… die unglaublichen Abenteuer des Herrn Öseblöm –
und seiner Freunde …

Home 9 Gutenachtgeschichten 9 Jahr-01 9 Episode 225

Riesiger Zwerg

»Seid Ihr bereit? Es ist soweit!«

Die nächste Episode unserer Gutenachtgeschichten wartet schon auf Euch. Also hüpft wieder ganz rasch in Euer Bett, deckt Euch gut zu und macht es Euch so richtig gemütlich. Jetzt schließt Eure Augen und spitzt Eure Ohren, denn wir begleiten nun Kalle und Dalin auf ihrem Weg zum Dorf der tausend Mühlen. In dem Dorf herrschte bereits große Aufregung …

Tatsächlich gab es einen guten Grund, warum das Mühldorf auf einem großen Hügel errichtet wurde. Die Gründer des Dorfes hatten von da oben einen fantastischen Blick in die weite Ebene, und zwar nach allen Seiten! So konnten sie immer rechtzeitig erkennen, ob Gefahr im Verzug war.

»Alarm! Alarm! Sandsturm im Anmarsch!«, der Wachposten allarmierte das ganze Dorf. Sofort wurde die Glocke geläutet und nach wenigen Minuten wussten alle Dorfbewohner, dass eine ungewöhnlich hohe Staubwolke sich dem Mühldorf näherte.

»Mühlen sichern!«, befahl der Bürgermeister und hielt rein instinktiv mit einer Hand den Zylinder auf seinem Kopf fest; aus Angst, der Sandsturm könne ihm den Zylinderhut vom Kopf reißen.

»Ein Angriff auf das Dorf, so früh am Tag!«, rief einer der Bewohner und rannte zusammen mit seinen Nachbarn zur ersten Mühle, um die mächtigen Segeltücher einzuziehen; damit die Flügel der Mühle nicht beschädigt werden konnten.

Die anderen Bewohner kümmerten sich um die anderen Mühlen. Währenddessen kam die Staubwolke immer näher; allerdings schien sie sich plötzlich zu verlangsamen.

»Sie wird langsamer«, stellte der Wachposten fest, als Radun, der Bürgermeister des Mühldorfs, dicht neben ihm stand und besorgt die Staubwolke beobachtete.

»Und sie wird kleiner«, stellte Radun fest, was aber seine Sorgen eher noch vergrößerte.

Von all dem ahnte zumindest unser Kalle nichts. Dalin hingegen fühlte bereits, dass ihr Auftauchen nicht gerade willkommen war.

»Wir sollten noch langsamer werden«, schlug er vor.

»Aber dann brauchen wir viel länger«, widersprach Kalle. »Sehr viel länger.«

Der Bursche konnte sich einfach nicht vorstellen, dass die Bewohner des Mühldorfs vor ihm Angst haben sollten. »Ich werde einfach freundlich lächeln«, dachte er. »Ein Lächeln versteht doch jeder.«

Den letzten Gedanken sprach er laut aus.

Dalin schüttelte den Kopf: »Ein Lächeln kann auch falsch verstanden werden«, entgegnete er. »Ganz besonders von Menschen, die Angst haben.«

»Wie kann man ein Lächeln falsch verstehen?«, fragte Kalle.

»Du magst ein Abenteurer sein,« bemerkte Dalin, »aber viel hast Du noch nicht erlebt. Sonst wüsstest Du, was ich meine.«

Jetzt zögerte Kalle ein wenig und wurde noch langsamer. Die Staubwolke, aufgewirbelt durch Dix und Dax, wurde kleiner und wirkte weniger bedrohlich. Glitzernd tanzten die Staubteile im Licht der aufgehenden Sonne und sanken langsam zu Boden.

»Sie werden noch langsamer«, stellte Radun fest.

Der Bürgermeister konnte noch immer keine Einzelheiten ausmachen; allerdings weckte die kleiner werdende Staubwolke in ihm das Misstrauen.

»Vielleicht wollen sie sich anschleichen?«, überlegte der Wachposten. »Es wäre nicht das erste Mal, dass sie uns in der Nacht überfallen.«

»Du meinst?«, fragte der Bürgermeister.

»Vielleicht solltest Du gelegentlich in unserer Dorfchronik lesen«, empfahl der Wachposten. »Dann wüsstest Du, dass sie immer in der Nacht kommen.«

»Äh, ja«, murmelte Radun. »Aber die hier kommen am frühen Morgen, oder träume ich gerade?«

Der Wachposten kratzte sich an seinem Hinterkopf. »Das ist es ja, was ich nicht verstehe. Wir sollten vorsichtig sein.«

»Wir sind immer vorsichtig«, bekräftigte Radun seine Position als Bürgermeister. »Das war noch nie anders! Und solange ich Bürgermeister vom Mühldorf bin, wird sich daran auch nichts ändern.«

So näherten sich unsere Freunde dem Dorf der tausend Mühlen; beobachtet von ängstlichen Bewohnern und misstrauisch beäugt von Wachposten, die auf das Schlimmste vorbereitet waren.

Kalle entsprach zwar Dalins Wunsch und wurde etwas langsamer, aber von dieser, seiner gemütlichen Reisegeschwindigkeit wollte er jetzt nicht ablassen. Was Kalle allerdings unter »gemütlich« verstand, entsprach immer noch dem Rauschen einer Dampflokomotive unter Volldampf.

»Wir werden ihnen schon erklären, dass es keinen Grund zur Sorge gibt«, bestand Kalle auf seine Einschätzung. Er sollte sich irren.

»Ein Riese!«, rief einer der Dorfbewohner, als Kalle und Dalin nah genug an den Hügel herankamen.

Jetzt sahen es die anderen Bewohner ebenfalls. »Er hat zwei Köpfe!«, brüllte ein anderer, der gerade Dalins Kopf dicht über Kalles Schädel entdeckte. »Noch viel schlimmer«, rief ein anderer, der Dalins erste Gesichtszüge erkennen konnte. »Es ist ein Zwerg!« – »Ein riesiger Zwerg,« brüllte ein Dritter, »mit zwei Köpfen!« – Das war zuviel für die Bewohner vom Mühldorf. Sie hatten genug gesehen. – »Alles in die Häuser!«, befahl der Bürgermeister. »Bringt Euch sofort in Sicherheit!« ­– Und so kam es, dass kein Dorfbewohner Kalles Lächeln sah, als er den Hügel hoch stürmte.

Für Euch, liebe Kinder, ist es nun an der Zeit, ins Traumland zu reisen … Darum heißt es wieder:

»Gute Nacht und träumt recht schön, schon morgen wird es weiter gehen.«