… die unglaublichen Abenteuer des Herrn Öseblöm –
und seiner Freunde …

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Große Sorgen

»Seid Ihr bereit? Es ist soweit!«

Die nächste Gutenachtgeschichte wartet darauf, erzählt zu werden. Das geht aber nur, wenn Ihr auch gut vorbereitet seid. Deshalb hüpft ganz rasch in Euer Bett, deckt Euch gut zu und macht es Euch wieder so richtig gemütlich. Schließt jetzt bitte die Augen und spitzt Eure Ohren, denn wir begeben uns nun abermals zur Veranda unserer fünf Burschen.

Dort saßen und standen unsere Freunde um den großen Tisch herum und blickten besorgt auf ihren Freund Don Carlos, der wie ein abgemagertes Bündel hilflos auf seinem Rücken lag. Aus kraftlosen Augen schaute er auf.

»Du darfst nicht aufgeben«, brummelte Balthasar und streichelte seinen Freund. Dann versuchte er vorsichtig den Knoten des Halstuches zu lösen.

»Nein,« flüsterte Don Carlos mit schwacher Stimme, »nicht das Halstuch.«

»Das Halstuch hat Dir nur Unglück gebracht!«, klagte Balthasar.

»Viele Freunde …«, flüsterte Don Carlos. »Es brachte mir viele Freunde.«

»Aber Du musst etwas essen!«, widersprach Balthasar voller Verzweiflung.

»Ich esse keine Freunde, niemals!«, brachte der Adler vom hohen Berg mit letzter Kraft hervor.

Dalin hatte inzwischen ein Glas mit Wasser besorgt und reichte dem Adler etwas zu trinken. Dabei stützte er ihn vorsichtig und half ihm, ein paar Tropfen zu sich zu nehmen.

»Vielleicht fangen wir mit Trinken an, bevor wir ans Essen denken«, schlug er vor. »Wie wäre es mit einer warmen Suppe oder einem Glas Milch? Du trinkst doch Milch, oder?«

»Milch?«, zweifelte Don Carlos, dem das Wasser sichtlich guttat.

»Suppe ist gut!«, rief Mallewutz und rannte umgehend ins Haus, nur um gleich darauf mit einer Tasse warmer Suppe aus der Küche zurückzukommen.

Die Freunde machten sich große Sorgen. Der einst mächtige Adler vom hohen Berg war abgemagert bis auf die Knochen und wirkte schwach und verletzlich. Nur sein Wille schien ungebrochen und genau das war nun das Problem.

In diesem Augenblick schaute Balthasar zum Himmel auf und erblickte Amira und Öseblöm, wie sie im Landeanflug auf die Veranda hinabstürzten.

»Öseblöm! Amira!«, rief der kleine Bursche und Erleichterung machte sich in seinem kleinen Herzen breit. »Jetzt wird alles gut!«

»Vielleicht«, zweifelte Dalin, der gerade dabei war, dem Adler den ersten Löffel Suppe einzuflößen. Der kleine Balthasar jedoch ahnte intuitiv, dass nun alles wieder gut würde. Mit Öseblöm an der Seite konnte ihnen einfach nichts passieren.

Öseblöm und Amira hatten schon aus großer Höhe ihren Freund Don Carlos auf der Veranda erkannt. »Oh je«, rief Amira. »Don Carlos sieht schrecklich aus!«

»Wir müssen uns beeilen«, stellte Öseblöm fest und forderte seine Freundin auf, in den Sturzflug überzugehen.

Die Adlerdame legte ihre Flügel eng an den Körper an und schon ging es hinab in die Tiefe. Öseblöm hielt sich an ihrem Hals fest, so gut er nur konnte. Dabei blies ihm der Wind heftig ins Gesicht. Pfeilschnell rasten sie in atemberaubender Geschwindigkeit auf die Veranda zu. Es dauerte wirklich nur wenige Augenblicke, da erreichten die beiden das Geländer der Veranda.

Amira riss ihre mächtigen Flügel weit auseinander und bremste abrupt den waghalsigen Sturzflug ab, sozusagen von Hundert auf Null in nur einem Augenzwinkern. Unser Wanderer verlor dabei seinen Halt und purzelte in hohem Bogen quer über die Veranda, um schließlich neben Dalins Rucksack auf dem Schaukelstuhl zu landen. Der hatte nichts besseres zu tun, als sofort quietschend hin und her zu schaukeln …

Öseblöm rappelte sich auf und rief: »Was für eine Landung!«

Sofort waren Malle und Mallewutz herbeigeeilt, um ihrem Freund zu helfen, aber das war glücklicher­weise nicht mehr notwendig. Unserem Öseblöm ging es soweit gut. Der Wanderer hatte die ungewöhnliche Landung gut überstanden. Er stand schon wieder aufrecht und blickte sich suchend nach allen Seiten um.

»Wo ist Amira?«, fragte er verwundert.

Die Adlerdame hatte sich mit ihren scharfen Krallen am Verandageländer festgehalten. Allerdings konnte sie ihren Schwung nicht ganz abbremsen, sodass sie sich am Geländer, wie an einer Turnstange, gleich zwei mal im Kreise drehte. Nun hing sie kopfüber am Geländer und traute sich nicht mehr, sich zu bewegen.

»Kann mir vielleicht jemand helfen«, knurrte sie etwas mürrisch. Einen solchen Salto hatte Amira auch noch nicht erlebt. Balthasar, der jüngste der fünf Burschen, war ihr am nächsten.

»Darf ich?«, fragte er und half der Adlerdame wieder vorsichtig in die aufrechte Position.

»Danke«, murmelte Amira und blickte voller Sorge zu ihrem Freund Don Carlos.

»Wenigstens haben wir Dich endlich gefunden, alter Freund«, sagte sie und sprang mit einem großen Satz zu Don Carlos auf den Tisch. Der Adler vom hohen Berg schaute traurig zu seiner Freundin. – »Ich gebe das Halstuch nicht wieder her«, sagte er schon mit etwas festerer Stimme. Die Suppe schien bereits eine erste kleine Wirkung zu zeigen. – »Das würde auch nicht mehr helfen«, mischte sich nun Öseblöm ein. »Don Carlos hat das Halstuch schon viel zu lange getragen. Er benötigt es überhaupt nicht mehr, um andere zu verstehen.« – Die Freunde blickten einander betreten an.

Für Euch, liebe Kinder, ist es jetzt an der Zeit, ins Traumland zu reisen … Darum heißt es wieder:

»Gute Nacht und träumt recht schön, schon morgen wird es weiter gehen.«