… die unglaublichen Abenteuer des Herrn Öseblöm –
und seiner Freunde …

Home 9 Gutenachtgeschichten 9 Jahr-01 9 Episode 217

Erster Abschied

»Es ist soweit! Seid Ihr bereit? «

Dann lasst uns nicht länger warten. Schlüpft ganz schnell unter Eure Decke und macht es Euch wieder so richtig gemütlich; denn wir wollen doch nichts verpassen, oder? Also schließt nun Eure Augen und spitzt Eure Ohren und dann öffnet bitte auch Eure Herzen; schließlich ist es kein Geheimnis, dass wir unsere Freunde auf der Veranda nur mit offenem Herzen besuchen können.

»Du kannst uns doch nicht einfach allein lassen«, entfuhr es Balthasar. »Ausgerechnet jetzt!«

»Ich finde, es wird zu voll hier«, knurrte Dalin. »Das ist doch nicht mehr gemütlich auf Eurer Veranda. Schaut Euch doch nur um: Ein Schaf, ein Eichhörnchen, ein Adler, sechs Burschen und ein Wanderer ohne Wanderstiefel …«

»… und ein Zwerg!«, ergänzte Kalle. »Dem wir mal eben das Leben gerettet haben, wenn ich mich recht erinnere.«

Dalin kratzte sich verlegen am Hinterkopf.

»Ich weiß«, sagte er schon wieder milder gestimmt. »Dafür bin ich Euch auch dankbar; für Eure Hilfe und Eure Freundschaft, die ihr mir entgegengebracht habt. Dennoch ist es für mich Zeit, weiter zu ziehen. Mir geht es wieder gut. Dank Eurer Hilfe konnte ich zu meinen Kräften finden und hier bei Euch fand ich Sicherheit im Verborgenen.«

»Wie meinst Du das?«, fragte Malle.

Amira warf Öseblöm einen bedeutungsvollen Blick zu. Auch Handan schaute kurz auf, aber die drei Freunde schwiegen.

»Sicherheit im Verborgenen?«, wiederholte nun der kleine Balthasar. »Das klingt aber geheimnisvoll.«

»Was hast Du gegen Schafe?«, meldete sich nun die kleine Marie zu Wort, die diesmal etwas länger gebraucht hatte, um die Worte des Zwergs zu verstehen.

»Nichts,« entgegnete der Zwerg, »wenn sie auf einer Weide grasen. Aber auf einer Veranda?«

»Sind wir keine Freunde?«, fragte Marie ganz leise und an ihrer Stimme merkte man, dass sie plötzlich ganz traurig wurde.

»Aber selbstverständlich sind wir Freunde«, mischte sich jetzt Öseblöm ein. Der Wanderer stand auf und kraulte die kleine Marie wie zur Bestätigung im Nacken.

»Und die Freunde meiner Freunde sind auch Deine Freunde, nicht wahr?«

Mit dieser Frage wandte Öseblöm sich an den Zwerg, der plötzlich eine unbekannte Seite zu zeigen schien. Dalin wirkte nachdenklich.

»Aber natürlich«, sagte er. »Verzeiht mir. Ihr solltet wissen, dass Zwerge in diesem Land zeitlebens allein sind, genau wie Riesen. Deshalb fällt es mir nicht gerade leicht, Vertrauen zu schenken.«

»Aber uns kannst Du doch Vertrauen!«, rief Balthasar, sprang auf, rannte zum Schaukelstuhl herüber und fiel dem Zwerg ganz unvermittelt in die Arme.

Der geheimnisvolle Zwerg war sichtlich gerührt; und, nach kurzem Zögern, drückte er den kleinen Balthasar ganz fest.

»Werden wir uns jemals wiedersehen?«, wollte Balthasar wissen.

»Ganz sicher,« antwortete Dalin, »gleich morgen früh, schließlich bleibe ich noch diese Nacht.«

»Das meine ich nicht!«, entgegnete Balthasar. »Wirst Du wieder kommen. Oder ist das ein Abschied für immer?«

Dalin schaute in den Abendhimmel und sein Blick glitt weit darüber hinaus, in eine noch ferne Zukunft.

»Wir werden uns wiedersehen,« antwortete er, »sogar sehr oft.«

»Und wohin führen Dich Deine Pläne?«, wollte nun Kreszenz wissen. »Ich meine, wo willst Du hin, wenn Du morgen früh abreist? Was ist Dein Ziel?«

»Das Dorf der tausend Mühlen«, stellte Kalle fest. »Er will bestimmt zum Dorf der tausend Mühlen.«

»Natürlich,«, rief Balthasar ganz begeistert. »Du willst in den Chroniken lesen, stimmts?«

Dalin lächelte nur. »Ihr seid wahre Freunde. Aber ich bin sicher, das ich nicht der Einzige bin, der morgen auf Reisen geht.«

Das war das Startsignal. Jetzt ging alles um die neuen Pläne, von denen Öseblöm gesprochen hatte. Kalle spitzte sofort seine Ohren, denn er spürte bereits das nächste Abenteuer; und mit seinen neuen Wanderstiefeln fürchtete er keinerlei Gefahr.

»Vielleicht könnte Öseblöm neue Wanderstiefel bekommen?«, sprach Kreszenz seinen Gedanken laut aus. »Ich meine, jetzt wo er keine Wanderstiefel mehr hat, wäre er doch viel zu langsam unterwegs, oder?«

Dix und Dax klapperten vor Aufregung, aber sie blieben dicht bei Kalle, der sich immer noch scheute, seine neuen Wanderstiefel anzuziehen.

»Ich glaube nicht, dass man solche Stiefel irgendwo kaufen kann«, äußerte Malle nun seine Zweifel. »Woher stammen überhaupt diese Stiefel? Ich meine, wer hat sie geschaffen?«

Das war eine wirklich gute Frage. Keiner der Freunde hatte sich bislang darüber Gedanken gemacht. Mit Ausnahme von Handan, Öseblöm und Dalin vielleicht. Der Riese von Wurzelbruck jedoch schwieg nachdenklich. Öseblöm schwieg ebenfalls und warf Dalin einen fragenden Blick zu. – »Ihr müsst zum Stiefelmacher«, erklärte der Zwerg und unterbrach damit die gedankenverlorene Stille.

Für Euch, liebe Kinder, ist es nun an der Zeit, ins Traumland zu reisen … Darum heißt es wieder:

»Gute Nacht und träumt recht schön, schon morgen wird es weiter gehen.«