… die unglaublichen Abenteuer des Herrn Öseblöm –
und seiner Freunde …

Home 9 Gutenachtgeschichten 9 Jahr-01 9 Episode 232

Betty und Amira

» Es ist soweit! Seid Ihr bereit?«

Die nächste Episode unserer Gutenachtgeschichten wartet auf Euch. Also macht, dass Ihr ganz schnell ins Bett kommt. Nun deckt Euch gut zu. Habt Ihr es auch richtig gemütlich? Dann ist es an der Zeit, die Augen zu schließen. Spitzt jetzt Eure Ohren und passt gut auf, denn heute begleiten wir die Adlerdame Amira und Betty, das Eichhörnchen, auf ihrer spannenden Reise.

Mit ihren gefährlich scharfen Krallen trug Amira das kleine Eichhörnchen so behutsam und vorsichtig, als hätte sie ihr eigenes Kind in Händen. Es genügten wenige, sehr kräftige Flügelschläge, um sich in die Lüfte zu erheben. Nach ein paar Minuten war die Veranda unserer Freunde nur noch als kleiner Punkt zu erkennen. Die Staubwolke jedoch, die Kalle hinterließ, war von hier oben aus gut zu sehen.

»Nanu«, sagte Amira, als sie erkannte, dass die Staubwolke offensichtlich noch einmal zurückkehrte. »Hat unser Freund etwas vergessen.«

Die kleine Betty jedoch verstand kein Wort. Genaugenommen hörte sie überhaupt nicht, dass Amira irgendetwas gesagt hatte. Für das Eichhörnchen war die Adlerdame stumm, wie jeder gewöhnliche Adler.

»Vielleicht hätten wir doch Öseblöms Halstuch mitnehmen sollen«, rief Betty.

Aber für Amira klang das Ganze wie ein jämmerliches Fiepen.

»Du musst keine Angst haben«, rief sie der Kleinen zu. »Ich passe schon auf, dass Dir nichts passiert und ich werde Dich auf keinen Fall fallen lassen.«

So stiegen die beiden in immer größere Höhen auf, bis sie schließlich am Horizont die ersten Gipfel des hohen Berges erkennen konnten. Dann erst ging die Reise richtig los; schließlich hatte Amira es eilig.

Sie wollte spätestens am Abend wieder zurück sein.

»Sie versteht mich nicht«, dachte Betty und versuchte, sich zu beruhigen: »Aber Amira ist meine Freundin.« Immer wieder wiederholte sie diesen Gedanken.

Nach einiger Zeit überflogen sie die Schafherde. Die Adlerdame bemerkte sehrwohl, dass Öseblöm und Handan noch nicht dort waren.

»Naja, vielleicht sind sie aufgehalten worden.«

Auch Amira bedauerte ein wenig, dass sie sich nicht austauschen konnten. Immer wieder spürte sie in sich hinein, ob Ralle vielleicht irgendwelche Nachrichten für sie hätte. Aber Ralle schwieg.

So erreichten die beiden gegen Mittag das gewaltige Bergmassiv. Sofort begann Amira, sich in weiten Kreisen in die Höhe zu schrauben. Der kleinen Betty wurde dabei richtig schwindelig.

»Ich darf einfach nicht hinuntersehen«, dachte sie und hielt ihre Augen geschlossen.

Es war früher Nachmittag, als die beiden endlich Bettys Wald erreichten. Amira ging zügig in den Sinkflug über; nicht so schnell, wie sie es mit Öseblöm gewohnt war, aber die kleine Betty schnappte innerlich schon nach Luft.

»Wo soll ich Dich absetzen?«, fragte Amira und erhielt keine Antwort.

»Ach ja, du verstehst mich nicht. Das ist jetzt aber gar nicht gut.«

Genau vor diesem Augenblick hatte sich das Eichhörnchen immer gefürchtet. Wie sollten sich die beiden nur verständigen? Während sie nun ständig aufeinander einsprachen, was jedoch keiner von ihnen bemerkte, kamen sie den ersten Baumkronen immer näher.

Betty wollte am liebsten gleich in die Mitte des Waldes, zu ihrer Familie und ihren Freunden. Amira hingegen überlegte, ob sie die Kleine nicht am Waldeingang absetzen sollte. So segelte die Adlerdame über die Baumkronen hinweg und wunderte sich, dass ihr Fluggast ein wenig unruhig zwischen ihren Klauen hin und her zuckte.

»Freust Du Dich schon, wieder daheim zu sein?«, fragte Amira; erwartete jedoch keine Antwort mehr.

»Hilfe!«, ertönte es mitten aus dem Wald.

»Hilfe!«

Betty erstarrte vor Schreck. Amira hingegen flog langsam weiter, denn sie hörte nichts, außer dem Rauschen des Windes in den Baumkronen.

»Hilfe …!«

Der Hilferuf wurde leiser. Das Eichhörnchen hatte die Stimme erkannt. Es war einer ihrer Cousins, der offensichtlich in Schwierigkeiten steckte. Betty musste schnell handeln. Da sie sich nicht verständigen konnte, entschloss sie sich zu einem, sagen wir einmal, ungewöhnlichen Manöver. So vorsichtig sie konnte, biss sie der Adlerdame in den Fuß. Gerade fest genug, dass Amira kurz aufschrie und die kleine Betty fallen lies …

So purzelte Betty herunter und stürzte mitten in die Baumkronen. Geschickt hielt sie sich an den ersten feinen Ästen fest und sprang sogleich von Ast zu Ast, immer in Richtung des Hilferufs.

»Bist Du denn von allen guten Geistern verlassen?«, rief Amira und schaute der kleinen Betty hinterher. Genau in diesem Moment erhielt sie die Nachricht von Ralle: »Don Carlos geht es gut. Er ist auf dem Weg der Besserung.«

Die Adlerdame machte kehrt und landete in den dichten Baumkronen, ganz in der Nähe der Stelle, an der sie Betty fallengelassen hatte. »Jetzt verstehe einer dieses Eichhörnchen«, knurrte Amira ratlos und auch ein wenig verstimmt. Auch wenn sie nicht verstand, warum Betty sie gebissen hatte; Amira wollte ihre Freundin auf keinen Fall im Stich lassen.

Für Euch, liebe Kinder, ist es nun an der Zeit, ins Traumland zu reisen … Darum heißt es wieder:

»Gute Nacht und träumt recht schön, schon morgen wird es weiter gehen.«