Sehr große Aufregung
»Ich hoffe doch Ihr seid soweit, die nächste Geschichte steht bereit.«
Lasst uns keine Zeit verlieren, denn unsere Freunde auf der Veranda warten bereits auf uns. Darum schlüpft nun ganz schnell unter Eure Bettdecke. Macht es Euch wieder so richtig gemütlich. Seid Ihr bereit? Dann schließt jetzt Eure Augen und macht Eure Ohren ganz weit auf. Wenn Ihr dann auch noch Eure Herzen öffnet, können wir sofort zur Veranda des Burschenhauses fliegen …
Auf der Veranda herrschte große Aufregung.
»Das war keine Absicht!«, rief Kalle und versuchte verzweifelt seine Füße unter Kontrolle zu halten. »Ehrlich, ich weiß überhaupt nicht …«, weiter kam Kalle nicht.
Dix und Dax veranstalteten einen Aufstand, als ginge es um Leben und Tod. Sie klapperten was das Zeug hielt, stießen immer wieder gegen ein Tischbein und traten nach allen Seiten aus.
Unser Kalle sprang auf.
»Nicht ausziehen!«, rief Öseblöm. »Auf keinen Fall ausziehen!«
Aber es war bereits zu spät! Der Bursche hatte schon den ersten Stiefel vom Fuß und hielt ihn fest in der Hand; da schlupfte der Zweite gleich hinterher. Eh man sich versah, rissen sich Dix und Dax los und machten sich auf und davon. Unsere Freunde konnten gar nicht schnell genug schauen. Die Wanderstiefel klapperten quer über die Veranda, sprangen die Stufen hinunter und mit einem Mal waren sie auch schon verschwunden.
»Das kann ja heiter werden«, brummte der Zwerg und verdrehte seine Augen.
»Tut mir leid, ehrlich«, entschuldigte sich Kalle. Der Bursche sah aus, wie ein begossener Pudel.
Balthasar war der Erste, der sich aus seiner Überraschung löste: »Was sitzt Ihr da so rum? Los, hinterher, sie dürfen uns nicht entkommen!«
Mit diesen Worten sprang der jüngste unserer Freunde auf und raste die Verandatreppen herunter. Nach und nach folgten ihm die anderen; nur Öseblöm schien etwas zögerlich.
Handan, der Riese von Wurzelbruck, wirkte ungelenk bei seinem Versuch, die Wanderstiefel zu fassen. Er war schlichtweg zu groß für die kleinen, flinken Stiefel. Außerdem wollte er nicht alles in einen Trümmerhaufen verwandeln. So entschloss er sich, ganz einfach vor der Veranda sitzen zu bleiben und den Freunden immer wieder Hinweise zu geben, wo er die Stiefel gerade gesehen hatte.
»Da!«, rief er und deutete mit seinem großen Zeigefinger unter die Veranda. Sofort krochen die ersten darunter.
»Nein, nicht da!«, rief Handan. »Da!!!«
»Wo?«, kam es zurück.
Bei dem Durcheinander war bald nicht mehr klar, wer gerade was sah und schon gar nicht, wer was rief. Dix und Dax waren so schnell, sie schienen einfach überall gleichzeitig zu sein. Die Freunde sprangen wild durcheinander über den Hof. Manchmal schmiss sich einer lang auf den Boden und griff … natürlich ins Leere. Handan saß da und klatschte ab und zu mit seinen Händen in die Luft. Aber auch er bekam die Stiefel einfach nicht zu fassen.
Öseblöm hingegen lehnte nachdenklich am Verandageländer und schaute dem bunten Treiben zu. Obwohl das alles ziemlich komisch wirkte, war ihm nicht zum Lachen zumute.
»Möglicherweise musst Du Dich von Deinen Stiefeln verabschieden, mein Freund.«
Dalin stand jetzt neben unserem Wanderer, der tief verwundert darüber war, was für einen Aufstand seine Wanderstiefel da veranstalteten.
»Vielleicht kannst Du sie wieder beruhigen?«, meinte Öseblöm. »Spiel auf Deiner Flöte.«
Dalin lächelte: »Gern, aber irgendetwas sagt mir, dass es diesmal nicht funktioniert.«
Der Zwerg wollte kurz ins Haus, dabei wäre er fast mit Mallewutz zusammengerumpelt, der von allen unbemerkt in der Eingangstüre stand und ebenfalls staunend das lustige Treiben beobachtete.
»Was ist denn hier los?«, fragte er.
»Die Stiefel,« rief Dalin, »die Wanderstiefel!« Mit dieser kurzen Erklärung schob er sich an Mallewutz vorbei durch den Türeingang, eilte zu seinem Zimmer und suchte nach seiner Flöte.
Jetzt kamen Malle und Betty zurück von ihrem Spaziergang.
»Halt‘ sie auf!«, schrie Kalle und landete mit einem riesigen Hechtsprung direkt vor Malles Füßen.
»Was für eine Begrüßung!«, lachte Betty. »Aber wir kommen doch freiwillig zurück.«
»Die Stiefel!«, brüllte Kalle jetzt mit hochrotem Kopf.
»Ich glaube, da musst Du nur der Staubspur folgen, die uns gerade begegnet ist.« Die kleine Betty fand das Durcheinander richtig lustig. Malle hingegen brauchte etwas länger, um zu verstehen, was gerade im Gange war.
»Staubspur?«, stotterte Kalle. Ihm schwante nichts Gutes.
Betty drehte sich noch einmal um: »Ja, sie kommt gerade wieder zurück …«
»Kommt zurück?« Kalle fand einfach keine Worte mehr. Es war ihm peinlich, dass er die Stiefel schon für seine eigenen gehalten hatte. Deshalb wollte er jetzt alles dafür tun, dass Öseblöm seine Wander-Stiefel zurückerhielt. Aber Dix und Dax hatten ganz offensichtlich andere Vorstellungen. Kalle riss seine Augen weit auf, als er die riesige Staubwolke sah, die sich nun rasch der Veranda näherte.
Für Euch, liebe Kinder, ist es nun an der Zeit, ins Traumland zu reisen … Darum heißt es wieder:
»Gute Nacht und träumt recht schön, schon morgen wird es weiter gehen.«