Kuckucksdorf
»Ich hoffe, Ihr hattet einen schönen Tag?!«
So lasst uns diesen Tag mit einer wunderbaren Gutenachtgeschichte beenden. Hüpft also ganz schnell wieder in Euer Bett und deckt Euch gut zu. Seid Ihr bereit? Dann schließt jetzt Eure Augen und spitzt Eure Ohren. Anschließend macht Eure Herzen ganz weit auf, denn nur wirklich liebevollen Herzen ist es gegeben, in diese fantastische Welt einzutauchen. Die Welt unserer fünf Burschen …
… und ihren Freunden.
Öseblöm und Handan rasten gerade um die südlichen Ausläufer des »hohen Berges« herum. Trotz ihres hohen Tempos dauerte dies doch einigermaßen lange.
In der Zwischenzeit stand die Sonne bereits tief am Horizont.
»Wir werden es heute wohl nicht mehr schaffen«, sagte Handan.
»Dann sollten wir uns ein Plätzchen für die Nacht suchen«, schlug Öseblöm vor. Der Wanderer war immer noch guter Dinge und ahnte nichts von seinem Problem.
Amira hatte mittlerweile den hohen Berg erreicht. Sofort ging sie in eine kreisende Flugbewegung über. Sie wollte sich, wie sonst auch, langsam in die Höhe tragen lassen. Aber die Sonne stand bereits so tief, dass sie den Versuch abbrach.
»Amira hat den hohen Berg erreicht«, berichtete Ralle seinen Freunden auf der Veranda. »Sie wird am Fuße des Berges übernachten und morgen, mit der aufgehenden Sonne, den Gipfel überqueren.
»Ist es bis dahin nicht schon zu spät?«
Kalle war besorgt. Es wäre wirklich nicht gut, wenn Öseblöm keine eigenen Wanderstiefel hätte.
»Das glaube ich nicht«, meinte Dalin. »Handan ist schnell, aber so schnell nun auch wieder nicht. Es ist eine wirklich weite Reise von hier aus.«
»Ja, aber Handan hat Wanderstiefel und obendrein ist er auch noch ein Riese. Habt ihr das etwa vergessen? Ein Riese macht schließlich Riesenschritte!«
Auch unser Balthasar war besorgt; nach seinem Kontakt mit der kleinen Marie sogar noch viel mehr. Er hatte die Sorgen des kleinen Schäfchens mitfühlen können.
»Selbst Kalle mit seinen Stiefeln bräuchte mindestens zwei Tage zum Kuckucksdorf«, versuchte Dalin, die Freunde zu beruhigen. »Und dann ist da ja noch das Kuckucksdorf selbst.«
»Das klingt, als sei das Dorf ein Problem«, sagte Kalle. Sein Einwand war eigentlich als Frage gedacht, aber wie so oft, ging der Zwerg über solche Fragen hinweg.
»Vielleicht solltest Du jetzt versuchen, mit Erik in Kontakt zu treten.«
Dalin hoffte, dass Balthasar auf diesem Weg herausfinden könnte, was Öseblöm vergessen hatte, zu fragen. War es der Hinweis auf Smilan? Wenn es so war, so könnte er selbst vielleicht auch noch eigene Wanderstiefel erhalten? Doch in der Angelegenheit hatte der Zwerg wenig Hoffnung. Hier waren die Legenden eindeutig: Den Stiefelmacher darf man nur einmal fragen.
»Wie soll ich das machen?«, fragte Balthasar.
»Wie bei den anderen auch«, antwortete Dalin.
»Das geht nicht.«
»Warum geht das nicht?« Der Zwerg war verblüfft; sofort schossen ihm die wildesten Gedanken durch den Kopf.
»Ich weiß nicht, wie Erik aussieht«, erklärte Balthasar. »Bei allen anderen stelle ich mir immer ihr Bild vor; solange, bis ich sie fühle.«
In diesem Augenblick verstanden die Freunde auf der Veranda, welche Begabung der kleine Balthasar besaß. Auch Mallewutz. Der Bursche wurde immer ruhiger und seine Gedanken behielt er für sich: »Kalle hat Wanderstiefel; Malle hat das Halstuch; Ralle hat Amira und Balthasar kann Gedanken lesen oder fühlen oder wie auch immer; aber ich, was hab ich oder was kann ich?«
Während sich also sowohl Amira, als auch Handan und Öseblöm ein Plätzchen für die Nacht suchten, wurde es auf der Veranda unserer Freunde auch etwas ruhiger.
Mallewutz hing seinen trüben Gedanken nach und die anderen überlegten, wie sie Öseblöm helfen konnten.
»Erzähl uns doch über das Kuckucksdorf, vielleicht fällt uns ja gemeinsam etwas ein.«
Kalle ließ nicht locker. Beharrlich folgte er einer Ahnung, die in ihm aufkam.
Der Zwerg dachte kurz nach und nickte zustimmend: »Vielleicht sollten wir uns dazu noch von der leckeren Limonade holen.«
Das war das Stichwort für Balthasar. Der Bursche sprang auf, spurtete in die Küche und kurze Zeit später hielt jeder ein Glas Limonade in der Hand.
Bei aller Sorge um den Freund wurde es nun wieder gemütlich. Im Licht der untergehenden Sonne berichtete Dalin von seinen Erfahrungen im Kuckucksdorf.
»Nicht das Dorf ist das Problem, sondern seine Bewohner«, begann der Zwerg wirklich Unglaubliches zu erzählen. – »Wie meinst Du das?«, unterbrach ihn Kalle und dachte dabei an ihr Erlebnis mit den Bewohnern vom Mühldorf. – »Nun ja«, fuhr Dalin fort und schüttelte immer wieder seinen Kopf, als er sich daran erinnerte. »Die Bewohner dort sehen alle gleich aus.« – »Wie – gleich?«, fragte Kalle. »Tragen alle die gleiche Kleidung?« – »Schlimmer«, antwortete Dalin. »Viel Schlimmer.«
Für Euch, liebe Kinder, ist es nun an der Zeit, ins Traumland zu reisen … Darum heißt es wieder:
»Gute Nacht und träumt recht schön, schon morgen wird es weiter gehen.«