… die unglaublichen Abenteuer des Herrn Öseblöm –
und seiner Freunde …

Home 9 Gutenachtgeschichten 9 Jahr-01 9 Episode 213

Sandsturm

»Ich hoffe, Ihr hattet einen schönen Tag?«

Dann lasst uns diesen Tag mit einer noch schöneren Geschichte beenden. Ihr wisst doch, unsere Freunde auf der Veranda warten bereits auf uns. Na ja, genau genommen wissen sie natürlich nicht, dass wir sie beobachten, aber wer weiß … jedenfalls solltet Ihr Euch bereit halten! Also schließt jetzt Eure Augen und spitzt Eure Ohren, denn vor der Veranda unserer Abenteurer staubt es gewaltig!

Die Staubwolke wurde immer größer. Offensichtlich holten die Wanderstiefel erst einmal so richtig aus. Später sollten über dieses Ereignis die merkwürdigsten Erzählungen die Runde machen. Die Stiefel hätten »Anlauf genommen«; aber das war so auch nicht richtig. Dix und Dax nahmen keinen Anlauf, sondern sie stürmten im Kreis und wirbelten dabei derart viel Staub auf, dass eine riesige Staubsäule in den Himmel aufstieg. Es erinnerte eher an einen ausgewachsenen Tornado!

»Um Gottes Willen!«, dachte Kalle, aber er brachte kein Wort heraus.

»Ein Sasasa …«, Malle brachte auch kein vernünftiges Wort mehr zustande.

»Tu doch was!«, rief die kleine Betty. Dem Eichhörnchen war nicht länger zum Lachen zumute, ganz im Gegenteil, sie suchte erst einmal Schutz in Malles Hemd.

Der Tumult vor der Veranda hatte sich schlagartig gelegt; alles schaute unwillkürlich in die Höhe.

»Ich glaube, jetzt ist ein guter Zeitpunkt, auf Deiner Flöte zu spielen!«, rief Öseblöm. Der Wanderer hielt sich am Geländer fest, als er leise vor sich hin murmelte: »Hoffentlich hat das bald ein Ende.«

Dalin, der Zwerg, hatte mittlerweile seine Flöte gefunden und kam damit herausgeeilt.

»Ich habe Zweifel …«, murmelte er; dennoch setzte er an und spielte sein Lied.

Die Töne seiner geheimnisvollen Flöte stiegen auf und tanzten ihren betörenden Reigen; sie breiteten sich weiter aus und ließen sich schließlich vom Wind in alle Richtungen davontragen. Jeden, den sie berührten, verzauberten sie und brachten lang ersehnten Frieden.

Darauf hoffte Öseblöm. Er erinnerte sich, dass Dix und Dax diese Melodie liebten. Jedes Mal, wenn Dalins Lied ertönte, beruhigten sie sich und folgten ihrem Herrn.

Aber heute war alles anders!

Was zunächst als Staubsäule begann, entwickelte sich weiter zu einer riesigen Wand aus Staub, Dreck und Sand. Jetzt sah es aus, wie die Walze eines gewaltigen Sandsturms.

»Du sollst spielen!«, rief Öseblöm.

»Was meinst Du, was ich hier mache«, knurrte Dalin und blies fester in seine Flöte.

Die Staubwand nahm Fahrt auf und kam immer näher. Kalle hatte sich aufgerichtet und kniete vor seinem Freund Malle. Dieser wiederum stand mit weit aufgeklapptem Mund da und starrte völlig entgeistert auf das unglaubliche Schauspiel. In seinem Hemd krallte sich die kleine Betty fest und bibberte. Und die anderen?

Nun, wenn es kurz zuvor noch turbulent zuging, so wurde es jetzt richtig chaotisch! Das kleine Schäfchen Marie versteckte sich unter dem Tisch. Das heißt, sie versuchte sich unter dem Tisch zu verstecken, was ihr aber nicht so ganz gelang; denn leider war die Kleine für den Tisch ein bisschen zu groß geraten. So kam es, dass der Tisch auf der Veranda polternd hin und her geschoben wurde. Mallewutz hingegen hatte sich sofort wieder in sein Zimmer verzogen.

»In Deckung!«, rief Balthasar. Er und Kreszenz stürmten zurück zum Haus.

»Ja, alles sofort in Deckung!«, wiederholte Kreszenz und blieb dicht hinter seinem Freund.

Der Riese aus Wurzelbruck saß noch immer vor der Veranda; allerdings hatte der sich blitzschnell sein Hemd über den Kopf gezogen. Handan verspürte wenig Lust darauf, Staub zu schlucken.

»Ein Sasasa …«, ertönte immer wieder Malle, der sich vor lauter Schreck keinen Millimeter bewegte.

Ralle gab seiner Freundin Amira ein Zeichen, dann versteckte er sich ebenfalls im Haus. Die Sandwand rollte nun auf breiter Front auf unsere Abenteurer zu. Amira breitete ihre Flügel aus und startete mit zwei, drei kräftigen Flügelschlägen in die Höhe. Die Adlerdame musste sich schnell entscheiden; auf keinen Fall durfte ihr Gefieder in diesen Sandsturm geraten.

»Ich hab‘ doch gesagt, Du sollst spielen!«, wiederholte Öseblöm. Der Wanderer war echt überrascht vom Aufstand seiner Stiefel. Dalin spielte, was das Zeug hielt, aber Dix und Dax ignorierten den Zauber der Flöte. Ganz im Gegenteil; jetzt begannen sie erst richtig mit »ihrem Tanz«. Konnte man sie vorher noch sehen und erkennen, wie sie sich im Kreis drehten, so wurden sie in diesem Augenblick eins mit dem gewaltigen Sandsturm, den sie erzeugten. Ihre Geschwindigkeit war so hoch, dass sie nur noch als tiefes Donnergrollen zu hören waren.

»Das klingt ja furchtbar!«, brüllte Handan, dessen Kopf nach wie vor unter seinem Hemd steckte. »Also wenn meine Stiefel so einen Aufstand machen würden …«

Zum Glück gehorchten Handans Wanderstiefel dem Riesen. Sie blieben ganz gelassen, so als hätten sie nichts mit der Angelegenheit zu tun; aber sie wussten genau, was gerade passierte.

Dalin unterbrach sein Flötenspiel. Angesichts des ohrenbetäubenden Lärms machte es auch keinen Sinn mehr. Jetzt hieß es, sich in Sicherheit zu bringen, denn die riesige Sandwand brach über unsere Freunde herein.

Amira musste aus großer Höhe mit Ansehen, wie ihre Freunde und das Haus der fünf Burschen unter der riesigen Wand aus Sand, Staub und Dreck begraben wurden. Das kräftige Husten und Prusten der Abenteurer ging in dem tosenden Lärm unter. Dix und Dax waren außer Rand und Band und es schien, dass niemand sie mehr zügeln konnte.

Für Euch, liebe Kinder, ist es nun an der Zeit, ins Traumland zu reisen … Darum heißt es wieder:

»Gute Nacht und träumt recht schön, schon morgen wird es weiter gehen.«