Zwischenstation
»Es ist soweit! Seid Ihr bereit?«
Dann lasst uns den heutigen Tag mit einer wunderbaren Geschichte beenden. Dazu solltet Ihr jetzt ganz schnell in Euer Bett hüpfen. Deckt Euch gut zu und macht es Euch wieder so richtig gemütlich. Seid Ihr startklar? Dann schließt bitte Eure Augen und macht Eure Ohren ganz weit auf, denn heute wollen wir erfahren, wie es um Vinidi Öseblöm gerade bestellt ist …
Kalle war verblüfft. Er hatte mit allem, nur nicht mit Balthasars Kopfschütteln gerechnet. »Du kannst nicht nachschauen, wie es unserem Öseblöm geht?«
Wieder schüttelte Balthasar seinen Kopf.
»Ich fühle nichts«, antwortete er. »Es ist, als hätte Öseblöm den Zugang abgeschaltet.«
Kurzes Zögern.
»Aber nimm mich bitte nicht zu wörtlich. Es fällt mir eh schwer, das Alles in Worte zu fassen und zu beschreiben. Geht es Dir mit Deinen Stiefeln nicht ähnlich?«
»Ja; es fühlt sich alles so neu an.« Jetzt wurde auch Kalle nachdenklich.
»Dann versuche es doch bei Handan, oder bei Marie«, schlug Malle vor. »Solange sie zusammen sind, könntest Du doch auf dem Wege etwas in Erfahrung bringen.«
»Das würde ich an Deiner Stelle nicht tun!« Dalin griff nun ein. »Bei Marie; vielleicht, aber bei dem Riesen aus Wurzelbruck; auf keinen Fall!«
Der Zwerg sprach mit einem solchen Ernst in der Stimme, dass Balthasar sich schon schuldig fühlte, wegen seinem Eingreifen vorhin.
»Vorhin war das etwas völlig anderes«, nahm Dalin Balthasars Gedanken auf. »Unsere Freunde waren in Gefahr und Deine Hilfe mehr als willkommen. Aber sei gewiss: Sobald Vinidi Öseblöm Dir etwas mitteilen möchte, so wirst Du es wissen. So einfach ist das.«
Am Tisch breitete sich erneut nachdenkliche Stille aus.
Nach einer Weile stand Mama Rums auf und begann, den Tisch abzuräumen.
»Das können wir doch machen!«, rief Kalle, sprang ebenfalls auf und nahm Mama Rums die leeren Teller aus der Hand.
Das war das Zeichen zum Aufbruch. Bürgermeister Kreszenz erhob sich, gab seinem Sohn noch ein Zeichen und verabschiedete sich. »Wir sehen uns heute Abend. Komm bitte nicht so spät.«
Pimpinelle warf ihrer Mutter einen schmachtenden Blick zu. Mama Rums musste nicht lange darüber nachdenken. »Sieh zu, dass es auch bei Dir nicht so spät wird.«
»Danke Mama!«, rief Pimpinelle.
»Ich kann Pimpi ja später nach Hause bringen«, schlug Kalle vor. »Mit meinen Wanderstiefeln …«
Alle lachten.
»Da musst Du die Kleine aber gut festbinden«, meinte Dalin.
Also warteten die Freunde gemeinsam auf der Veranda auf Amiras Heimkehr. Währenddessen erreichten Öseblöm, Handan und das Schäfchen Marie die Schafherde.
Deren Reise verlief erheblich ruhiger, als Kalles »Super-Kurz-Ausflug« mit Dalin. Das lag zum einen daran, dass Handan schon viel mehr Erfahrung mit seinen Wanderstiefeln besaß und zum anderen sicher auch daran, dass der Riese sehr behutsam das Schäfchen Marie in seinen Händen trug.
Die kleine Marie hielt einfach ihre Augen geschlossen und stellte sich in Gedanken vor, wie sie mit ihren Freunden auf der Weide spielte. So bekam das Schäfchen fast nichts mit, von dieser durchaus atemberaubenden Reise.
Öseblöm hingegen war in sich gekehrt und grübelte über ihr Vorhaben: »Hat der Stiefelmacher für mich ein paar Wanderstiefel bereit? Werden wir ihn überhaupt finden?«
Lange Zeit hatte sich der Wanderer überhaupt keine Gedanken darum gemacht. Aber jetzt musste er hinschauen. Ohne Wanderstiefel würde er wirklich nicht sehr weit kommen; also, ohne eigene Wanderstiefel.
Dem Riesen Handan stand auch nicht der Sinn nach Reden. Auch er war tief in Gedanken versunken, während die weite Ebene an ihnen vorbeirauschte. So erreichten die Abenteurer schließlich die Schafherde, ihre erste Zwischenstation.
Schon lange vor ihrer Ankunft dort, reduzierte Handan seine Geschwindigkeit. Dennoch registrierte Erik, der Anführer der Schafherde, den vibrierenden Boden. Er wusste auch bereits, dass es sich um freundlichen Besuch handeln würde, denn dieses Vibrieren kannte er nur allzu gut.
»Vielleicht sind sie ja diesmal nicht so schnell«, dachte Erik und kaute weiter an einem grünen Blatt.
Als Öseblöm die Schafherde erblickte, freute er sich und konnte ein Grinsen nicht verkneifen. Diesmal wollte er sich Zeit nehmen. Das sollte sich noch als gute Idee erweisen.
Mittlerweile schlich Handan auf Zehenspitzen heran.
»Wir sind da, Kleines«, sagte er endlich, öffnete behutsam seine Hand und setzte die kleine Marie am Boden ab. Diese war sichtlich erleichtert und wurde schon bald von ihren Freunden umringt. – Öseblöm war ebenfalls herabgestiegen und ging schnurstracks auf Erik zu. »Es ist schön, Sie wieder zu sehen«, begrüßte er den Anführer der Schafherde. Erik von Weidenstamm nickte nur und wirkte tatsächlich so, als würde er lächeln. »Ich freue mich ebenfalls«, antwortete er. Dabei sprach er jedes Wort besonders langsam aus. – »Wir haben Zeit«, entgegnete Öseblöm. Diesmal sprach auch er mit Bedacht. – »Nicht ganz«, bemerkte der Bock und gab Öseblöm ein Zeichen, ihm zu folgen.
Für Euch, liebe Kinder, ist es nun an der Zeit, ins Traumland zu reisen … Darum heißt es wieder:
»Gute Nacht und träumt recht schön, schon morgen wird es weiter gehen.«