… die unglaublichen Abenteuer des Herrn Öseblöm –
und seiner Freunde …

Home 9 Gutenachtgeschichten 9 Jahr-01 9 Episode 187

Die Freundin Marie

»Es ist soweit! Seid Ihr bereit?«

Dann solltet Ihr jetzt ganz schnell in Euer Bett hüpfen und Euch gut zudecken. Unsere Abenteurer warten schon auf Euch. Schließt also beide Augen ganz fest zu, spitzt Eure Ohren und macht Eure Herzen weit auf, denn wir begeben uns jetzt zum Eingang der in Vergessenheit geratenen Höhle. Ihr erinnert Euch? Kreszenz hatte gerade ein lustiges Wollbüschel entdeckt …

Jetzt sah auch Dralle dieses weiße Etwas, das aus dem dichten Gebüsch herausschaute und immer hin und her wackelte. Kreszenz sprang mit einem Satz von Handans Schulter und rannte auf den Eingang zu, als er von einem steinernen Ast von hinten im Genick gepackt und jäh in die Luft geschleudert wurde.

»Aaahhh …!«, schrie Kreszenz vor Überraschung und Verzweiflung, denn er fürchtete, ziemlich unsanft zu landen.

Der Riese aus Wurzelbruck jedoch fing den kleinen Burschen auf und setzte ihn sanft auf dem Boden ab. Jetzt krabbelte auch Dralle herunter und gesellte sich zu seinem Freund, dabei fasste er sich an seinen Hosenbund und zog ihn etwas nach oben. Bei der Kletteraktion schien seine Hose ein wenig heruntergerutscht zu sein …

Auch unser Öseblöm trat nun an die Bäume heran.

»Meine Herrn«, sagte er. »Sind wir hier nicht mehr willkommen?«

Die drei Bäume blickten sich an und gaben schließlich wortlos den Weg frei. Handan grinste nur, als er an seine letzte Begegnung mit diesen steinernen Wächtern dachte. Aufrecht stehend überragte er die drei Bäume und schritt nun mit seinen Freunden zwischen diesen altehrwürdigen Gesellen direkt auf den Höhleneingang zu.

Dort schaute noch immer das weiße Wollbüschel aus dem Gebüsch heraus und wackelte nach wie vor hin und her.

»Ich will doch nur helfen!«, beschwerte sich eine Stimme.

»Das sagen sie alle«, murrte das Gebüsch und fasste noch fester zu.

»Aber mein Freund ist in Gefahr, in Lebensgefahr«, klagte die Stimme und das Wackeln des Woll­büschels ließ sichtlich nach.

»NIEMAND betritt diese Höhle!«, knurrte das Gebüsch. »Freund hin oder her!«

»Findet Ihr das nicht übertrieben …?«, mischte sich jetzt Öseblöm ein.

»Öseblöm, bist Du das?«, fragte die Stimme voller Erleichterung. »Sag bitte diesem Gestrüpp, es soll mich endlich loslassen!«

»Marie?!«, rief Öseblöm. »Was um alles in der Welt machst DU hier?«

»Ich bin auf der Suche nach Don Carlos. Aber dieses einfältige Gewirr von Gestrüpp ist so stur wie ein Esel und hält mich hier gefangen.«

»Ich denke, es schützt nur die Höhle«, sagte Öseblöm und berührte das Gebüsch ganz sanft mit seiner Hand.

Das Gebüsch änderte augenblicklich seine Farbe von einem nichtssagenden Grau in ein saftiges Grün. Dann gab es schließlich den Weg frei. Die kleine Marie wandte sich an Öseblöm.

»Danke, danke, danke!«, rief sie. »Und wieder hast Du mich gerettet.«

»Dafür sind Freunde doch da«, grinste Öseblöm, wurde aber gleich wieder ernst.

»Wo ist Don Carlos?«

»Das weiß ich auch nicht«, antwortete Marie.

»Aber Du suchst ihn hier«, stellte unser Wanderer fest.

»Das stimmt«, erklärte Marie. »Es ist ja nur eine Vermutung.«

»Und wie kommst Du darauf?«, wollte Öseblöm wissen.

»Na ja«, erzählte nun das kleine Schäfchen. »Vor ein paar Tagen hat uns Don Carlos besucht. Er sah schrecklich abgemagert aus. Überall fielen ihm seine Federn schon aus. Auch konnte er kaum noch fliegen. Seine Stimme klang schwach und er war furchtbar traurig.«

Öseblöm nickte nur. Also war es ernst. Sehr ernst sogar. Die Freunde mussten sich beeilen, ihren einst mächtigen Adler zu finden, bevor es zu spät war.

»Don Carlos wollte sich von uns verabschieden. Er meinte, er würde nun nicht mehr vorbeikommen können und beschützen könnte er uns auch nicht mehr. Dafür sei er schon viel zu schwach«, fuhr die kleine Marie mit ihrem Bericht fort.

»Das klingt ja schrecklich!«, rief Dralle und zog wieder an seinem Hosenbund.

»Das ist es auch«, entgegnete Marie. »Unsere ganze Herde war geschockt, schließlich hatten wir unseren Freund wirklich ins Herz geschlossen. Aber ihr kennt ja Erik …, der ist immer so langsam. Gründlich, aber langsam. Und noch bevor unser Anführer auch nur ein Wort sagen konnte, ist Don Carlos wieder weitergeflogen. Mit letzter Kraft flog er in Richtung des hohen Berges, hier zu dieser Höhle. Zumindest sah es für uns so aus.«

»Und da bist Du ihm gefolgt«, fasste Öseblöm noch einmal alles zusammen. »Ja klar!«, rief Marie. »Ich kann doch einen Freund nicht einfach allein lassen. Und schon gar nicht, wenn er krank ist.« – »Krank?«, wiederholte Öseblöm. »So habe ich das noch gar nicht gesehen.«

Für Euch, liebe Kinder, ist es jetzt an der Zeit, ins Traumland zu reisen … Darum heißt es wieder:

»Gute Nacht und träumt recht schön, schon morgen wird es weiter gehen.«