Großer Aufbruch
»Ich hoffe, Ihr hattet einen schönen Tag?!«
Dann wird es Zeit, dass wir diesen Tag mit einer noch schöneren Geschichte beenden. Daher hüpft nun ganz schnell in Euer Bett; deckt Euch gut zu und macht es Euch wieder so richtig gemütlich. Jetzt schließt Eure Augen und spitzt Eure Ohren; gut aufgepasst, denn wir begleiten unsere Freunde bei ihrem unbeschreiblichen Abenteuer, von dem sie noch lange erzählen sollten.
Dix und Dax klapperten vor Aufregung. Da Kalle die Stiefel an seinen Füßen trug, sah das natürlich ziemlich komisch aus. Ein Außenstehender hätte denken müssen, der junge Bursche würde einen eigenartigen Tanz auf der Veranda ausführen.
»Nun beruhigt Euch doch endlich!«, rief er immer wieder.
»Ihr wisst wirklich, wo wir das Mühldorf finden?«, vergewisserte sich Kalle ein letztes Mal.
Diesmal antworteten die Stiefel mit einem strammen »Klack, Klack« und gaben allen zu verstehen, dass es jetzt endlich losgehen konnte.
»Diesmal bindest Du mich besser fest«, knurrte Dalin, der keine Lust hatte, erneut wie ein labbriger Rucksack auf dem Rücken seines Freundes hin und hergeschleudert zu werden.
»Gute Idee«, meinte Kalle, ging kurz in die Knie, damit der Zwerg besser auf seinen Rücken klettern konnte und sicherte ihn schließlich mit seinem Seil.
»Für uns ist es jetzt auch Zeit«, sagte Öseblöm, packte noch ein Paar Sachen und stieg zu Handan auf die Schulter. Der Riese aus Wurzelbruck richtete sich vorsichtig auf und nachdem auch er starklar war, hob er die kleine Marie ganz behutsam auf.
»Ich hoffe, Du hast es in meiner Hand bequem?«, fragte Handan.
Das kleine Schäfchen nickte nur.
»Wir machen uns jetzt auch auf«, sagte Balthasar. »Kommt gesund zurück!«
So kam es, dass unsere Freunde fast gleichzeitig aufbrachen in ihr gemeinsames Abenteuer; jedoch sollte es für jeden etwas anderes bereithalten.
Malle und Ralle begaben sich zu ihrem Feld, um dort nach dem Rechten zu schauen. Kreszenz rannte los, um vor der Schule noch kurz bei seinen Eltern vorbeizuschauen. Mallewutz und Balthasar gingen langsam Richtung Schule; Handan hingegen schlich vorsichtig auf Zehen durch die Dorfstraßen, um größere Erschütterungen zu vermeiden. Aber von Kalle und Dalin war nur noch eine große Staubwolke zu sehen.
Diesmal kam der Zwerg deutlich besser zurecht. Auf dem Rücken seines Freundes war es zwar nicht so bequem wie in seinem Schaukelstuhl, aber dank Kalles Seil fand Dalin einen guten Halt. Auch wenn die zwei sehr schnell vorankamen; war der Zwerg ein wenig in Sorge; schließlich waren die beiden Abenteurer schon von Weitem zu erkennen.
»Es ist nicht immer gut, wenn man zu viel Staub aufwirbelt«, dachte Dalin und war sich nicht mehr so sicher, ob er nicht doch hätte allein gehen sollen.
Unserem Kalle allerdings gefiel die Reise. Dix und Dax liefen wie am Schnürchen und so verging die Zeit im wahrsten Sinne des Wortes »wie im Fluge«.
»Sitzt Du bequem?«, fragte Kalle seinen Begleiter.
»Es geht so!«, rief Dalin so laut er nur konnte, denn der Wind pfiff ihm ganz schön um die Ohren.
»Du solltest Dich jetzt ganz ganz festhalten!«, rief Kalle.
Der Bursche dachte gerade darüber nach, noch viel schneller das Mühldorf zu erreichen, als Öseblöm. »Eine halbe Tagesreise …«, hatte Öseblöm gesagt.
»Was hast Du vor?«, fragte Dalin. Dem Zwerg schwante nichts Gutes.
»Halt Dich fest!«, empfahl Kalle, dann rief er laut: »DIXIDAXI DIDELDUMM …!!!«
Fast schien es, als würden Kalles Wanderstiefel freudig grinsen. Mit einem kurzen Ruck wurden sie noch viel schneller, als je zuvor.
Dalin, der vor lauter Windbrausen nichts mehr hören konnte, schnappte nach Luft und hielt sich im letzten Moment an Kalles Schulter fest. Ohne Kalles Seil wären die Abenteurer jetzt getrennte Wege gegangen, oder besser geflogen; denn von »Gehen« konnte hier wirklich keine Rede mehr sein.
Die Sonne hatte noch lange nicht ihren Zenit erreicht, da konnten sie schon in der Ferne am Horizont einen großen Hügel erkennen; und darauf eine noch größere Windmühle.
»Da ist es!«, brüllte Kalle und gab seinen Wanderstiefeln ein Zeichen, etwas abzubremsen.
»Junge, Junge!«, rief Dalin. »Ich glaube, ich bin noch nie in meinem Leben so schnell gereist.«
»Oh doch,« sagte Kalle, »einmal.«
Der Bursche erinnerte sich daran, wie Kasran den verletzten Zwerg davongetragen hatte; damals …
»Ist das wirklich schon so lange her?«, dachte er. Irgendwie ist die Zeit viel schneller vergangen, seit sie die Bekanntschaft von Vinidi Öseblöm gemacht hatten.
»Gleich haben wir das Dorf erreicht«, meinte der Zwerg. »Vielleicht sollten wir uns etwas langsamer nähern. Ich möchte nicht, dass die Dorfbewohner Angst vor uns bekommen.«
»Aber wir sind doch harmlos«, entgegnete Kalle. »Die Leute dort brauchen doch vor uns keine Angst haben.« – »Das sagst Du so, in Deinem jugendlichen Leichtsinn«, antwortete Dalin. »Vermutlich haben Sie uns schon die ganze Zeit gesehen.« – »Wie sollten sie uns sehen, auf die Entfernung?« – »Na ja, wenn ich nicht irre, rast seit geraumer Zeit eine riesige Staubwolke auf das Mühldorf zu«, erklärte Dalin. Jetzt verstand unser Bursche. Im Mühldorf wurde gerade Alarm ausgerufen.
Für Euch, liebe Kinder, ist es nun an der Zeit, ins Traumland zu reisen … Darum heißt es wieder:
»Gute Nacht und träumt recht schön, schon morgen wird es weiter gehen.«