… die unglaublichen Abenteuer des Herrn Öseblöm –
und seiner Freunde …

Home 9 Gutenachtgeschichten 9 Jahr-01 9 Episode 182

Leuchtende Augen

»Es ist soweit! Seid Ihr bereit?«

Dann lasst uns jetzt zusammen mit Kalle und Betty den Zauberwald besuchen. Alles startklar für die Reise? Dann deckt Euch bitte wieder gut zu, schließt nun Eure Augen und macht Eure Ohren ganz weit auf, denn unser Freund Kalle strebt gerade einem Höhepunkt in seinem Leben entgegen …

In seiner rechten Hand hielt er das graue Geäst, das mittlerweile nicht mehr zitterte. In seiner linken Hand trug Kalle den Reisigbesen. Auf seiner Schulter saß Betty mit angespitzten Ohren, voller Aufmerksamkeit, schließlich wusste man nie, was einen erwartet. Fast sah es so aus, als sei der junge Bursche ein Zauberer, eine männliche Hexe, die auf ihrem Besen herbeigeflogen kam.

Aber unser Kalle war einfach nur ein junger Bursche, ein Abenteurer, der seinen Freunden helfen wollte. So schritten sie langsam voran, folgten einem schmalen Pfad durch den Wald und lauschten …

»…TRAURIG …“, ertönte es aus der Ferne. „… Gaaaanz TRAUUUURIG …«

»Das muss der Busch sein«, sagte Kalle. »Hörst Du ihn auch?«

Betty nickte nur mit ihrem Köpfchen und blickte sich nach allen Seiten um. Die Bäume schienen sie zu beobachten, freundlich, aber sehr aufmerksam. Kein Schritt der Besucher entging ihnen. Jetzt verstand Kalle, warum Öseblöm sagte, es sei ein »fast« freundlicher Wald.

Obwohl sie es eilig hatten, schritt Kalle nur behutsam voran. Er wollte auf keinen Fall unbedacht auf etwas treten, ein kleines Tier vielleicht oder eine junge Pflanze. Daher kamen sie nur langsam voran, viel langsamer als ursprünglich einmal geplant.

»Ich habe noch nie zuvor einen solchen Wald gesehen«, stellte Betty fest. »Hier lebt alles, auf eine ganz besondere Weise.«

»Wohl wahr«, stimmte Kalle zu. »Dann ist dieser Wald doch freundlicher als DEIN Wald hinter dem hohen Berg?«

Betty schüttelte energisch ihren Kopf.

»Dieser Wald ist nicht freundlich«, widersprach sie. »Er ist mächtig, sogar sehr mächtig und er ist uns wohlgesonnen. Ja, fast scheint es mir, dass er uns liebt …«

»Zumindest ist das die Legende«, sagte Kalle. »Aber Du hast recht, es fühlt sich tatsächlich so an. Wirklich eigenartig.«

So folgten die beiden respektvoll dem schmalen Pfad, der sie immer tiefer in den Zauberwald führte.

»Halt und wohin?«, ertönte plötzlich eine strenge Stimme.

Kalle erschrak. Betty krallte sich augenblicklich an seinem Hemdskragen fest.

»Bleibe er auf jeden Fall stehen und gebe er sich zu erkennen!«, forderte die strenge Stimme.

Jetzt erinnerte sich Kalle und schaute nach oben.

»Genau wie Öseblöm es erzählt hat«, stellte er fest und beruhigte die kleine Betty.

Direkt über ihnen saß, auf einem großen, knorrigen Ast, eine mächtige Eule. Sie hielt, wie immer, ihre Augen geschlossen. Dennoch entging ihr nichts.

»Die schläft ja«, sagte Betty und deutete Kalle, einfach weiterzugehen.

»Wenn ich HALT sage, so meine ich das auch!«, die Eule öffnete ihr rechtes Auge und starrte das Eichhörnchen an.

»Wer seid Ihr? Und was wollt Ihr in MEINEM Wald?«

Betty fühlte sich unbehaglich, denn Eulen pflegen Eichhörnchen zu fressen, wenn sie sie erwischen. Mittlerweile hatte die Eule beide Augen geöffnet. Noch immer starrte sie auf das Eichhörnchen. Deshalb versteckte sich Betty vorsichtshalber wieder in Kalles Hemd.

»Mein Name ist Kalle«, stellte sich unser Abenteurer vor und verneigte sich höflich. »Und meine Begleiterin ist Betty. Wir sind beide gute Freunde von Vinidi Öseblöm …«

»Ah, Öseblöm«, sagte die Eule. »Ich erinnere mich gut. Ein sehr höflicher Wanderer. Aber glaubt nicht, dass Ihr deshalb auch meine Freunde seid.«

»… TRAURIG …, GAAAANZ TRAURIG ….«, ertönte es wieder aus der Ferne.

»Mein Gott«, murrte die Eule. »Dieses Gejammer ist ja nicht mehr auszuhalten. Schon seit Tagen muss ich mir das anhören …«

»Genau darum sind wir gekommen«, erklärte Kalle. »Wir wollen dem Gejammere ein Ende bereiten.«

»Ihr wollt den Busch umbringen?«, fragte die Eule und runzelte erstaunt ihre Stirn.

»Aber nein, nicht doch«, entgegnete Kalle. »Wir haben hier etwas, das euer BUSCH sicher vermisst.«

Der junge Bursche hielt das graue Geäst hoch und zeigte es der Eule. Die schien doch tatsächlich noch darüber nachzudenken. Eine ganze Zeit verstrich, ohne dass auch nur ein Wort fiel. Dann meinte sie schließlich: »Seid willkommen in MEINEM Wald. Ihr kennt den Weg?«

»„Du meinst ob rechts oder links?«, fragte Kalle und erinnerte sich mit leuchtenden Augen an die Stunden auf der Veranda, in denen Öseblöm vom Zauberwald erzählte. – Die Eule bemerkte dieses Leuchten in seinen Augen und lächelte. »Dann weist Du ja sicher, dass Du links an mir vorbei musst, LEUCHTENDES AUGE!« Mit diesen Worten beendete die Eule das Gespräch und schloss ihre Augen. – »Leuchtendes Auge?!«, wiederholte Betty und kam aus dem Leinenhemd wieder heraus gekrabbelt. Ein kurzer Blick genügte und sie verstand, was die Eule meinte. Unser Kalle hatte ein seltsames Leuchten in seinen Augen, ganz so, als hätte er von einem großen Geheimnis erfahren.

Für Euch, liebe Kinder, ist es jetzt an der Zeit, ins Traumland zu reisen … Darum heißt es wieder:

»Gute Nacht und träumt recht schön, schon morgen wird es weiter gehen.«