Bärentanz
»Seid Ihr bereit? Es ist soweit!«
Die nächste Episode unserer Gutenachtgeschichten wartet schon auf Euch. Darum hüpft jetzt ganz schnell in Euer Bett und deckt Euch gut zu. Macht es Euch so richtig gemütlich. Nun schließt bitte Eure Augen und öffnet Eure Ohren; passt gut auf, denn Betty, das kleine Eichhörnchen, hat gerade alle Hände voll zu tun, ihren Cousin aus den Klauen des Bären zu befreien.
Betty zögerte keine Sekunde. Blitzschnell rannte sie auf den riesigen Bären zu; biss ihn mit ihren messerscharfen Zähnen in den Fuß, nur um sofort danach auf dem Rücken des Bären nach oben zu klettern. Im Nacken angekommen biss sie ein weiteres Mal zu; so fest sie nur konnte.
Der Braunbär schrie auf, als ein stechender Schmerz in seinem Fuß ihn an seinem Vorhaben hinderte. Zwar gab der Bär sein Opfer frei, aber Bettys Cousin war viel zu geschwächt. Er lag völlig entkräftet am Boden und rührte sich nicht. Mit einem Blick erfasste Betty die Situation. Wagemutig sprang sie vom Nacken des Braunbären herunter auf den Waldboden. Bei der Gelegenheit biss sie dem garstigen Gesellen auch noch in seinen anderen Fuß.
»Aua, aua!«, schrie der Bär und hüpfte von einem Fuß auf den anderen.
Jetzt sah er die kleine Betty, wie sie sich kurz über ihren Cousin beugte. Für einen kleinen Moment passte unsere Betty nicht auf.
»Was für ein Tag!«, brüllte er und ließ mit seinem wilden Schrei den ganzen Wald erzittern. Den beiden Eichhörnchen jedoch fuhr der Schreck in die Glieder. Sie erstarrten und konnte sich nicht regen. An Flucht war nicht mehr zu denken.
»Dann bekomme ich heute gleich zwei von Eurer Sorte«, bemerkte der Braunbär und schleckte sich genüsslich seine Zunge.
»Und wie friedlich ihr darauf wartet, gefressen zu werden. Ach je, ach je.«
Zur gleichen Zeit warteten auf der Veranda unserer Burschen alle Freunde auf Neuigkeiten. Der kleine Balthasar war kreidebleich und ebenfalls starr vor Schreck. Mallewutz und Kreszenz kamen herbei, um ihren Freund zu stützen. Währenddessen erfuhr Ralle von Amira, dass sie Betty gefunden hatte …
»Amira ist da!«, rief er; ebenso aufgeregt wie alle anderen.
In diesem Augenblick stürzte sich Amira auf den Bären. Sie hatte noch nicht vergessen, was er ihrem Sohn Pepe angetan hatte.
Der Braunbär war völlig überrascht, als sich plötzlich von oben ein dunkles Etwas auf ihn stürzte; begleitet von einem markerschütternden Schrei. In diesen Schrei mischte sich sein eigenes Wimmern, sobald Amiras Klauen sich in seiner Nase vergruben. Unerbittlich hackte die Adlerdame auf ihn ein, dabei wich sie seinen gefährlichen Tatzen immer wieder aus.
Der Braunbär tanzte jetzt erneut im Kreis, denn Betty hatte kaum ihre Fassung zurück, da biss dem garstigen Zeitgenossen abermals in seine Füße.
»Achtung!«, rief Amira, stürzte sich nach unten und ergriff mit ihren Klauen die beiden Eichhörnchen. Den Ruf hatte Betty nicht vernommen, aber sie verstand sofort, was Amira vorhatte.
»Keine Angst!«, rief Betty ihrem Cousin zu, und versuchte ihn zu beruhigen. Der hatte sich nämlich von dem einen Schreck noch gar nicht erholt, da fiel er schon in den nächsten.
Es ging alles sehr schnell.
Die Adlerdame schwang sich mit zwei, drei kräftigen Flügelschlägen in die Höhe und steuerte auf den erst besten Baum zu. Der Braunbär versuchte noch, mit einer Tatze nach ihr zu schlagen, aber Amira war schneller.
»Nein,« rief plötzlich Balthasar, »nicht den Baum.«
Ralle übersetzte und gab Amira Bescheid.
»Nimm den Nachbarbaum, der ist besser.«
Die Adlerdame verstand zwar nicht, warum sie einen anderen Baum wählen sollte, aber Ralles Gedanken waren klar und eindeutig. Balthasar wiederum wusste natürlich auch nicht, warum Betty einen anderen Baum wollte, aber er beschrieb »das Gefühl« und gab es einfach mal so weiter.
Das Eichhörnchen schließlich, wusste überhaupt nicht, was vor sich ging. Sie bemerkte lediglich, dass Amira auf ihre Gefühle reagierte.
Und so kam es, dass Amira genau auf dem »richtigen« Baum landete und unsere beiden Eichhörnchen wohlbehalten dort absetzte.
Betty huschte geschwind am Baumstamm entlang und kam mit ein paar Nüssen zurück, die sie in einem verlassenen Hohlraum versteckt hatte.
In der Zwischenzeit hatte sich der Braunbär etwas erholt und war dem Adler gefolgt.
»Frechheit«, dachte er sich. »Wie kann die gefiederte Furie es nur wagen, sich hier einzumischen.« Jetzt stand er unterhalb des Baumes und richtete sich an dem Stamm auf.
Unsere kleine Betty aber nahm nun ihre Nüsse und bombardierte damit den Braunpelz. »Ich werde Dir zeigen, ein Eichhörnchen zu fressen«, rief sie erbost und traf den Braunbären mit den harten Nüssen auf Kopf, Nase und sogar ins Auge. – Amira jedoch erkannte, dass ihre Freundin nun alles im Griff hatte. »Sie kommt zurück«, sagte Ralle. »Amira kommt zurück und Betty ist in Sicherheit.« – Auf der Veranda unserer Burschen machte sich Erleichterung breit. »Nun muss nur noch Öseblöm Erfolg haben«, meinte Kalle. »Könntest Du vielleicht mal nachschauen, wie es ihm geht?« – Balthasar hingegen schüttelte nur still seinen Kopf.
Für Euch, liebe Kinder, ist es nun an der Zeit, ins Traumland zu reisen … Darum heißt es wieder:
»Gute Nacht und träumt recht schön, schon morgen wird es weiter gehen.«