… die unglaublichen Abenteuer des Herrn Öseblöm –
und seiner Freunde …

Home 9 Gutenachtgeschichten 9 Jahr-01 9 Episode 205

Gespanntes Schweigen

»Seid Ihr bereit? Es ist soweit!«

Der Tag neigt sich dem Ende und es ist Zeit für eine weitere Gutenachtgeschichte. Deshalb solltet Ihr ganz schnell in Euer Bett hüpfen. Deckt Euch nun gut zu und macht es Euch so richtig gemütlich, denn wir wollen wieder bei unseren Freunden auf der Veranda vorbeischauen. Darum wäre es eine ziemlich gute Idee, genau jetzt die Augen zu schließen und Eure Ohren zu spitzen, denn der Riese Handan …

… schleicht gerade mit vorsichtigen Schritten durch die schmalen Gassen des Dorfes.

Noch immer herrschte gebannte Stille in dem Dorf. Niemand, ja wirklich, kein einziger Dorfbewohner hatte sich seit der donnernden Ankunft des Riesen und unseres Abenteurers Kalle aus dem Haus gewagt. Alle Dorfbewohner warteten ängstlich darauf, dass irgendjemand Entwarnung geben würde. Aber da sich niemand aus dem Haus traute, konnte auch keiner wissen, was eigentlich passiert war – außer unseren Freunden natürlich. Die aber hatten andere Probleme.

Don Carlos lag noch immer hilflos auf dem Tisch und machte einen erbärmlichen Eindruck. Aber, und das gab den Freunden etwas Hoffnung, er nahm brav einen Löffel Suppe nach dem anderen zu sich. Öseblöm stützte dabei etwas den Kopf des einst mächtigen Adlers und half Dalin, den Adler vom hohen Berg behutsam mit der nahrhaften Suppe zu füttern.

»Was für eine Idee hat denn Kreszenz?«, fragte Balthasar laut in die Runde.

»Das wüsste ich auch gerne«, meinte Mallewutz.

Die Freunde waren alle so verblüfft, als Handan und Kreszenz einfach so verschwanden, dass sie schlichtweg vergessen hatten, danach zu fragen.

»Ich glaube, er hätte es uns sowieso nicht verraten«, erklang plötzlich Ralles Stimme..

Der junge Bursche stand mit einem strahlenden Lächeln in der Tür, hob seine Hände und drehte sich stolz im Kreis. Seine Hose passte wie angegossen, allerdings war sie etwas zu kurz geraten.

»Wow …, ah …, oh …«, kam es aus der Runde.

»Du bist ja richtig schlank geworden«, bemerkte Balthasar. »Jetzt verstehe ich auch, warum Du nicht mehr Dralle heißen willst.«

»Deine Hose ist zu kurz«, stellte Mallewutz trocken fest.

»Und mein Hemd ist zu groß«, lachte Ralle. »Ich weiß, ich weiß. Ich brauche völlig neue Kleidung. Aber ich kann Euch gar nicht sagen, wie froh ich bin …«

»Euer Abenteuer muss ja ziemlich anstrengend gewesen sein«, vermutete Malle und konnte seine Neugier kaum noch zurückhalten.

»Unsere Abenteuer sind immer anstrengend«, mischte sich nun Amira von Ihrem Platz aus ein.

Diesmal jedoch schien sie nur darauf zu warten, dass ihr Freund Ralle wieder aus seinem Zimmer herauskam. Denn kaum stand der Bursche in der Tür, schwang sie sich kurz in die Lüfte und landete auf seiner Schulter. Ralle hatte nichts dagegen und es sah wirklich so aus, als ob die beiden schon immer so vertraut miteinander waren.

»… und gefährlich und abenteuerlich und aufregend und überhaupt …«, Amira schien sich ganz und gar nicht mehr beruhigen zu wollen.

»Es wird alles gut«, versuchte Ralle sie zu besänftigen und streichelte der Adlerdame mitfühlend über den Schnabel. Öseblöm warf den beiden einen nachdenklichen Blick zu, dann half er Dalin bei dem letzten Löffel Suppe. Don Carlos bedankte sich mit einem müden Blick, anschließend schloss er seine Augen.

»Ist er …«, Balthasar stockte der Atem.

»Er schläft jetzt«, erklärte Dalin. »Das wird ihm guttun.«

In diesem Augenblick spürten unsere Abenteurer, wie anstrengend die Reise doch gewesen war. Sie fühlten sich müde und erschöpft.

»Ich werde uns allen etwas zu essen machen«, meinte Dalin und zog sich ins Haus zurück.

Öseblöm hielt noch immer den Kopf des Adlers.

»Hilf mir, bitte«, bat er Kalle und gab seinem Freund mit einem Kopfnicken ein Zeichen.

Kalle verstand sofort. Rasch packte er mit zu und gemeinsam trugen sie den Adler über die Veranda zum Schaukelstuhl. Dort legten sie Don Carlos vorsichtig auf das bequeme Kissen, auf dem sonst Dalin die Abende verbrachte.

In der Zwischenzeit waren Handan und Kreszenz am Haus des Bürgermeisters angekommen. Noch immer lag dieses gespannte Schweigen über den Dächern.

»Papa!«, rief Kreszenz. »Papa, ich bin es!«

Im oberen Stockwerk wurde in einem Zimmer ein Vorhang beiseitegeschoben und der Kopf des Bürgermeisters kam vorsichtig zum Vorschein. Sein langer, weißer Schnauzbart zitterte, als er seinen Sohn hoch oben, weit über den Dächern der Häuser, erblickte.

Handan ließ den Sohn des Bürgermeisters langsam, fast zärtlich, herunter und bemühte sich, keine weitere Erschütterung zu verursachen.  »Keine Angst, mein Freund«, sagte er nur.

»Wir können alles erklären.« – Der Bürgermeister und seine Frau stürmten zusammen die Treppe herunter und entriegelten die Haustür, dann traten sie auf die Straße und nahmen ihren Sohn in den Arm. – »Papa, es ist alles in Ordnung!«, versuchte Kreszenz junior seinen Vater zu beruhigen. »Wir haben nur leider nicht viel Zeit.« – Damit verschwand er ins Haus, um eine Hose zu suchen.

Für Euch, liebe Kinder, ist es jetzt an der Zeit, ins Traumland zu reisen … Darum heißt es wieder:

»Gute Nacht und träumt recht schön, schon morgen wird es weiter gehen.«