiter gehen.«