Spurensuche
»Es ist soweit. Seid Ihr bereit?«
Dann wartet auf Euch die nächste Geschichte. Habt Ihr es schon so richtig gemütlich? Falls nicht, dann wird es aber Zeit! Deckt Euch also wieder gut zu, schließt bitte die Augen, bitte alle beide …, danach spitzt Eure Ohren, denn jetzt begeben wir uns wieder zu unseren Freunden in das Schulgebäude.
Herr Öseblöm zuckte leicht zusammen, als er das hörte. »Elternloses Pack!« Das war schon starker Tobak. Nachdenklich erhob sich unser Abenteurer und übergab die Bande den Lehrern. Dann ging er rasch die Treppen hinauf, zurück ins Klassenzimmer. Mallewutz und Balthasar saßen noch immer brav auf ihren Plätzen, diesmal allerdings umringt von ihren Mitschülern, die sich staunend die Geschichten von Handan und ihrem neuen Freund Öseblöm anhörten.
»Kommt mit Ihr zwei«, rief Öseblöm. »Ihr habt heute ganz bestimmt keinen Unterricht mehr.«
Balthasar und Mallewutz sprangen sofort auf, packten ihre Schultasche und verabschiedeten sich von ihren Klassenkameraden.
»Wir sehen uns ja morgen«, sagte Balthasar, winkte noch einmal kurz und rannte dann so schnell er konnte zur Tür hinaus. Öseblöm hatte es offensichtlich eilig.
»Ich glaube, ihr habt mir einiges zu erzählen«, meinte Öseblöm. »Aber nicht hier. Lasst uns zur Veranda gehen.«
Draußen vor der großen Schultür warteten Kalle und Malle ungeduldig auf die Rüpel, um sie mit dem Seil zu fangen. Sie waren ziemlich überrascht, als sie Öseblöm herausstürmen sahen, gefolgt von Mallewutz und Balthasar.
»Habt Ihr die Rüpel etwa schon gefangen?«, wollte Kalle wissen.
»Das haben die ganz alleine gemacht«, grinste Öseblöm. »Aber wir müssen uns besprechen, wenn wir Dralle wiederfinden wollen. Deshalb kommt mit nach Hause. Die Veranda ist ein guter Ort.«
Die Burschen folgten unserem Wanderer, der plötzlich sehr nachdenklich war.
Auf der Veranda warteten schon Lavida und die Adler, Betty das Eichhörnchen und Handan, der Riese von Wurzelbruck. Der saß natürlich nicht auf der Veranda, sondern wie immer gemütlich vor dem Haus.
»Habt Ihr Dralle gefunden?«, fragte Lavida.
»Leider noch nicht«, antwortete Öseblöm. »Aber ich schätze, dass das Rüpelproblem sich erledigt hat, immerhin.«
Nun erzählten die Burschen, wie sie sich den Rüpeln gestellt hatten. Vor allem Malle berichtete mit leuchtenden Augen, wie klein doch die Häuser wirkten, wenn man auf Handans Schulter saß.
Der Riese von Wurzelbruck sagte kein Wort dazu. Er lächelte still vor sich hin und freute sich darüber, dass er helfen konnte. Schließlich berichtete Öseblöm von seiner Begegnung auf der Toilette und seiner Befragung …
»Und jetzt erklärt mir bitte, was das zu bedeuten hat: elternloses Pack?«
Die Burschen schluckten. Das war es also! Malle schossen sofort Tränen in die Augen, Mallewutz und Balthasar bekamen einen dicken Klos im Hals und konnten nicht mehr antworten, nur unser Kalle war ganz abgeklärt.
Der älteste der Burschen lächelte ein wenig traurig und erklärte: »Wir fünf Burschen in diesem Haus haben alle unsere Eltern verloren. Hier leben wir wie in einer Familie. Die Nachbarn helfen so gut sie können und schauen ab und zu nach uns. Wenn wir Probleme haben, können wir jederzeit zu ihnen gehen, aber wir kommen zurecht.«
»Ihr kommt zurecht?«, wiederholte Lavida.
»„Öseblöm hat auch keine Eltern mehr!«, platzte Amira dazwischen. »Er sucht sie schon seit Langem.«
Öseblöm schaute seine Freundin an und schüttelte den Kopf.
»Das hättest Du nicht sagen sollen«, murmelte er.
Balthasar ging nun zu seinem Freund und nahm ihn tröstend in den Arm.
»Na ja,« sagte er, »wenn Du sie suchst, dann leben sie ja wohl noch. Bei uns ist das leider anders. Nur Dralle wollte es nie glauben.«
»Dann hat er vermutlich das Dorf verlassen und sich auf die Suche begeben«, sagte Öseblöm. »Das ist ja schon einmal eine erste Spur. Und ich dachte zuerst, die Rüpel hätten ihn irgendwo eingesperrt.«
Balthasar warf einen verstohlenen Blick zu seinem Freund Kalle.
»Was hast Du, mein Freund?«, fragte Kalle.
»Nichts«, antwortete Balthasar und zögerte etwas. »Du scheinst überhaupt nicht mehr traurig zu sein, dass Deine Eltern nicht mehr da sind. Noch letzte Woche hättest Du geheult wie ein Schlosshund.«
»Das stimmt«, sagte Malle, der, wie die anderen, in seinem Herzen eine große Wunde trug.
»Ich weiß auch nicht«, entgegnete Kalle. »Ich bin noch traurig, ja, aber es tut nicht mehr so weh.«
»Kasran«, sagte Öseblöm mit einem Lächeln. »Das war sein Geschenk an Dich.« – Die Sonne stand jetzt hoch am wolkenlosen Himmel. »Noch eine Nacht sollte Dralle nicht da draußen verbringen«, sagte Amira. »Wir sollten uns aufmachen, und seinen Spuren an der Schule folgen. Öseblöm kann gut Spuren lesen, sogar sehr gut.«
Für Euch liebe Kinder ist es jetzt Zeit … Darum heißt es nun:
»Gute Nacht und träumt recht schön, schon morgen wird es weiter gehen.«