… die unglaublichen Abenteuer des Herrn Öseblöm –
und seiner Freunde …

Home 9 Gutenachtgeschichten 9 Jahr-01 9 Episode 227

Vorsicht, Zwerg!

»Ich hoffe, Ihr hattet einen schönen Tag?!«

Dann wird es Zeit, diesen Tag mit einer schönen Gutenachtgeschichte zu beschließen. Deshalb hüpft jetzt schnell in Euer Bett; schlüpft unter die Decke und macht es Euch wieder so richtig gemütlich. Seid Ihr bereit? Dann schließt nun Eure Augen, spitzt Eure Ohren und passt gut auf, denn wir begeben uns zu unseren Freunden im Dorf der tausend Mühlen.

»Das gibt es doch gar nicht!«, schimpfte Kalle. »Es kann doch überhaupt nicht sein, dass alle, also wirklich alle Dorfbewohner verschwunden sind. Wo haben die sich denn nur versteckt? Hattest Du den Frühstückstisch gesehen? Der war doch ganz frisch gedeckt, so als wäre dort bis vor Kurzem jemand gesessen. Sogar der Tee hat noch gedampft!«

Kalle war außer sich. Trotz seiner jungen Jahre, konnte er schon auf einige Abenteuer zurückblicken und außerdem, in der Schule hatte er ja auch einiges gelernt. Aber dies hier war für unseren Burschen überraschend; ja, es erschütterte ihn geradezu.

Dalin hingegen reagierte gelassener. Als Zwerg hatte er in den vielen Jahren seiner Wanderschaft schon unglaubliches erlebt. Deshalb war dieses Erlebnis lediglich ein weiteres auf seiner langen Liste.

»Hattest Du nicht vorhin eine Stimme gehört?«, fragte er seinen aufgebrachten Freund.

»Genau!«, rief Kalle. »Du hast recht; als ich an die Tür klopfen wollte, war definitiv jemand im Haus.«

»Und was hatte die Stimme gesagt?«, wollte Dalin wissen.

Kalle stutzte. Er war von dem leeren Dorf so beeindruckt, dass er völlig vergessen hatte, was im Haus gesprochen worden war. Der Bursche kratzte sich am Kopf und versuchte sich zu erinnern.

»Ein Zwerg, glaube ich«, antwortete er.

»Sie glaubten …«, wiederholte Dalin.

»Nein, nein«, unterbrach Kalle. »Die Stimme sagte: Zwerg, es ist ein Zwerg! Und eine zweite Stimme sagte: Psst!«

»Zwei Stimmen«, dachte Dalin laut. »Dann sind wir schon einen Schritt weiter. Es gibt also mindestens zwei Bewohner in diesem Dorf.«

»Aber wir wissen nicht, wo sie sind«, resümierte Kalle die Überlegungen. »Und außerdem scheinen sie Angst vor Zwergen zu haben.«

Nach einer kurzen Pause ergänzte der Bursche noch: »Was ich überhaupt nicht verstehen kann.«

»Vielleicht sollten wir noch einmal in das Haus zurück, wo Du die Stimmen gehört hast«, schlug Dalin vor.

Gesagt, getan. Unsere beiden Abenteurer schlenderten durch die verlassenen Dorfstraßen zurück. In die gespenstische Stille mischte sich ein seltsames Gefühl, so als würden die Besucher aufgefordert, das Dorf endlich zu verlassen.

»Das ist deutlich«, sagte Dalin.

»Fühlst Du das etwa auch?«, fragte Kalle. »Anscheinend sind wir hier nicht willkommen.«

In der Zwischenzeit standen die beiden wieder vor der schweren Eingangstür des prachtvollen Hauses. Diesmal klopften sie nicht, sondern öffneten die Tür und traten ein.

»Ich frage mich, wie Öseblöm es geschafft hatte, mit den Dorfbewohnern in Kontakt zu treten«, sagte Kalle und schaute sich in der Stube um.

»Öseblöm?«, es war nur ein leises Flüstern, aber Kalle und Dalin hatten es sehr wohl vernommen.

Die Abenteurer hielten inne, aber es war nichts mehr zu hören und zu sehen schon gleich gar nicht.

»Der Tee!«, rief Kalle. »Irgendjemand hat den Tee getrunken!«

»Und zwar nachdem wir das Haus hier verlassen hatten«, stellte Dalin fest. »Wo haben die sich nur versteckt?«

»Viel wichtiger ist die Frage, warum sie sich verstecken«, stellte Kalle fest.

Erneut ein Flüstern; ganz leise und nur von sehr feinen Abenteurerohren zu verstehen:  »Er hat keine zwei Köpfe.«

Eine zweite Stimme antwortete ebenso leise: »Es ist ein Zwerg und es bleibt ein Zwerg; und sie sollen gehen. Sie sollen JETZT gehen.«

In diesem Augenblick wurde unseren Freunden klar: Sie wurden beobachtet! Die Dorfbewohner waren nicht nur einfach verschwunden; sie beobachteten augenscheinlich jeden Schritt der Eindringlinge. Ganz offensichtlich hielt man Kalle und Dalin nicht für normale Besucher. Und Zwerge schienen hier nicht willkommen.

»Was mag hier bloß passiert sein?«, fragte sich Dalin; doch die leisen Stimmen verstummten. Kalle überlegte kurz, ob sie nach den Stimmen suchen sollten; schließlich mussten die Dorfbewohner ein ziemlich gutes Versteck haben. Aber Dalin schüttelte seinen Kopf.

»Ich denke, es hat keinen Zweck«, sagte er. »Lass uns wieder gehen. Ich dachte ja, dass wir hier den Besitzer des Goldschatzes finden könnten …« – »Goldschatz?«, fragte Kalle, der überhaupt nichts mehr verstand. »Was für ein Goldschatz? Du hast einen Goldschatz gefunden? Und Du suchst hier nach seinem Besitzer?« – Der junge Abenteurer war völlig baff. »Warum hast Du mir nichts davon erzählt?« – »Lass uns einfach gehen«, antwortete Dalin mit fester Stimme, drehte sich um und trat wieder hinaus ins Freie. Unser Bursche folgte ihm, aufgeregt und voller Fragen.

Für Euch, liebe Kinder, ist es nun an der Zeit, ins Traumland zu reisen … Darum heißt es wieder:

»Gute Nacht und träumt recht schön, schon morgen wird es weiter gehen.«