Dalins Plan
»Es ist soweit! Seid Ihr bereit?«
Dann wollen wir nun mit der nächsten Episode unserer Gutenachtgeschichten fortfahren. Darum hüpft wieder ganz schnell in Euer Bett und deckt Euch gut zu. Macht es Euch, wie jeden Abend, so richtig kuschelig. Jetzt schließt bitte die Augen und spitzt Eure Ohren; passt gut auf, denn unsere Freunde befinden sich auf einer heiklen Mission.
Nun wurde es langsam dunkel da draußen. Auf der Veranda saßen unsere Abenteurer zusammen und berieten darüber, wie sie Herrn Öseblöm noch rechtzeitig warnen könnten.
Amira hatte in der Zwischenzeit ein schönes Plätzchen gefunden und es sich hoch oben in den Wipfeln eines alten Baumes gemütlich gemacht; dabei ihren Kopf rücklings in die Federn gesteckt.
Zur gleichen Zeit saßen Öseblöm und Handan an einem kleinen Lagerfeuer und bereiteten sich auf die Nacht vor.
»Ich übernehme die erste Wache«, schlug Öseblöm vor.
»Und ich die Zweite«, willigte Handan in den Vorschlag ein. »Morgen früh, bei Sonnenaufgang, ziehen wir weiter.«
Auch unsere Freunde auf der Veranda zogen sich jetzt langsam zurück.
»Ich bringe Pimpi noch schnell nach Hause«, sagte Kalle, packte sich die kleine Pimpinelle unter den Arm und war nur wenige Augenblicke später schon wieder zurück.
»Das ging aber schnell!«, rief Kreszenz.
»Soll ich Dich auch nach Hause bringen?«, fragte Kalle und grinste.
»Nein danke«, antwortete Kreszenz. »Ich gehe lieber auf meinen eigenen Beinen und außerdem kann ich so noch ein bisschen nachdenken.«
Mit diesen Worten stand der Sohn des Bürgermeisters auf, verabschiedete sich und machte sich auf den Heimweg.
»Es stimmt,« beschloss Dalin nun endgültig den Abend, »wir sollten heute früh zu Bett gehen. Ich vermute, unsere Freunde werden gleich mit der aufgehenden Sonne starten. Da sollten wir bereit sein, wenn wir noch eine Chance haben wollen.«
»Aber was können wir denn von hier aus unternehmen?«
Balthasar machte sich große Sorgen um seinen Freund. Er hatte Öseblöm mittlerweile so tief ins Herz geschlossen, dass er sich ein Leben ohne ihn gar nicht mehr vorstellen konnte.
»Nun, wenn Amira morgen früh schnell genug ist, können wir ihn warnen.«
»Du meinst, Amira muss schneller über den hohen Berg, als Öseblöm und Handan um den Berg herum sind?«, resümierte Kalle die ganzen Überlegungen.
»Dann sollten wir noch vor Sonnenaufgang aufstehen!«
Kaum hatte Kalle ausgesprochen, erhoben sich alle gleichzeitig, räumten den Tisch ab und zogen sich in ihre Zimmer zurück; richtig schlafen jedoch, konnte wohl keiner von ihnen. Viel zu aufgeregt waren alle, jeder auf seine Weise …
Der Mond zog einsam seine Bahn am Nachthimmel und die Zeiger der Uhren rückten nur langsam vorwärts, so als würden sie von einer klebrigen Masse daran gehindert. Dann endlich war es soweit; nach einer unendlich langen Nacht zog die Morgendämmerung heran und kündete von einem neuen Tag.
Dalin war der Erste auf der Veranda. Er bereitete schon ein kleines Frühstück vor. Nach und nach kamen die anderen Burschen aus ihren Zimmern. Balthasar fröstelte ein wenig, denn es war noch recht kühl um diese Zeit. Die Sonne ließ noch auf sich warten.
»Amira steigt gerade auf«, sagte Ralle, als er seinen Kopf zur Verandatür herausstreckte.
»Dann geht es jetzt los. Ich bin sicher, Handan und Öseblöm sind auch soeben gestartet.«
Der Zwerg sprach mit ernster Stimme und trank einen Schluck von dem frisch gebrühten Tee.
»Was machen wir, wenn Amira nicht schnell genug ist?«, fragte Malle, der, genau wie die anderen, die ganze Nacht über nachgedacht hatte, wie sie Öseblöm erreichen könnten. »Irgendwie müssten wir Öseblöm dazu bringen, auf Amira zu warten.«
»Das ist eine sehr gute Idee!«, rief Dalin plötzlich, sprang auf, und mit zwei, drei schnellen Schritten stand er vor dem kleinen Balthasar. Zur Überraschung aller, stieß er mit einem kräftigen Hieb den jüngsten der fünf Burschen von der Bank. Balthasar verlor seinen Halt und purzelte rücklings von der Veranda herunter.
»Aua!«, brüllte der Bursche, der völlig entsetzt im Staub vor der Veranda landete. Kalle und Malle lösten sich aus ihrer Erstarrung und sprangen herbei, um Dalin am weiteren Angriff zu hindern.
»Was tust Du da, böser Zwerg!?«, schrie Kalle zornig. Er und Malle hielten den Zwerg fest im Griff.
»Du musst denken!«, befahl Dalin unserem Balthasar, dem erste Tränen über die Wangen kullerten. »Wieder zurück! Denke, so laut Du nur denken kannst! Wieder zurück! Öseblöm wird das verstehen.« Jetzt erkannte Balthasar Dalins Plan. Öseblöm würde es mitbekommen, wenn einer seiner Freunde in Not geriet. Deshalb dachte Balthasar konzentriert: »Du musst wieder zurück! Warte auf Amira!« –Balthasar lag im Staub und dachte immer intensiver an seinen Freund: »Gefahr; Du musst wieder zurück; warte auf Amira!« – Mehr konnten unsere Freunde von der Veranda aus nicht tun. Jetzt hieß es abwarten.
Für Euch, liebe Kinder, ist es nun an der Zeit, ins Traumland zu reisen … Darum heißt es wieder:
»Gute Nacht und träumt recht schön, schon morgen wird es weiter gehen.«