Wo liegt das Mühldorf?
»Es ist soweit! Seid Ihr bereit?«
Dann lasst uns nicht länger warten! Das nächste Abenteuer hat gerade begonnen. Daher hüpft wieder ganz schnell in Euer Bett, deckt Euch gut zu und macht es Euch so richtig gemütlich. Nun schließt bitte die Augen und spitzt Eure Ohren; wenn Ihr jetzt noch Eure Herzen weit aufmacht, können wir sofort mit der nächsten Geschichte beginnen.
Amira war nur noch als kleiner Punkt am Himmel zu sehen und die Staubwolke, die Kalle und Dalin hinterließen, hatte sich schon wieder in Luft aufgelöst. Nichts wies darauf hin, dass gerade ein großes Abenteuer begonnen hatte. Öseblöm saß weiterhin am Frühstückstisch und trank seinen Tee; Handan saß vor der Veranda und schien ein Paar Sachen zu packen; Malle und Ralle bereiteten sich auf ihre Arbeit vor und Mallewutz, Balthasar und Kreszenz schließlich dachten an die Schule.
Ach ja, das Schäfchen Marie hielt sich dicht bei dem Riesen aus Wurzelbruck. Sie war die Einzige, der man die Aufregung anmerken konnte.
»Vielleicht sollte ich noch kurz bei meinen Eltern vorbeischauen«, überlegte Kreszenz.
»Du meinst, vor der Schule?«, fragte Balthasar. »Dann musst Du Dich aber beeilen, sonst kommst Du zu spät!«
»Na, das wäre aber ein Abenteuer,«, meinte Kreszenz, »zu spät in die Schule kommen.«
»Ja, die Schule ist schon sehr abenteuerlich«, bestätigte Balthasar, aber alle fühlten, dass er das nicht wirklich ernst meinte.
»Stimmt«, grinste Mallewutz, der ständig an sein Gespräch mit Öseblöm dachte.
»Ihr müsst jetzt los«, erinnerte Malle seine Freunde an die Uhr, deren Zeiger unerbittlich voranschritt.
Während dieser eher belanglos wirkenden Unterhaltung dachte Marie angestrengt und gründlich nach. Was das anging, wurde sie ihrem Herdenführer immer ähnlicher; langsam, dafür gründlich und alle Details berücksichtigend.
»Also Amira kennt sich ja gut aus«, unterbrach sie die Vorbereitungen der Freunde. »Ich meine, sie weiß ziemlich gut, wo Bettys zuhause zu finden ist; den Wald, ihr wisst schon.«
»Ja und?«, entgegnete Malle und meinte eigentlich: »Was willst Du uns damit sagen?«
Doch das Schäfchen lies sich nicht beirren.
»Woher weiß Kalle denn, wo er das Dorf der tausend Mühlen findet? Schließlich war er noch nie dort. Und wenn ich richtig zugehört habe, war auch Dalin noch niemals dort, oder? Kennen die beiden überhaupt den Weg?«
Das war nicht nur eine gute Frage, das war ein berechtigter Grund zur Sorge! Wie um alles in der Welt sollten die beiden das Dorf finden. Sie haben sich nicht einmal den Weg beschreiben lassen.
»Ihr seid immer so schnell, ihr Menschen«, sinnierte Marie.
»Manchmal sind wir vielleicht etwas übereifrig«, entschuldigte Malle das stürmische Verhalten seiner Freunde. »Sie werden es schon merken.«
»Und dann?«, fragte Handan. »Sollen wir jetzt hier warten, bis den beiden klar wird, dass sie den Weg nicht kennen und umdrehen?«
»Ich bleibe noch gerne etwas länger«, bemerkte das Schäfchen. »Aber ihr habt ja immer keine Zeit!«
Öseblöm dachte nach und schaute zu Balthasar.
»Kannst Du?«, fragte er den Kleinsten der Burschen.
Balthasar begriff sofort. Er »fühlte« sich in Kalle und Dalin hinein.
Stille.
Alles blickte auf den kleinen Burschen, wie er so dastand; schweigend, mit geschlossenen Augen und sich konzentrierte.
»Sie kommen zurück!«, sagte er.
Öseblöm lächelte still. Die ganze Entwicklung stimmte ihn hoffnungsvoll. Im gleichen Augenblick sah man schon eine große Staubwolke heranrasen und nur ein Augenzwinkern später stürmten Kalle und Dalin auf die Veranda.
Das heißt, Kalle stürmte auf die Veranda; Dalin hingegen versuchte, sich verzweifelt am Hemd des Burschen festzuhalten. Er hing eher wie ein hüpfender Rucksack auf dem Rücken des Abenteurers.
»Das war die kürzeste und unbequemste Reise, die ich je hatte!«, beschwerte sich Dalin, als sie die Veranda erreichten. Der Zwerg war froh, als er wieder festen Boden unter seinen Füßen spürte.
»Gut, dass ihr noch hier seid! rief Kalle, noch völlig außer Atem. »Wo finden wir überhaupt das Dorf der tausend Mühlen?«
Die Freunde lachten. »Das fällt Euch aber früh ein«, stellte Mallewutz fest.
»Gerade noch rechtzeitig«, sagte Öseblöm. »Eigentlich hättet Ihr es ja wissen können.«
»Wie meinst Du das?«, fragte Kalle und stutzte. »Na ja,« entgegnete Öseblöm, »schließlich waren Dix und Dax schon mehrfach dort, nicht wahr?« – »Du meinst, ich hätte mit Deinen, äh, mit meinen Stiefeln reden sollen?«. Kalle war nun vollends verblüfft. Auf die Idee muss man erst einmal kommen! Wer redet denn schon mit seinen Schuhen. Dix und Dax jedoch klapperten vor Aufregung und zeigten deutlich, dass sie verstanden hatten, worum es ging.
Für Euch, liebe Kinder, ist es nun an der Zeit, ins Traumland zu reisen … Darum heißt es wieder:
»Gute Nacht und träumt recht schön, schon morgen wird es weiter gehen.«