Neue Freunde
»Ich hoffe, Ihr hattet einen schönen Tag?«
Dann lasst uns diesen Tag beschließen, mit einer schönen Gutenachtgeschichte, versteht sich. Also bitte wieder gut zudecken und richtig gemütlich kuscheln. Als Nächstes schließt bitte Eure Augen und macht Eure Ohren ganz weit auf, denn vor der Veranda unserer Freunde spielt sich gerade etwas Unglaubliches ab …
Der kleine Kreszenz junior erstarrte bei den Worten seines Vaters. Hatte er sich etwa verhört? Das konnte doch nicht wahr sein. Sein Papa war doch schließlich der Bürgermeister!
»Aufrichtig und von Herzen!«, fügte der Bürgermeister seiner Entschuldigung hinzu.
Noch immer starrte er in die schwindelerregende Höhe. Handan jedoch kratzte sich am Ohr, genau genommen steckte er seinen Zeigefinger hinein und überprüfte seinen Gehörgang.
»Könntet Ihr das bitte wiederholen!«, rief er und seine Stimme donnerte über die Dorfbewohner hinweg. Sogar Öseblöm zuckte ein wenig zusammen. Nun herrschte Stille auf dem Platz vor der Veranda.
»Ich möchte mich aufrichtig für das Verhalten meines Sohnes entschuldigen«, stammelte Kreszenz senior. Sein Sohn machte einen vorsichtigen Schritt zurück, aber der Bürgermeister packte den Bengel mit eisernem Griff und hielt ihn im Nacken fest.
»Warte nur, bis wir nach Hause kommen«, zischte er. »Ich denke, wir haben ein ernstes Wörtchen miteinander zu reden.«
»Nichts anderes haben auch wir getan, werter Herr Bürgermeister«, sagte Öseblöm. »Wir haben nur ein ernstes Wort mit Ihrem Sohn geredet. Hat er das nicht erzählt?«
»Mein Sohn scheint mir so einiges nicht erzählt zu haben«, bemerkte der Bürgermeister, der sich langsam wieder gefasst hatte. Der Riese schien ja tatsächlich ein friedlicher Geselle zu sein und im Grunde genommen wirkte er auch gar nicht unsympathisch. Ein bisschen groß vielleicht, aber sonst …
Jetzt erzählte Öseblöm dem Bürgermeister, was passiert war. Der hatte mittlerweile keinen Zweifel daran, dass unser Wanderer die Wahrheit sagte. Die anderen Dorfbewohner hörten ebenfalls zu und tief in ihren Herzen waren sie froh darüber, dass sie niemanden verjagt hatten.
»Und wo ist dieser junge Dralle jetzt?«, fragte der Bürgermeister sichtlich besorgt.
»Wir wissen es nicht«, antwortete Kalle.
»Dürfen wir Euch vielleicht bei der Suche helfen?«
»Die Hilfe von Freunden ist uns immer willkommen«, entgegnete Öseblöm.
»Von Freunden?«, fragte Kreszenz senior. »Ich glaube eher, wir stehen in Eurer Schuld.«
Jetzt kam der kleine Balthasar heran und reichte dem jungen Kreszenz die Hand.
»Lass uns Freunde sein«, sagte er.
Kreszenz, noch heute Morgen Anführer der Rüpelbande, stand nun da, wie ein begossener Pudel, nach wie vor im eisernen Griff seines Vaters. Er konnte nicht glauben, dass der kleine Balthasar ihm die Hand reichte. Nun trat auch Mallewutz heran und bot ihm seine Hand zur Freundschaft.
»Lass uns Freunde sein«, sagte Mallewutz und es klang fast ein bisschen feierlich.
Alle Dorfbewohner schauten jetzt auf die Burschen. Der Bürgermeister war sichtlich gerührt und er schämte sich sogar ein wenig. Da musste ein kleiner Junge kommen und ihm zeigen, was Anstand und Freundschaft ist. Als schließlich auch der junge Kreszenz seine Hand ausstreckte, gab sein Vater ihn frei.
»Freunde …?«, sagte Kreszenz noch ein wenig unsicher.
»Ich auch«, donnerte da eine mächtige Stimme und eine riesige Hand kam von oben und griff nach dem Ex-Rüpel.
Viele Dorfbewohner schrien auf vor Schreck. Der Bürgermeister wurde kreidebleich und sein Sohn wurde von der Hand in die Höhe gehoben. Mit seinen Beinen und Füßen strampelte Kreszenz wild umeinander und rief unablässig um Hilfe. Jedoch traute sich niemand einzugreifen, bis auf unseren Öseblöm vielleicht, aber der wollte nicht.
»Du kleiner wilder Mann«, sagte Handan, als er den jungen Kreszenz so in seiner Hand betrachtete. »Lass mich auch Dein Freund sein …«. Damit setzte er den Kleinen auf seiner Schulter ab. Danach griff er sich Balthasar und Mallewutz.
»Ihr beide habt hier sicher auch noch Platz, oder?«
Der junge Kreszenz konnte es gar nicht fassen. Er saß tatsächlich auf der Schulter dieses riesigen Riesen und der Riese wollte auch sein Freund sein! Von hier oben sah alles so klein aus …
»Wir sollten uns jetzt aufmachen, unseren Dralle zu suchen«, schlug Öseblöm vor. »Wenn alle Dorfbewohner mithelfen, so werden wir ihn sicher finden.«
Der Bürgermeister fasste sich wieder, als er erkannte, dass seinem Sohn nichts passiert war.
»Was für ein Tag!«, dachte Kreszenz senior. »Wer hätte schon gedacht, dass wir mit einem Riesen Freundschaft schließen!«
Und so kam es, dass sich das ganze Dorf aufmachte, unseren Dralle zu suchen. Öseblöm und Amira flogen zur Schule, um die Spur aufzunehmen. Handan ging mit den Burschen Richtung Feld und Lavida hielt zusammen mit Betty Wache auf der Veranda. Don Carlos blieb ebenfalls zurück, um die anderen sofort benachrichtigen zu können, falls Dralle auftauchen sollte. Malle wollte zu Bauer Rums und dort suchen. Unser Freund Kalle aber zog gemeinsam mit dem Bürgermeister los, denn er wollte noch ein ernstes Wort mit ihm reden …
Für Euch liebe Kinder ist es jetzt wieder an der Zeit, ins Traumland zu reisen … Darum heißt es nun:
»Gute Nacht und träumt recht schön, schon morgen wird es weiter gehen.«