… die unglaublichen Abenteuer des Herrn Öseblöm –
und seiner Freunde …

Home 9 Gutenachtgeschichten 9 Jahr-01 9 Episode 214

Der Zorn des Zwergs

»Seid Ihr bereit? Es ist soweit!«

Ihr wollt sicher erfahren, wie es unseren Freunden erging. Dann lasst uns gemeinsam eintauchen in das große Abenteuer der jungen Burschen. Hüpft also schnell ins Bett; macht es Euch wieder so richtig gemütlich. Schließt bitte Eure Augen und öffnet Eure Ohren. Und nun lauscht ganz aufmerksam dieser Erzählung, denn die Adlerdame Amira ist gerade total verzweifelt …

Wenn Amira bis hierher jemals geglaubt hatte, sie hätte sich schon einmal Sorgen gemacht, so waren alle bisherigen Abenteuer eine nette kleine Unterhaltung im Vergleich zu den Sorgen, die sie sich jetzt gerade machte. Verzweifelt versuchte sie, irgendetwas zu erkennen; aber die undurchdringliche Wand aus Staub, Dreck und Sand brach nicht nur über ihre Freunde herein, sie begrub alles unter sich.

»Öseblöm!«, rief Amira.

Keine Antwort.

»Ralle!«, versuchte sie es weiter. »Kann mich irgendjemand hören?«

»Ich fühle Dich«, ertönte eine Stimme in ihrem Herzen, »aber ich kann nichts sehen. Es ist alles voller Staub und Sand.« Es war Ralle, der sich gerade noch rechtzeitig ins Haus in Sicherheit gebracht hatte.

»Ich kann von hier oben nichts erkennen«, dachte Amira und sie wusste, dass ihr Freund diese Worte »fühlen« konnte.

Die riesige Staubwand war gerade über unseren Freunden und der Veranda zusammengebrochen, als die Wanderstiefel schon von Neuem ausholten. Kurz hinter dem Haus, im Garten, formte sich bereits eine neue, noch größere Staubwolke; sie stieg in die Höhe, ähnelte wieder dem drohenden Finger eines Tornados und bildete abermals eine gewaltige Wand aus Staub, Dreck und Sand.

»Sie kommen zurück!«, dachte Amira und warnte mit ihren Gedanken ihren Freund unten im Haus. Dort hockten Ralle, Balthasar und Kreszenz hinter den Fenstern und drückten sich ihre Nasen an den Fensterscheiben platt; aber auch sie konnten nichts erkennen. Die Luft auf der Veranda war so voller Staub, dass man seine eigene Hand nicht mehr vor den Augen sehen konnte.

Nur Mallewutz lag in seinem Zimmer auf dem Bett; die Hände hinter seinen Kopf verschränkt und tief in Gedanken versunken.

Währenddessen husteten und prusteten Dalin und Öseblöm und rangen nach Luft. Kalle und Malle waren nicht zu sehen und Marie wanderte noch immer mit dem Tisch auf der Veranda hin und her.

Was Amira aber nun aus der Höhe zu sehen bekam, machte sie noch besorgter. Unter ihr war die Wolke aus Sand und Staub; die näherte sich wieder der Veranda. Doch auch über ihr braute sich etwas zusammen. Dunkle Wolken zogen auf und ein Gewitter bahnte sich an. Die Adlerdame musste sich entscheiden. Sowohl Sandsturm, als auch Gewitter konnten ihr gefährlich werden.

»Ich muss fort!«, sandte Amira einen starken Gedanken an ihren Freund Ralle, dann drehte sie ab.

»Was ist los?«, wollte Ralle noch wissen, aber er erhielt keine Antwort mehr. Plötzlich fühlte sich der junge Bursche so leer und so allein. Es war ein ganz seltsames Gefühl.

In diesem Augenblick lief Dalin, der Zwerg, ziemlich rot an; was jedoch niemand sehen konnte, wegen der riesigen Staubmengen. Das sonst so freundliche Gesicht des Zwerges verdunkelte sich zusehends.

»Es ist genug!«, brüllte Dalin.

Tief in seinem Inneren stieg ein mächtiger Zorn auf, durchfuhr all seine Glieder und verband sich schließlich mit den aufziehenden Gewitterwolken. Dalin hielt seine Flöte hoch in die Luft und richtete sie wie einen Zauberstab gegen den Himmel.

»JETZT!«, mit diesem Wort stampfte er mit seinem Fuß lautstark auf den Verandaboden. Sein Zorn ließ den Boden erzittern und das Beben war noch viele Meilen weit entfernt zu spüren. Es kam als Donnergrollen wieder zurück; wurde stärker und entlud sich schließlich in einem unglaublich hellen Blitz, der knapp neben Handan in den Boden krachte!

Der Riese aus Wurzelbruck spürte zuerst das Vibrieren des Bodens unter seinem Popo und kurz darauf schon den Blitzeinschlag. Danach fiel sämtlicher Staub mit einem Mal zu Boden. Im gleichen Moment war die Luft wieder rein, ganz so als sei überhaupt nichts geschehen.

Dalin stand noch immer mit hoch erhobener Flöte da; seine Augen funkelten vor Zorn und die Gewitterwolken türmten sich bedrohlich auf, über dem ganzen Dorf.

Dix und Dax jedoch schwebten vor der Veranda in der Luft. Wie eingefroren, hingen sie über dem Boden;  so, als hätte jemand die Zeit angehalten.

»Er scheint wieder gesund zu sein«, murmelte Handan und zog sein Hemd langsam herunter. Kaum dass er die Situation überblickte, packte er sich die Wanderstiefel und reichte sie unserem Wanderer.

»Da«, sagte er.

Unser Öseblöm betrachtete nachdenklich die Stiefel.

»Nun nimm schon«, sagte Handan. »Die werden so schnell keinen Ärger mehr machen.«

Langsam legte sich auch Dalins Zorn. Das feurige Funkeln seiner Augen machte einem freundlichen Glitzern Platz und sein Lächeln war auch zurückgekehrt.

Öseblöm machte noch immer keine Anstalten, die Stiefel zu greifen. Der Wanderer dachte nach. Noch nie hatten ihm die Stiefel einen solchen Ärger bereitet.

Tatsächlich wusste niemand, was in die Stiefel gefahren war. »Vielleicht sind das gar nicht mehr meine Stiefel?«, überlegte Öseblöm laut. Mittlerweile waren Kalle, Malle und die kleine Betty zurück auf der Veranda. »Es tut mir leid«, sagte Kalle und klopfte sich den Staub aus seinen Kleidern.

Für Euch, liebe Kinder, ist es nun an der Zeit, ins Traumland zu reisen … Darum heißt es wieder:

»Gute Nacht und träumt recht schön, schon morgen wird es weiter gehen.«